Big Game

Trashfilme waren bislang dem Heimkino vorbehalten. Nun wagt sich ein Finne damit erstmals auch auf die große Leinwand und inszeniert mit BIG GAME eine Hommage an das Actionkino der Neunziger und einen Jugend-Abenteuerfilm in einem. Mehr zu dem absurden Leinwandspektakel verrate ich in meiner Kritik.

Big Game

Der Plot

Der schüchterne 13-jährige Oskari (Onni Tommila) steht vor einer großen Aufgabe: Er muss, wie es die Tradition seines finnischen Dorfes verlangt, eine Nacht allein und nur mit Pfeil und Bogen bewaffnet in den Wäldern verbringen. Kehrt er mit einem erlegten Tier zurück, gilt er als ganzer Mann. Das ist keine leichte Aufgabe für den ängstlichen Jungen, denn die Familienehre steht auf dem Spiel und nicht einmal sein Vater glaubt, dass Oskari es schaffen kann. Während er aufbricht, greifen Terroristen die Air Force One im finnischen Luftraum mit einer Rakete an. Ein Leibwächter steckt den US-Präsidenten (Samuel L. Jackson) in eine Rettungskapsel und schießt diese aus dem Flugzeug. Oskari findet das angeschlagene Staatsoberhaupt, zeigt sich aber wenig beeindruckt. Schließlich ist der Junge auf einer Mission, die durch nichts in der Welt aufgehalten werden darf. Dem mächtigsten Mann der Welt bleibt keine Wahl: Wenn er überleben will, muss er sich Oskari anschließen. Noch ahnen sie nicht, dass die kaltblütigen Attentäter ihnen auf der Spur sind. Die Jagd ist eröffnet…

Kritik

Es ist allen voran einer vollkommen absurden Fantasie von Regisseur Anthony C. Ferrante und seinem Drehbuchautor-Kollegen Thunder Levin zu verdanken, dass in den vergangenen Jahren ein regelrechter Kult um sogenannte Trash-Filme entbrannte. Die beiden zeichneten 2013 für die Low-Budget-Produktion „Sharknado“ verantwortlich, die bis heute zwei Fortsetzungen nach sich zog; die zweite davon soll noch in diesem Jahr im US-amerikanischen Fernsehen und wenig später auch hierzulande ausgestrahlt werden. Die eigentliche Kunst dahinter ist weniger die überraschend positive Resonanz auf die kuriosen Ansammlungen mieser Effekte und schlechter Schauspieler, sondern vielmehr die Tatsache, dass das Publikum diesem Trend noch immer nicht überdrüssig zu sein scheint. Im Gegenteil: Im vergangenen Jahr etablierten sich nicht nur aus dem Totenreich wiederauferstandene Nagetiere namens „Zombiber“ im Trashfilm-Segment. Auch eine Crew aus deutschen Filmemachern machte sich mit ihrem Projekt „Sky Sharks“ auf, um in Cannes nach Financiers für ihren Film zu suchen, in welchem es  um nicht weniger geht, als waschechte Nazi-Haie. Durch das diebische Vergnügen, das solche (bewusst) minderwertigen Produktionen insbesondere in geselliger Runde bereiten, hat sich für auf derlei „Kunst“ spezialisierte Filmschmieden wie „The Asylum“ ein großer Markt und eine noch größere Zielgruppe erschlossen. Doch auch der x-te Hai-Horror funktioniert irgendwann nur noch nach denselben Prinzipien und da sich derartige Genrekost bislang hauptsächlich im Heimkino durchsetzen konnte, muss Trash auf Leinwandniveau mehr bieten, als nur eine allzu absurde Prämisse. Wie das funktioniert, beweist uns dieser Tage der finnische Regisseur und Drehbuchautor Jalmari Helander („Rare Exports“) mit seinem unverschämt vergnüglichen Action-Spektakel „Big Game“.

Big Game

Die auf einem Jugendabenteuerroman basierende Geschichte deutet es bereits an: Hier ist nicht nur jedwede Logik entbehrlich, es bedarf zugleich auch einer Menge Fingerspitzengefühl, um eine derartige Prämisse nicht im Rahmen purer Idiotie aufzubereiten. Doch Jalmari Helander geht sein Projekt mit der richtigen Einstellung an: Der Filmemacher labt sich an seinem mit Passion dargebotenen Absurditätenkabinett und hat nicht nur den augenzwinkernden Tonfall, sondern auch seine durchaus namhafte Besetzung perfekt im Griff. Die alles entscheidende Frage, ob die Verantwortlichen ihr Projekt tatsächlich ernst nehmen, kann also guten Gewissens mit „Nein!“ beantwortet werden.  „Big Game“ ist inhaltlicher Trash in Reinkultur, der mit viel Mut zur bombastischen Banalität weit mehr ist als ein harmloses Guilty Pleasure. Hinter dem Projekt stehen nämlich nicht nur ansehnliche Effekte und ebenjener Cast, der sich sein Stereotypendasein eines heranwachsenden Helden (Tommila), eines US-Präsidenten (Jackson) und des fiesen Terroristen (Mehmet Kurtulus) bis ins Mark einverleibt haben, sondern auch die genauen Kenntnisse des Regisseurs über die handelsüblichen Mechanismen eines funktionierenden Actionfilms der Neunziger. Dass „Big Game“ entsprechend nicht ohne Klischees auskommt, sei an dieser Stelle also lediglich eine Randbemerkung wert. Jalmari Helander geht es schließlich nicht um das Schaffen eines cineastischen Meisterwerks, sondern um die Inszenierung eines kurzweiligen Popcornspaßes. Daran versucht sich Hollywood zwar fast im Wochentakt, doch während Filme wie „San Andreas“ oder „Jurassic World“ an ihrem bierernsten Tonfall scheitern, versucht „Big Game“ gar nicht ernst, das gezeigte für bare Münze zu nehmen. Das kann in der Summe an kurioser Anfälle auch erschlagen – Zuschauer, die sich normalerweise eher an subtiler Massenkost erfreuen, sollten „Big Game“ schon deshalb meiden, weil das vom Leinwandgeschehen provozierte Kopfschütteln bei jenen zu Schmerzen führen wird, die sich der fast schon satirischen Zuspitzung der Szenerie nicht bewusst sind. Helander liefert zwar inhaltlich substanzlose Unterhaltung, der Aufbau seines Abenteuerfilms ist jedoch alles andere als dumm.

