Alles unter Kontrolle

Der Regisseur von „Monsieur Claude und seine Töchter“ legt mit seiner schwungvollen Komödie ALLES UNTER KONTROLLE auf ähnlichem Terrain nach und erzählt eine herrlich abgedrehte Geschichte über eine Freundschaft wider Willen.

Der Plot

Für den Polizisten José Fernandez (Ary Abittan) gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht: er wird endlich befördert zu einer Spezialeinheit und darf sich vom unerfreulichen Alltag des Grenzpolizisten verabschieden. Die schlechte Nachricht: ein letztes Mal muss er noch nach Kabul, um den straffälligen Karzaoui (Medi Sadoun) in sein Heimatland abzuschieben. Jetzt heißt es, den Flüchtling unkompliziert loszuwerden, sonst wird es schwierig mit der Beförderung. Doch es gibt ein Problem: im Fall Karzaoui ist der Justiz eine Panne unterlaufen und der ist entsprechend verstimmt. José hat sich seinen letzten Flüchtling deutlich resignierter vorgestellt. Doch weit gefehlt! Als das Flugzeug auf einer Ferieninsel notlanden muss, nutzt der renitente Karzaoui die Gunst der Stunde und macht sich mit falscher Identität und einem Heizkörper bewaffnet aus dem Staub. José und sein trinkfester Kollege Guy (Cyril Lecomte) jagen ihrem Ordnungsauftrag hinterher und müssen bald selbst erleben, wie schnell es mit der schützenden Identität vorbei sein kann.

Kritik

Der Erfolg von „Monsieur Claude und seine Töchter“ hat im Jahr 2014 nicht bloß Filminsider in Deutschland (knapp 4 Millionen Zuschauer) und seinem Heimatland Frankreich (rund zwölf Millionen) überrascht, sondern auch eine Welle an Produktionen losgetreten, die sich auf komödiantische Weise mit Rassenklischees befassen. Das Ganze funktioniert bis heute mal mehr („Heute bin ich Samba“) und mal weniger gut („Nur eine Stunde Ruhe“), aber da es nicht so scheint, als würde dieses Thema in naher Zukunft an Brisanz verlieren, dürften sich in den kommenden Wochen und Monaten noch viele weitere Filme egal welcher Nation daran versuchen, den ernsten Kern dieser Thematik mit leichtfüßiger Comedy zu verbinden. Mit „Alles unter Kontrolle“ wagt sich nun der Regisseur von „Monsieur Claude“ selbst wieder daran. Sein Ziel diesmal: eine Komödie, die erzählerisch Dinge wie die Flüchtlingskrise, Abschiebungen und die Zustände in Auffanglagern streifen soll. Ganz so clever ist „Alles unter Kontrolle“ dann aber nicht, denn in erster Linie präsentiert Regisseur Philippe de Chauveron eine möglichst hohe Schlagzahl an Gags. Da die Pointen derselben aber in den aller meisten Fällen zünden, die drei Hauptfiguren eine illustre Truppe abgeben und das Tempo enorm ist, wird aus „Alles unter Kontrolle“ vielleicht nicht die erhofft hintersinnige Abrechnung mit den Fehlern des Systems, sondern eine vielleicht manchmal etwas alberne, dabei jedoch immer herzliche Franzosencomedy mit Gute-Laune-Garantie.

Auf der Flucht vor seinen Aufpassern ist Karzaoui (Medi Sadoun) kein Hindernis zu hoch – beziehungsweise keine Heizung zu schwer.

Es wäre tatsächlich eine große Herausforderung gewesen, im Rahmen einer Komödie all diese wichtigen Themen aufzugreifen und dabei immer noch die tragikomische Waage zu halten. Hier und da schielt das Skript, ebenfalls von Philippe de Chauveron verfasst, auch tatsächlich in Richtung der ernsthaften Aufbereitung (immerhin ist schon allein die inhaltliche Triebfeder des Films eine bürokratische Verwechslung, welche in die Abschiebung der falschen Person mündet), doch in erster Linie will „Alles unter Kontrolle“ einfach nur Spaß bereiten. Im Mittelpunkt steht dabei zum einen die Prämisse selbst; die von diversen Fettnäpfchen geprägte Überführung eines abgeschobenen Kriminellen durch zwei Polizisten bietet an sich schon genug Potenzial, um den Zuschauer ordentlich zum Lachen zu bringen. Es ist aber zum anderen auch die Interaktion innerhalb der Dreiercombo aus den beiden Cops und dem falschen Straftäter, die einen Großteil des Charmes und des Humors ausmacht. Die Figur des Karzaoui, der irrtümlich zurück in sein Nicht-Heimatland Kabul geschickt werden soll, ist nicht umsonst eine, die nichts mehr zu verlieren hat. Da werden hanebüchene Fluchtversuche unternommen, die beiden Aufpasser werden mit Drogen gefügig gemacht und zu allem Überfluss schmuggelt sich der hysterische Zeitgenosse sogar auf ein Schlauchboot. Da all diese Szenarien einer sichtbaren Überzeichnung unterliegen, wird das sukzessive Aus-dem-Ruder-Laufen der Situation jedoch irgendwann zur Prämisse selbst. „Was kann da jetzt noch kommen?“ fragt man sich da mehr als einmal – und tatsächlich folgt in der Szene darauf dann meist schon das nächste Kuriosum. So weit, so amüsant.

