Die Golden Globes 2013 – Prognose

Das Fazit zur diesjährigen Verleihung der Golden Globes ist dann doch weitestgehend ernüchternd. Bis auf meinen geliebten LACHSFISCHEN IM JEMEN waren die restlichen Nominierten alle relativ vorhersehbar. Der als Favorit gehandelte LINCOLN ist mit Sicherheit ein Meisterstück Spielbergs und wenn ein Schauspieler einen beliebten, ehemaligen US-Präsidenten nahe an der Perfektion spielt, dürfte ein Sieg vor allem Daniel Day-Lewis doch weitestgehend sicher sein. Die Ausschnitte, die ich bislang sah, mochten auf mich noch keine Anziehungskraft ausüben. Dennoch lässt sich die Perfektion dieses kolossartigen Streifens erahnen und so hat wohl nahezu jede der insgesamt sieben Nominierungen ihre Berechtigung.

Bereits erwähnte Wirtschaftssatire mit Komödientouch,  LACHSFISCHEN IM JEMEN, mit Emily Blunt und Ewan McGregor in den Hauptrollen wäre der Globe als Beste Komödie auf jeden Fall zu gönnen, wenngleich vor allem LES MISÉRABLES es dem Film von Lasse Hallström durchaus schwer machen wird. Ein Sieg wäre dementsprechend eine Überraschung – doch ich drücke die Daumen. In den Darstellerkategorien müssen sich die beiden Hauptakteure jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach hinter der Konkurrenz geschlagen geben. Es wird spannend sein, wie der augenscheinliche Kritikerliebling SILVER LININGS in den vielen Hauptkategorien abschneidet. Zumindest in den Darstellerkategorien erscheint mir ein Sieg der beiden doch relativ unwahrscheinlich, doch jetzt, wo man weiß, dass die Dramödie es zu insgesamt 8 Oscar-Nominierungen gebracht hat, wundert mich eigentlich gar nichts mehr. So wird auch Wes Andersons MOONRISE KINGDOM wohl eher weniger auf einen Award hoffen dürfen. Die Nominierung ist (ähnlich der Oscar-Nominierung für das Beste Drehbuch) schon ein kleiner Sieg. Alles weitere wäre eine Überraschung für die Puppenhaus-artige Komödie.

Neben LINCOLN wird in der Drama-Kategorie vor allem mit ARGO zu rechnen sein müssen, was mich ganz besonders freut. Qualitativ ist der Film von Regisseur und Schauspieler Ben Affleck ein kleines Meisterstück, doch gegen US-typische Award-Anwärter wie ZERO DARK THIRTY oder eben LINCOLN muss sich ARGO dann doch ein wenig mehr anstrengen, um die Jury zu beeindrucken. A propros: Kathryn Bigelows Actiondrama um die Ergreifung von Osama Bin Laden ist ein Globe-Anwärter, der selbst für Award-Kost schwer zu greifen ist. Ähnlich Bigelows Vorgänger „Tödliches Kommando – The Hurt Locker“, der 2010 den Academy Award als Bester Film gewann, dürfte sich der deutsche Filmkonsument schwer tun, an dem realistischen Katastrophen-Drama Gefallen bzw. überhaupt erstmal einen Zugang zu ihm zu finden. Doch ob der Streifen die verantwortlichen US-Gremien überzeugt, ist nicht allzu leicht abzusehen. Bigelow inszenierte ZERO DARK THIRTY gefühlskalt und nahezu dokumentarisch. Auch wenn viele Insider dem Streifen vorab große Chancen einräumten, muss ich gestehen, dass ich mir durchaus vorstellen könnte, dass ZERO DARK THIRTY zu der Enttäuschung der Award-Saison werden könnte.

Ein wenig überbewertet mutet unter den Nominierten die Dramödie SILVER LININGS an. Ohne Zweifel macht der Streifen mit Bradley Cooper, Robert de Niro und Jennifer Lawrence in den Hauptrollen Spaß und versprüht pure Lebensfreude, gepaart mit realistischer Melancholie – eine saubere Mischung. Allerdings ist er eben auch nicht mehr als das. Positiv zu bemerken sind jedoch die Nominierungen der Schauspieler in den Darstellerkategorien. Mit Cooper und Lawrence traute man sich, zwei aktuelle, junge Darsteller zu nominieren. Ein Trend?

