Mein Freund, die Giraffe

In der niederländischen Familienkomödie MEIN FREUND, DIE GIRAFFE geht es um die außergewöhnliche Beziehung zwischen Mensch und Tier. Doch der ganz große Knaller ist der Film abseits niedlich anzuschauender Tierbilder nicht. Warum, das verrate ich in meiner Kritik.
Der Plot
Dominik (Liam de Vries) und Raff sind von klein auf die allerbesten Freunde und verbringen jede freie Minute gemeinsam. Allerdings ist Raff nicht einfach ein normaler Spielkamerad, wie ihn jeder Junge hat, sondern etwas ganz Besonderes: Raff ist eine Giraffe, die sogar sprechen kann! Weil Dominik mit seiner Familie direkt neben dem Zoo wohnt, kann er seinen Kumpel jeden Tag besuchen und die beiden erleben viele gemeinsame Abenteuer. Bis der Tag kommt, an dem Dominik eingeschult werden soll. Zuerst ist er sehr aufgeregt und freut sich auf die Schule. Doch als ihm bewusst wird, dass Raff ihn nicht dorthin begleiten kann, macht ihn das sehr traurig. Eine Lösung muss her! Gemeinsam mit seinem neuen Schulfreund tüftelt Dominik einen Plan aus, wie er Raff doch noch mit in die Schule nehmen kann. Wird es ihm gelingen?
Kritik
Studien zufolge sind Kinder, die mit Tieren aufwachsen, nachweisbar seltener krank, im Schnitt zufriedener und neigen weniger zu Aggressionen. Da wundert es auch nicht, dass alle möglichen Mensch-Tier-Freundschaften bereits dutzendfach im Kino durchgekaut wurden. Dass sich ein kleiner Junge mit einer Giraffe anfreundet, ist da immerhin etwas Neues, was die niederländische Regisseurin Barbara Bredero (verantwortlich für die in Holland recht populäre „Mister Twister“-Reihe) da in rund 70 Minuten auf die Leinwand bringt. „Mein Freund, die Giraffe“ handelt von dem kleinen Dominik, der – als frischgebackenes Schulkind – ganz plötzlich erfahren muss, dass im Leben für mehr Platz ist, als nur für einen einzigen Freund. Das klingt auf den ersten Blick ganz schön pädagogisch – und als das erweist sich auch. Dass ganz kleine Zuschauer trotzdem ein wenig Spaß an der Kinderkomödie haben dürften, liegt in erster Linie am braun-gefleckten Hauptdarsteller, der sogar sprechen kann. Doch damit entpuppt sich für die erwachsenen Begleitpersonen direkt das nächste Problem.
In der Fiktion ist für all die Dinge Platz, die es im realen Leben nun mal nicht gibt. Insofern lässt sich einer Geschichte schlecht einen Strick daraus drehen, dass Tiere sprechen, Menschen fliegen oder Fabelwesen unter uns existieren können. Im Falle von „Mein Freund, der Giraffe“ ist es allerdings ein wenig schwierig, genau zu deuten, worauf die Drehbuchautorinnen Mirjam Oomkes („Grüße von Mike!“) und Laura Weede, für die die Arbeit an diesem Film ein Debüt darstellt, eigentlich hinauswollen. Auf der einen Seite zeichnen sie das Setting, die Lebensumstände und die Belange ihrer menschlichen Hauptfiguren möglichst realitätsnah (dass sich ein in einer Zoo-Familie aufwachsender Junge mit einer Giraffe anfreundet, die am selben Tag geboren wurde, wie er, ist erst einmal nichts völlig Abwegiges). Auf der anderen Seite kann die vierbeinige Hauptfigur Raff jedoch sprechen – und zwar als einziges Tier im Film überhaupt. Zwar gab es zuletzt auch mit den sehr erfolgreichen „Paddington“-Filmen Familienproduktionen mit einem sprechenden Tier als Protagonist, doch wurde die Tatsache, dass ein Bär sprechen kann, hier zur märchenhaften Selbstverständlichkeit in einem Filmuniversum, in dem sich Tiere offenbar wie Menschen verhalten können. In „Mein Freund, die Giraffe“ dagegen werden Raffs Sprachkenntnisse von den Einen mit völligem Verdutzen wahrgenommen („Tiere können doch gar nicht sprechen!“), während es für Dominik und seine Familie etwas völlig Normales ist, dass ihre Giraffe mit ihnen redet.
Dass man dankenswerter Weise darauf verzichte, Raff mithilfe von Computertrick Maulbewegungen machen zu lassen (oder ihn gar direkt vollständig zu animieren), ist ein großer Pluspunkt von „Mein Freund, die Giraffe“. Auch sonst kommt die Komödie mit wenig Effekthascherei daher – das Bemerkenswerteste ist gerade in diesem Zusammenhang die Interaktion zwischen dem über zwei Meter hohen, perfekt trainierten (und teilweise animatronischen) Wildtier und dem kleinen Jungen, wodurch sich tatsächlich der Eindruck ergibt, dass zwischen den beiden eine Freundschaft bestehen würde. Allein ihr herzliches, berührendes Zusammenspiel hätte die ohnehin kurzweiligen, 70 Minute hervorragend getragen. Auch der eigentliche Konflikt rund um Dominiks Einschulung und die für ihn damit verbundenen Probleme (Darf ich eigentlich eine neue Freundschaft schließen, wenn ich doch eigentlich schon einen Freund habe?) finden immer noch im Film Platz, doch offenbar reichte den Autorinnen das nicht. Ein Subplot rund um Dominiks verliebten Bruder wirkt beispielsweise völlig fehl am Platz.
So richtig von „missglückt“ lässt sich allerdings bei deutschen Synchronisation sprechen. Für diese Fassung wirbt der Verleih unter Anderem mit der Verpflichtung des beliebten KIKA-Gesichts Tobias Krell alias „Checker Tobi“. Dieser bleibt in der Rolle der Giraffe Raff zwar fehlerfrei, doch die Mühe, genau das zu sein, ist dem Moderator hörbar anzumerken. In seiner Sprachperformance lassen sich weder Leben, noch Emotionen ausmachen. Stattdessen wirkt sein Text – genau wie der von allen anderen Sprechern – auswendig aufgesagt, bisweilen sogar stur abgelesen. Schließt man die Augen, so beschleicht einen zeitweise der Eindruck, gerade einem etwas aufwändiger produzierten Hörbuch zu lauschen. Dadurch büßt „Mein Freund, die Giraffe“ leider einen Großteil seines Sympathiewertes ein, was zusätzlich mit penetranten Geräuscheffekten wie klimpernden Augen verstärkt wird. Am Ende sind die Idee und der Produktionsstandard für einen Film dieser Sorte wirklich in Ordnung. Doch als richtiger Geheimtipp geht „Mein Freund, die Giraffe“ – zumindest in der deutschen Fassung – einfach nicht durch.
Fazit: „Mein Freund, die Giraffe“ ist eine solide Kinderfilmproduktion aus den Niederlanden, die perfekt auf die ganz Kleinen zugeschnitten ist. Als solche wäre sie sogar richtig stark, wenn die deutsche Synchronisation nicht völlig vermasselt wäre, die der Geschichte jedwedes Leben raubt.
„Mein Freund, die Giraffe“ ist ab dem 1. März in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.