Meine Lieblinge: Tragikomödie (2)

Im zweiten Teil präsentiere ich euch die Plätze zwölf, elf und zehn meiner mir liebsten Tragikomödien. Wer den Auftakt verpasste, den verweise ich auf das Ende dieses Artikels, wo ich auf die Plätze 15 bis 13 verlinkt habe.


 

12 / LACHSFISCHEN IM JEMEN

UK 2011 | Regie: Lasse Hallström | Darsteller: Emily Blunt, Ewan McGregor, Amr Waked, Catherine Steadman, Tom Mison, Kristin Scott Thomas | Trailer

Lachsfischen im JemenAls leise Mischung aus romantischer Komödie, Wirtschaftssatire und Drama schafft es die von Lasse Hallström inszenierte Romanadaption „Lachsfischen im Jemen“ gekonnt, schmerzhaften Realismus und den Traum von der heilen Welt zu kombinieren. Das fertige Projekt ist eine filmgewordene Ode an den Optimismus einhergehend mit einer bodenständigen Form der „Du kannst alles schaffen, wenn du es nur willst!“-Message. Der mit Emily Blunt und Ewan McGregor in den Hauptrollen hochkarätig besetzte Film besticht durch die leisen Töne – und dadurch, dass das Drehbuch auch in den schmerzhaften Momenten nicht die Augen vor der Wahrheit verschließt.

Das von Lasse Hallström jedoch eigentlich vollbrachte Kunststück, ist die Jonglage mit jenen unterschiedlichen Emotionen, die im Leben bloß in äußersten Ausnahmesituationen zutage gefördert werden. Emily Blunt mimt die Anwältin Harriet, die in den Jemen reist, um einem steinreichen Scheich dort den Angelsport zu ermöglichen. An ihrer Seite agiert Ewan McGregor in der Rolle eines Fischereiexperten. Beide Figuren stehen jeweils an ganz unterschiedlichen Positionen ihres Lebens. Mal dominiert sie die pure Abschottung gegenüber der Umwelt, dann wiederum scheinen sie ineinander die ideale Ergänzung gefunden zu haben. Als Zuschauer möchte man meinen, die Protagonisten hätten ihr Schicksal selbst in der Hand, doch immer wieder wird das Geschehen in „Lachsfischen im Jemen“ von äußeren Umständen beeinflusst. Dabei betrachtet Hallström das Leben als eine Art System, bei dem unterschiedliche Faktoren wie Zahnräder ineinander greifen. Wirtschaftliche Interessen, Naturgewalten, Freund und Leid, aber auch die Liebe tragen dazu bei, wie sich unser Schicksal in jenes unserer Mitmenschen fügt; eine weitere von Hallström aufgeworfene Frage ist allerdings auch, wie stark wir uns davon beeinflussen lassen. So ist „Lachsfischen im Jemen“ nur in Ansätzen eine Liebesgeschichte und erweist sich stattdessen vielmehr als der gelungene Versuch, aus einer gewissen Distanz auf die Funktionalität unser aller Lebens zu blicken, die wir zwangsläufig nicht einnehmen können. Dazu sind wir selbst viel zu sehr mit uns, unseren Taten und unseren Gedanken beschäftigt.

Dieser Film könnte dir gefallen wenn du UP IN THE AIR oder LABOR DAY mochtest.

 

11 / VIELLEICHT LIEBER MORGEN

USA 2012 | Regie: Stephen Chbosky | Darsteller: Logan Lerman, Emma Watson, Ezra Miller, Dylan McDermott, Kate Walsh, Tom Savini | Trailer

Der Originaltitel von „Vielleicht lieber Morgen“ lautet „The Perks of Being a Wallflower“. Dies bedeutet zu Deutsch in etwa so viel wie „Was es für Vorteile hat, ein Mauerblümchen zu sein“ und beschreibt damit sogleich das Seelenleben unserer Protagonisten. Es geht um Außenseiter. Um jene, die wissen, dass sie welche sind und sich damit arrangiert haben. Es geht um solche, die um alles in der Welt verhindern wollen, je einer zu sein. Es geht um Leute, die sich aus ihrem Mauerblümchen-Dasein nicht befreien können und es geht um Menschen, die sich mit Wonne direkt hineinmanövrieren; in ein Leben, abseits des Mainstream, abseits der vermeintlichen, gesellschaftlichen Sicherheit. Doch nun kommt der deutsche Titel ins Spiel, denn „Vielleicht lieber Morgen“ ist für unsere Hauptfiguren kein Ausruf der Behäbigkeit. Es ist eine stille Hoffnung, es ist ein Wunsch. „Vielleicht machen wir uns erst morgen um all das Gedanken, was uns heute beschäftigt. Denn vielleicht haben sich all unsere Probleme schon morgen in Luft aufgelöst.“