In der Kategorie „Bester Animationsfilm“ gestaltet sich sowohl eine Prognose, als auch die Findung eines Favoriten schwierig. RALPH REICHT’S und DIE HÜTER DES LICHTS sind zwei wunderbar herzliche, niedliche Filme die vor intelligenten, lieblichen Ideen nur so strotzen. Auch HOTEL TRANSSILVANIEN ist klasse, nur bleibt er im Großen und Ganzen ein wenig hinter den beiden vorherigen Konkurrenten zurück. Da die Geschichte um das Kinderhelden-Zusammentreffen einen insgesamt edleren Eindruck macht und es so scheint, als hätten sich die Macher hier noch ein wenig mehr darauf besonnen, einen anspruchsvollen Film zu machen (nein, RALPH REICHT’S ist mit Sicherheit nicht anspruchslos aber geht ein wenig mehr in Richtung spaßige Unterhaltung, während hinter den HÜTERN DES LICHTS eine doch ernstere Message steckt), ist eben jener Film mein Favorit.

LIFE OF PI ist ein Kandidat, mit dem ich mich insgesamt nicht hundertprozentig anfreunden kann. Jedoch: Wer einmal mitbekommen hat, wie der Regisseur über seinen Film spricht, wer in den Genuss von Making Of-Material kommen konnte und Schritt für Schritt verfolgen durfte, wie das indische Märchen entstanden ist, der kann meine Prognose in Bezug auf die Kategorie „Beste Regie“ nachvollziehen, auch wenn es mit Sicherheit nicht der beste Film der Konkurrenz ist. Gefährlich könnte für Ang Lee vor allem Steven Spielberg werden. Warum? Wegen LINCOLN.

Neben LACHSFISCHEN IM JEMEN gehört der französische Indie-Film DER GESCHMACK VON ROST UND KNOCHEN zu meinen Geheimfavoriten. Das herbe Drama mit Marion Cottilard in der Hauptrolle tut beim Anschauen weh und ist so ungeheuer intensiv, dass jede noch so kleine Auszeichnung verdient ist. Die Auszeichnung als Beste Schauspielerin dürfte für Marion Cottilard drin sein, wenn sich nicht Allzweckwaffe Meryl Streep – die immer für einen Award gut ist – dazwischenmogelt oder Jennifer Lawrence dem Ganzen einen Strich durch die Rechnung macht.

In Sachen Musik wird es dieses Jahr – aller Voraussicht nach – keine allzu große Überraschung werden. Zumindest in Bezug darauf, welche Künstlerin 2012 den besten Filmsong abgeliefert hat. Mit dem gleichnamigen Titelsong zu SKYFALL dürfte Adele ihre goldene Trophäe nahezu sicher haben. Dazu war die große Ballade einfach zu großartig und passte wie die Faust auf’s Auge in einen neuen, modernen Bond, der nebenbei herrlich bodenständig und dem Bond-Ursprung entsprechend anmutete.

Desweiteren vermisse ich schmerzlich CLOUD ATLAS in der Konkurrenz. Eine Nominierung in den Hauptkategorien war ohnehin unwahrscheinlich, aber dass die Award-Saison so komplett an der deutschen Produktion vorbeigeht, mag sich mir nicht erschließen. Vermutlich war der dreistündige Filmkoloss sämtlichen Gremien einfach viel zu komplex. Immerhin hat es zu einer Nominierung bei der besten Musik gereicht und aus purem Trotz gehe ich einfach mal von einem Sieg aus.

Zu guter Letzt ein entscheidender, wichtiger Hinweis:

Sollte in der TV-Kategorie „Bester Hauptdarsteller in einer Mini-Serie oder Fernsehfilm“ irgendwer anders als Benedict Cumberbatch für die Serie SHERLOCK gewinnen, werde ich mit dem Gedanken spielen, tödlich beleidigt sämtliche journalistische Tätigkeiten an den Nagel zu hängen. Also liebe Jury: Du weißt Bescheid!