Auf ihrem Weg von Frankreich über Malta bis hin zu den Flüchtlingsghettos von Lampedusa, wo die Reise der widerwillig miteinander kooperierenden Herren schließlich ihr Ende findet, reihen sich einzelne Stationen wie humoristische Kurzgeschichten aneinander. Davon sind einige mehr, andere weniger gelungen. Den Flug von Frankreich nach Malta etwa mit einer herzhaften Kotz-Einlage Karzaouis „aufzumotzen“, hätte es etwa nicht unbedingt gebraucht. Viel witziger ist es dagegen, wenn dieser sich in seiner ganzen Verzweiflung umzubringen versucht – mit einem Raumspray! So richtig witzig wird es aber vor allem dann, wenn die drei das Malteser Nachtleben aufsuchen und im Zuge erster aufkeimender Sympathien sogar gemeinsam Party machen (damit erreicht der Film seinen Höhepunkt aber leider auch bereits in der Mitte). Hier kommt ein weiterer Pluspunkt von „Alles unter Kontrolle“ ins Spiel: Die Chemie unter den drei Hauptfiguren ist nicht nur von Anfang an glaubhaft emotional aufgeladen, sondern entwickelt sich auch ebenso authentisch bis zum Ende des Films weiter. Das hilft der Komödie direkt am Anfang über die eine oder andere Länge hinweg; der angerissene Subplot um die familiären Probleme des Polizisten José bremst das Geschehen nämlich spürbar aus. Gleichzeitig sind sie nötig, um der Figur jenes Profil zu geben, welches seinem Kollegen Guy fehlt. Hier beschränkt sich die Charakterisierung auf Oberflächlichkeiten; für ein dynamisches Zusammenspiel mit José reicht es. Einen ganzen Film allein könnte dieser Guy allerdings nicht tragen.

Mit diesen beiden Stewardessen beginnt für José die ganze Geschichte…

Darstellerisch ist es vor allem Medi Sadoun, dem es gelingt, große Mimik (sein Gesicht ist wie geschaffen für das Schneiden von Grimassen) mit darstellerischer Finesse zu kombinieren. In ruhigen Momenten geht die Geschichte des irrtümlich abgeschobenen Mannes wirklich zu Herzen, während man ihn auf der anderen Seite wieder sofort in Handschellen wünscht, wenn er zum wiederholten Mal zu nicht gerade zimperlicher Gewalt greift, um sein Ausbruchsziel zu erreichen. Genau wie sein Kollege Ary Abbitan war auch Sadoun bereits Teil des Ensembles von „Monsieur Claude und seine Töchter“; dass sich die beiden Schauspieler schon gut aufeinander eingespielt haben, kommt in den äußerst temporeichen Dialogen wunderbar zur Geltung. Auch Cyril Lecomte, der mit Sadoun wiederum schon in „Mea Culpa – Im Auge des Verbrechens“ zusammen vor der Kamera stand, macht einen souveränen Job. Die charakterliche Tiefe geht seiner Figur zwar ab, dafür nimmt man ihm den Part des um Harmonie bemühten Aufpassers umso mehr ab – auch, wenn das ein wenig im Kontrast dazu steht, dass sich dieser Mann andererseits zu gern als selbstbewusster Playboy inszeniert. Reem Kherici („Colombiana“) ist in einer Nebenrolle als Josés heißblütige Freundin Maria zu sehen, deren Leidenschaft sich selbst über einen kleinen Smartphone-Bildschirm überträgt, wenn diese in einem hysterischen Eifersuchtsanfall mal wieder mit ihrem Göttergatten Schluss zu machen gedenkt.

Fazit: Die französische Komödie „Alles unter Kontrolle“ ist trotz seiner Thematik nicht das tragikomische Glanzstück hintersinniger Flüchtlingsfilme, sondern einfach nur eine lässig-erfrischende Comedy mit jeder Menge Gags und einem tollen Cast.

„Alles unter Kontrolle“ ist ab dem 20. April in den deutschen Kinos zu sehen.

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