Vorwärts immer!

Die Deutschen und ihre Ostalgie: Auch die Verwechslungskomödie VORWÄRTS IMMER! befasst sich basierend auf einer (halbwegs) wahren Geschichte mit der Faszination Ostdeutschland und lässt die damalige Zeit glaubhaft, wenn auch ganz schön bieder wiederaufleben. Mehr dazu in meiner Kritik.

Der Plot

Berlin, Oktober 1989. Anne (Josefine Preuß) lebt mit ihrem Vater, dem Schauspieler Otto Wolf (Jörg Schüttauf), ein bekannter DDR-Staatsschauspieler und begnadeter Honecker- Imitator, allein in Ost-Berlin – ihre Mutter ist in den Westen gegangen. Auch Anne hat große Pläne als Schauspielerin, kann sich das aber nicht mehr in der politischen Enge der DDR vorstellen. Ihr Plan steht fest. Mit einem gefälschten Westpass will sie auch „rübermachen“. Und: sie ist schwanger, ausgerechnet von Matti (Marc Benjamin), dem Sohn von Ottos ärgstem Feind und Schauspielerkollegen Harry Stein (Devid Striesow). Als Anne mit dem revolutionären August (Jacob Matschenz) nach Leipzig zur Demonstration fährt, um sich den Pass zu besorgen, entschließt schließt sich Otto, als Erich Honecker verkleidet, ins Zentralkomitee zu gehen und den Befehl zum Rückzug der Panzer in Leipzig zu geben. Durch unglückliche Umstände landet er in Wandlitz bei Margot (Hedi Kriegeskotte). Ein waghalsiges und sehr turbulentes Spiel auf Leben und Tod beginnt – in dem sich nicht nur Anne und August näher kommen, sonder auch Otto als Erich Honecker und die echte Margot. Jetzt braucht Otto die Hilfe seine Schauspielkollegen, um mit heiler Haut aus dem Schlamassel rauszukommen.

Kritik

An zwei Dingen haben deutsche Filmemacher einen Narren gefressen: dem Zweiten Weltkrieg sowie der deutschen Teilung. Da ist es schon einmal eine nette Abwechslung, wenn Jemand die Geschichte nicht bloß nacherzählen, sondern „frech interpretieren“ will, wie es Produzent Philipp Weinges zu seinem neuesten Projekt „Vorwärts immer!“ angibt. Darin kombiniert Regisseurin Franziska Meletzky („Frei nach Plan“) ein sich so tatsächlich zugetragenes Ereignis – den von Erich Honecker im Jahr 1989 abgegebenen Schießbefehl auf Leipzig – mit einer bis ins Absurde überspitzten Rettungsmission mitsamt Kidnapping des Politikers und ulkigem Verwechslungsklamauk. Klamauk trifft es dabei am besten, denn die auch produktionstechnisch viel besser ins öffentlich rechtliche TV-Programm passende Komödie funktioniert über sehr seichte Comedymechanismen. Trotz der sichtbaren Versuche, dem Geschehen schon aufgrund der zeitlichen Verortung ein wenig Substanz beizumessen, bleibt „Vorwärts immer!“ ein primär über Slapstick und Gaga-Humor funktionierendes Unterfangen, das ganz in seiner Honecker-Verwechslungs-Thematik aufgeht; vorwiegend aufgrund der starken Besetzung von Jörg Schüttauf („Der Staat gegen Fritz Bauer“), mit dessen faszinierender Performance der Film steht und fällt.

Die Theatergruppe rund um Otto (Jörg Schüttauf) bei den Proben zu ihrem Satire-Stück „Vorwärts immer!“