Wenn der US-amerikanische Präsident und ein Dreikäsehoch in der finnischen Einöde aufeinandertreffen, sind die hieraus entstehenden Gegensätze so offensichtlich wie die Tatsache, dass „Big Game“ nicht in Finnland, sondern in den bayerischen Alpen gedreht wurde. Das mag den erdkündigen Zuschauer zwar stören, doch die von sich fremden Kulturen geprägte Atmosphäre erhält durch diesen vermeintlich „falschen Anstrich“ zusätzlichen Zündstoff. Der Zuschauer registriert, dass irgendwas nicht stimmt – also entsteht genau jenes Feeling, mit welchem auch die beiden Hauptfiguren lange Zeit gesegnet sind, ohne dass sich erschließt, welches Problem das ungleiche Duo wirklich an der Backe hat. Bis es zur entscheidenden Jagd kommt, vergeht in „Big Game“ nämlich eine ganze Weile. Den eigentlichen Antrieb bildet die Interaktion zwischen dem Präsident und Oskari sowie deren Survival-Eskapaden durch die bewaldeten Täler und die kahlen Berggipfel. Kameramann Mika Orasmaa („Iron Sky“) gelingt ein berauschendes Bergpanorama, das den Schauspielern immer mal wieder die Show stiehlt. Doch auch im Detail ergänzen sich vom Skript angedachte Ideen mit der genauen Beobachtungsgabe Osmaraas:  Wenn hier „E.T.“-Referenzen mit zweckentfremdeten Tiefkühltruhen im Einklang sind, findet der Kamerakünstler den richtigen Blickwinkel, um den Film davor zu beschützen, in alberne Gefilde abzudriften; „Big Game“ bleibt über die gesamte Laufzeit ein astreiner Abenteuerfilm, der darüber hinaus typische „Partner wider Willen“-Momente unterbringt und gerade hierdurch auch seinen Humor entfaltet. „Fünf Freunde“ trifft auf Roland Emmerich – kleine Kinder können da guten Gewissens auch schon mal ganze Schluchten überspringen, während am Ende natürlich alle überlebt haben, außer dem bösen Widersacher.

Big Game

Doch wo unterscheiden sich „Sharknado“ und Konsorten nun eigentlich von dem nicht wesentlich weniger absurden „Big Game“? Mit selbstreferenziellen Kommentaren auf vollkommen kuriose Szenerien innerhalb seines eigenen Films unterwandert Jalmari Helander die Lächerlichkeit seiner Story gleich selbst. Der Regisseur und seine Crew haben zwar einen handwerklichen Anspruch an sich selbst, den sie in den aller meisten Fällen auch einhalten können, sofern man von der sichtbaren Benutzung von Greenscreen einmal absieht. Doch auch inhaltlicher Ebene nehmen sich die Verantwortlichen sämtliche Freiheiten; dies können sie zum einen, weil sie sich nah am Roman bewegen und eine genaue Vorlage für ihre Story also bereits gegeben ist. Zum anderen aber auch, weil durch die Eingangsszenerie früh angedeutet wird, dass „Big Game“ sich jedweder Logik entsagt. Der Regisseur stellt seinem Film sozusagen einen Freifahrtschein aus und diesen nutzen er und sein Stab mit Leidenschaft. Helander geht es nicht um das gewollte Formen von Trash; seine Schauspieler agieren auf sehr gutem Niveau und das Budget floss in die technische Gestaltung. Womit der Regisseur eines eindrucksvoll beweist: Trash funktioniert auch dann, wenn man sich bei der handwerklichen Aufbereitung doch ein wenig mehr Mühe gibt, als es all die Filme tun, die im Fahrwasser von „Sharknado“ und Co. schwimmen. Denn wo

Fazit: Trash auf hohem Niveau: Da die Macher um die Absurdität ihrer Story wissen, ist „Big Game“ ein großes Vergnügen. Technisch hervorragend aufbereitet bietet die Hommage an das Neunziger-Actionkino Filmspaß pur, der sich nicht nur auf den Zuschauer auswirkt, sondern schon beim Drehen auf die Schauspieler übergesprungen sein muss. Samuel L. Jackson und seine Kollegen sprühen nur so vor Enthusiasmus, was den Film immer dann zu retten vermag, wenn doch mal eine Szene an ihrem überbordenden Ideenreichtum zu scheitern droht. Wer sich davon überzeugen möchte, dass man Blockbusterkino auch gegen den Massenstrom inszenieren kann, für den ist „Big Game“ einen Blick wert. Entgegen unserer Gewohnheiten wünschen wir an dieser Stelle: Viel Spaß im Kino!

„Big Game“ ist ab dem 18. Juni bundesweit im Kino zu sehen.

Ein Kommentar

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