Storm und der verbotene Brief

Der niederländische Regisseur Dennis Bots inszeniert mit seinem Abenteuerfilm STORM UND DER VERBOTENE BRIEF den Leinwandbeitrag zum diesjährigen Lutherjahr. Doch taugt der Film für mehr als historische Aufklärung? Das und mehr verrate ich in meiner Kritik.
Der Plot
Im mittelalterlichen Antwerpen zur Zeit der Reformation wird der 12-jährige Storm (Davy Gomez) in ein aufregendes Abenteuer verwickelt, als sein Vater Klaas (Yorick van Wageningen) den Auftrag erhält, in seiner Druckerei einen Brief von Martin Luther (Gabriel Boisante) zu drucken. Es dauert nicht lange, da wird Klaas auf frischer Tat ertappt und Storms Leben wird über Nacht auf den Kopf gestellt. Storm gerät zwischen die Fronten und flieht mit der Druckplatte des verbotenen Briefs. In einer schier ausweglosen Situation trifft er auf das Waisenmädchen Marieke (Juna de Leeuw), die in den Katakomben der Stadt lebt. In einer abenteuerlichen Reise gegen die Zeit versuchen sie gemeinsam Storms Vater vor dem Scheiterhaufen zu bewahren. Aber wem kann Storm überhaupt noch trauen? Was als abenteuerliche Flucht beginnt, wird zu einem tapferen Kampf um die Freiheit.
Kritik
Die deutsche Kirche feiert dieses Jahr den 500. Jahrestag der Reformation und hat 2017 kurzerhand zum sogenannten Lutherjahr erklärt. Zum Angebot anlässlich des Ereignisses bietet die evangelische Kirche im Laufe der 12 Monate verschiedene Gottesdienste mit Luther-Schwerpunkt an, der diesjährige Reformationstag Ende Mai wurde einmalig zum bundesweiten Feiertag erklärt und die St. Petri Kirche im Landkreis Uelzen lädt gemeinsam mit Kirchen im US-amerikanischen New York und Atlanta zur Ausstellung „Here I Stand“, welche die Geschichte und Bedeutung der Reformation anhand von Grafiken und Bildern veranschaulicht. Passend zum Lutherjahr hat der gebürtige Afrikaner Dennis Bots („Starke Mädchen weinen nicht“) mit „Storm und der verbotene Brief“ einen eigenen Film zum Thema inszeniert. Das sich vornehmlich an ein junges Publikum richtende Projekt versteht sich dabei nicht bloß als Mischung realer und fiktiver Ereignisse, sondern ist vor allem ein leinwandtaugliches Abenteuer. Um die Geschichte auch über die Reformation hinaus mit Mehrwert zu bestücken, geht es nicht nur um Luthers Vermächtnis, sondern vor allem um die Freiheit der Meinungsäußerung sowie des Glaubens. „Storm und der verbotene Brief“ ist entgegen seiner thematischen Konzentriertheit auf Luther und seine 95 Thesen ein brandaktueller und trotz seines niedrigen Budgets äußerst ansehnlich geratener Film.
Natürlich ist „Storm und der verbotene Brief“ in erster Linie ein Film, der über die Reformation informieren soll, doch Dennis Bots hat es sich zur Aufgabe gemacht, kein dröges Geschichtsdrama zu inszenieren. Stattdessen setzt er trotz der vermutlich sehr eingeschränkten Zielgruppe auf maximale Schauwerte und hat die belgische Hafenstadt Antwerpen kurzerhand ins Mittelalter zurückversetzt. Bots drehte so viel wie möglich an Originalschauplätzen und verhilft seinem Film damit zu einem großen Pluspunkt: „Storm und der verbotene Brief“ sieht tatsächlich aus wie aufwändig produziertes, groß gemachtes und gedachtes Kino, das trotz der klaren Ausrichtung nicht kleckert, sondern klotzt. Dabei bedurfte es nicht einmal einen sonderlich großen Aufwand, denn ohne die ganz große Prominenz oder aufwändige Spezialeffekte konnte man sich bei den Budgetplanungen ganz auf die aufwändige Kulisse sowie die authentische Kostümgestaltung konzentrieren. Damit sieht „Storm und der verbotene Brief“ trotz weniger Geld weitaus hochwertiger aus als Filme wie die deutsche „Edelstein“-Trilogie oder die Märchenverfilmung „Das kalte Herz“, die sich in ähnlichen visuellen Sphären ansiedeln lassen. In diesem handgemachten Setting lässt es sich mit einer dramaturgisch recht geradlinigen Abenteuergeschichte dann doch gleich viel besser mitfiebern, als vor billiger Studiokulisse.