Verunglimpft oder verklärt werden in „Vorwärts immer!“ weder die real existierenden Figuren, noch die Umstände der DDR. Deshalb ist dem Film in dieser Hinsicht schon mal wenig vorzuwerfen; außer vielleicht, dass er aus der Tragik seiner Umstände wenig bis gar nichts herausholt. Mehr noch: So traumatische Ereignisse wie etwa die kurz bevor stehende Exekution einiger DDR-Geflüchteter wirkt wie aus einem anderen Film, wenn zuvor noch herzlich darüber gelacht werden soll, wie kurios das Aufeinandertreffen zwischen der echten Margot und dem falschen Erich verläuft. So lässt sich „Vorwärts immer!“ gefühlt in zwei Teile teilen, von denen der Comedypart weitaus mehr Raum einnimmt, als die Betrachtung der Szenerie. Immerhin ein Vorteil ergibt sich dadurch: Tatsächlich hebt sich Meletzkys Film angenehm von all jenen Vertretern ab, die sich nur zu gern selbst bemitleiden; „Vorwärts immer!“ macht sich da den Titel zum Programm und bleibt selbst in den verhältnismäßig ernsten Momenten seinem optimistischen Grundton treu. Unter „optimistisch“ versteht Autor Markus Thebe, für den dieses Projekt die erste Kinoarbeit darstellt, leider auch einige sehr oberflächliche Momente, wenn er etwa ausladenden Körperhumor subtilem Wortwitz vorzieht. Darüber hinaus verläuft der ausschließliche Verwechslungsplot in weitgehend spannungsarmen Bahnen: Der (Erich Honecker tatsächlich verblüffend ähnlich sehende) Schauspieler Otto Wolf manövriert sich von einer hanebüchenen Situation zur nächsten und dabei immer ganz knapp am Super-GAU namens Entdeckung vorbei. Darin stecken gewiss immer wieder süffisante Beobachtungen; die fragwürdige Beziehung zwischen Erich und seiner Margot wird mit spitzer Zunge, großem Augenzwinkern und trotzdem viel Fingerspitzengefühl betrachtet. Für die ganz große Euphorie mangelt es der Geschichte allerdings an Schmackes.

Wesentlich interessanter, da um einiges lebhafter inszeniert, gestaltet sich der Subplot rund um Annes Fluchtversuch. Josefine Preuß („Smaragdgrün“) spielt die zwischen Aufbegehren und aufgrund des politischen Systems so zurückhaltende junge Frau voller Elan und Selbstbewusstsein. Wie sich Anne und ihre beiden Mitreisenden selbst aus zum Scheitern verurteilten Situationen heraus manövrieren (Stichwort: Polizeikontrolle), verpacken die Macher kreativ und trotzdem realitätsnah; auch wenn das bedeutet, dass der eine oder andere Beamte schon mal vor laufender Kamera vorgeführt wird. Durch Annes Geschichte gewinnt „Vorwärts immer!“ zusätzlich an emotionaler Fallhöhe – schließlich steckt hinter dem ganzen Honecker-Verwechslungs-Wirrwarr letztlich vor allem die Liebe eines Vaters zu seiner Tochter, der alle Hebel in Bewegung setzt, um zu verhindern, dass diese an der Grenze ins Kreuzfeuer gerät. Wie effektiv auf den letzten Metern sämtliche Zahnräder ineinander greifen, ist dann zwar wieder arg konstruiert, doch es taugt auf jeden Fall, um am Ende beide Erzählstränge nahtlos ineinander übergehen zu lassen.

Anne (Josefine Preuß) und ihr Freund Matti (Marc Benjamin). 

Während sich die Leistungen sämtlicher Darsteller – allen voran natürlich jene von Jörg Schüttauf, der Duktus und Habitus von Erich Honecker hervorragend verinnerlicht hat (an dieser Stelle ist auch der Arbeit der Maskenbildner ein großes Lob auszusprechen) – überzeugen, erweist sich das äußere Erscheinungsbild von „Vorwärts immer!“ als wenig kinotauglich. Die viel zu stark ausgeleuchteten Bilder und die jederzeit an Kulissen erinnernden Sets entsprechen der Qualität einer durchschnittlichen Fernsehfilms. Hinzu kommen vereinzelte Szenenbilder, die bewusst an Produktionen der Achtzigerjahre angelehnt sind (Stichwort: Auto), doch zumindest hier lässt sich der Komödie kein Vorwurf machen: „Vorwärts immer!“ ist im besten Sinne zeitlos, sodass man das Jahr 2017 als Produktionsjahr nicht erkennt; genauso gut könnte Franziska Meletzky ihre Geschichte bereits 1989 auf die Leinwand gebracht haben. Ein Gefühl, an dessen Wiederauflebung vor allem die Zuschauer Freude haben werden, die all die Geschehnisse innerhalb des Films noch selbst miterlebt haben.

Fazit: Vom Produktionsaufwand her eher einer Fernsehproduktion entsprechend, hangelt sich die Verwechslungskomödie „Vorwärts immer!“ beständig von einem gelungenen zu einem weniger gelungenen Gag. Dank starker Darsteller ein trotzdem solides Filmerlebnis, an dem sich Zuschauer, die in dieser Zeit aufgewachsen sind, sicher noch mehr erfreuen werden.

„Vorwärts immer!“ ist ab dem 12. Oktober in den deutschen Kinos zu sehen.

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