Vielleicht lieber morgen

Der 2012 weltweit gefeierte US-Independent-Hit ist ein ganz und gar einfühlsames Zeitdokument über eine Generation, die aufgrund ihrer vielfältigen Zukunftschancen und -Perspektiven zwangsläufig an ihren eigenen Ansprüchen scheitern muss. Im Mittelpunkt schulischer wie pubertärer Eskapaden steht Charlie, der neu an die High School kommt und seinen neuesten Lebensabschnitt in Form von Briefen festhält, die er in regelmäßigen Abständen einer uns unbekannten Person schreibt. Schonungslos ehrlich schildert er dem Adressaten darin sämtliche Hochs und Tiefs seines bisherigen Lebens, welche sich von gebrochenen Herzen über nie überwundene Kindheitstraumata bis hin zur Angst vor der alles entscheidenden Abschlussprüfung erstrecken. Für sich genommen ist jedes dieser Probleme zu bewältigen, doch der von Logan Lerman hochsensibel verkörperte Charlie wird den unkontrolliert aufeinander zurasenden Emotionen nicht mehr Herr. Sein Leben verläuft in Wellen; mal schäumt er nur so über vor Optimismus und Kraft, dann wiederum liegt er am Boden und wittert sich als am Leben gescheitert. Die feinfühlige Art, mit welcher Stephen Chbosky in das Innerste seiner heranwachsenden Hauptfiguren blickt, entwaffnet die angeblich so karrierefixierte Generation ein ums andere Mal und legt damit den Blick auf etwas frei, dem sich nur allzu wenige Filmemacher im US-Kino widmen wollen: Es geht um jene Angst vorm Scheitern, die plötzlich da ist. Die durch nichts begründet ist und die doch so präsent ist in einem Jahrzehnt, indem „normal“ nicht mehr ausreicht und Außenseiter nicht gesellschaftsfähig sind. Und dass es dennoch Vorteile haben kann, ein solcher zu sein, ist schließlich das zweite, selbstironische, und damit so wichtige erzählerische Element in „Vielleicht lieber morgen“, einem Meisterwerk!

Dieser Film könnte dir gefallen, wenn du (500) DAYS OF SUMMER oder GANZ WEIT HINTEN mochtest.

 

10 / VINCENT WILL MEER

D 2010 | Regie: Ralf Huettner | Darsteller:  Florian David Fitz, Karoline Herfurth, Heino Ferch, Johannes Allmayer, Katharina Müller-Elmau, Tim Seyfi,  | Trailer

Vincent will ans Meer. Aber Vincent leidet auch am unheilbaren Tourette-Syndrom, einer neuropsychiatrischen Erkrankung, die den jungen Mann minütlich dazu zwingt, unkontrollierbare Laute von sich zu geben. Vincents Vater, ein angesehener Politiker, schiebt die Verantwortung lieber von sich und gibt seinen Sohn in die Obhut einer therapeutischen Einrichtung, durch die Vincent lernen soll, besser mit seiner Krankheit umzugehen. So rückt der Wunsch, die Asche seiner Mutter im Meer zu verstreuen, erst einmal in weite Ferne, bis er in der Klinik die magersüchtige Marie und den zwangsneurotischen Alexander kennenlernt. Eines Nachts borgt sich das Trio unbemerkt den Wagen der Klinikleitung und begibt sich auf einen Roadtrip, direkt ans Meer.

Vincent will Meer

Krankheiten und der Prozess des sich damit Arrangierens sind ein gern gewähltes Thema im Rahmen gängiger Tragikomödien. Man denke nur an den durchschlagenden Erfolg von „Ziemlich beste Freunde“ 2012. Doch was „Vincent will Meer“ seinen vielen Konkurrenten voraus hat, ist einmal mehr eine vollkommen ungeschönte Betrachtungsweise, bei der bitterböser Witz mit tieftraurigen Lebenserkenntnissen Hand in Hand gehen. Regisseur Ralf Huettner macht nie einen Hehl daraus, dass seine Figuren schwere Päckchen zu tragen haben, die sich so auch nicht einfach in die Hände Anderer geben lassen. „Vincent will Meer“ verklärt nicht. Eine richtige Lösung, geschweige denn eine medizinische Therapie, gibt es gerade im Fall von Hauptfigur Vincent nicht. Die einzige Möglichkeit, aus dem Galgenhumor auch wieder solchen zu machen, bei dem einem das Lachen nicht sofort im Halse stecken bleibt, ist der sukzessive stattfindende Prozess der Akzeptanz. Das von Florian David Fitz verfasste Skript kombiniert die unterschiedlichen Tonfälle hervorragend, wägt gar innerhalb der einzelnen Genres noch ab, wie melancholisch oder überschwänglich eine Szenerie gerade geraten darf, um den Film nicht an Authentizität einbüßen zu lassen. Ob es ein Happy End gibt, dem ist man sich als Zuschauer nie so ganz sicher, denn so ungeschönt Huettner die kleinen und großen Dramen des Lebens hier einfängt, wäre es kein Wunder, wenn „Vincent will Meer“ auch wie ein solches endet – abrupt, mit einem Lächeln auf den Lippen und Tränen in den Augen.

Dieser Film könnte dir gefallen, wenn du HIN UND WEG oder 50/50 – FREUNDE FÜRS ÜBERLEBEN mochtest.

 

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