Der Eindruck von inszenatorischer Qualität beginnt bei der visuellen Aufbereitung, zieht sich durch die Performances sämtlicher Schauspieler und endet in der deutschen Fassung bei der Synchronarbeit, für welche namhafte Sprecher wie Oliver Mink (unter anderem der Stammsprecher von Mark Wahlberg) oder Laura Maire, die Stammstimme von Brie Larson gewonnen werden konnten. Um jedoch nicht bloß vom Produktionsaufwand, sondern auch von der Story überzeugt zu werden, gingen Dennis Bots und seine Drehbuchautorin Katrin van Holst Pellekaan („Jackie – Wer braucht schon eine Mutter“) den Weg, die wahre Ereignisse mit dem fiktiven Schicksal einer kleinen Familie anzureichern. Während es Martin Luther, seine 95 Thesen, die Reformation und den Aufstand der Kirche wirklich gab, ist Storm sowie sein Abenteuer um den von ihm in Sicherheit gebrachten Brief eine Erfindung. Doch gerade indem die Macher aus der sperrigen Thematik eine Abenteuergeschichte spinnen, dürfte es dem jungen Zuschauer weitaus einfacher fallen, mit Storm und seiner Familie mitzufiebern, aber auch die Bedrohung in der Situation zu erkennen. „Storm und der verbotene Brief“ ist nicht zu naiv, um Kenner der historischen Hintergründe vor den Kopf zu stoßen, aber auch nicht zu komplex, um das unbedarfte Publikum zu verschrecken. Insofern eignet sich Dennis Bots‘ Film ganz hervorragend zur Aufführung an Schulen oder anderen pädagogischen Einrichtungen und bereitet sogar abseits dessen nicht zu leugnenden Spaß als smarter Unterhaltungsfilm.
Trotzdem (oder gerade deshalb?) ist „Storm und der verbotene Brief“ alles in allem recht geradlinig geraden und kommt über weite Strecken recht überraschungsarm daher. Besondere Storytwists oder expliziten Suspense bietet der Film nicht. Stattdessen generiert sich die Spannung daraus, wie ein kleiner Junge eine Aufgabe übernimmt, der er schon vom Alter her gar nicht gewachsen sein dürfte respektive sollte. Newcomer Davy Gomez, der als Titelheld Storm hier das aller erster Mal auf der großen Leinwand zu sehen ist, präsentiert sich in „Storm und der verbotene Brief“ als große Entdeckung und überzeugt vor allem in der Interaktion mit Luna de Leeuw, die bereits in einigen niederländischen TV-Serien zu sehen war. Unter den erwachsenen Darstellern gerät ausgerechnet die (immerhin nur kurze) Darstellung von Martin Luther selbst reichlich hölzern, während der auch international tätige Yorick von Wageningen („Blackhat“) die Rolle des liebenden Vaters sympathisch und glaubhaft ausfüllt. Einem deutschen Publikum könnte unterdessen TV-Star Luc Feit ein Begriff sein. Der ehemalige „Edel & Starck“-Darsteller, der zuletzt in der düsteren Romanverfilmung „Die dunkle Seite des Mondes“ an der Seite von Moritz Bleibtreu zu sehen war, spielt hier einen der Gehilfen in Klaas‘ Druckerei. Die Ensembleleistung in „Storm und der verbotene Brief“ stimmt also. Zusammen mit einer hochwertigen Optik sowie einer soliden Geschichte ergibt das einen Film, der viel, viel besser ist als er es eigentlich sein müsste und der über weite Strecken überraschend spannend geworden ist.
Fazit: Die niederländische Produktion „Storm und der verbotene Brief“ verpackt die Geschichte um die Veröffentlichung der 95 Thesen von Martin Luther als kind- und jugendgerechte Abenteuergeschichte. Herausgekommen ist ein solide inszenierter und ordentlich gespielter Historienfilm, der sich bevorzugt für die Vorführung an Schulen eignet.
„Storm und der verbotene Brief“ ist ab dem 23. März in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.