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Videoabend Serienspecial: Weinberg

Kino ist teuer, mit einem gewissen Zeitaufwand verbunden und wer generell nicht gern unter Leute geht, der muss die Stoßzeiten meiden, um einen Film in Ruhe und ohne Störungen genießen zu können. Wenngleich die Videotheken nach und nach vom Online-Streaming verdrängt werden, geht doch nichts über einen gemütlichen Filmeabend auf dem heimischen Sofa. Obwohl die Auswahl riesig ist und Kinofilme immer schneller nach ihrem Start auch auf DVD und Blu-ray Disc erhältlich sind, lohnt sich sich ab und zu, einen Blick auf den Direct-to-Video-Markt zu werfen. Manchmal finden sich hier nämlich echte Perlen, ebenso sehr wie solche, die sich erst im Nachhinein als Rohrkrepierer erweisen. In meiner Rubrik VIDEOABEND möchte ich Euch jede Woche einen Film vorstellen, der es hierzulande nicht oder nur sehr limitiert ins Kino geschafft hat.

Diese Woche widme ich mich der ersten Staffel der deutschen Mystery-Serie „Weinberg“, die seit dem 3. November 2016 auf DVD und Blu-ray Disc im Handel erhältlich ist.

Weinberg

Als Johannes Fuchs eines Morgens auf einem vernebelten Weinberg erwacht, traut er seinen Augen nicht: Über ihm hängt die Leiche einer blutjungen Blondine; wie sich später herausstellt, ist sie die Weinkönigin des kleinen Ortes Kaltenzell, wohin es den verwirrten Mann kurz darauf verschlägt. Doch als er gemeinsam mit einigen Anwohnern den Fundort der Toten aufsucht, ist diese verschwunden – und steht wenig später quicklebendig vor ihm. Eigentlich müsste nun alles in Ordnung sein, doch Johannes Fuchs begreift schnell, dass in Kaltenzell etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Nicht nur, dass hier jeder irgendein Geheimnis zu bergen scheint, des Nachts schleicht sich eine schöne Frau in sein Schlafgemach und will am Morgen darauf nichts davon gewusst haben. Der Pfarrer der Gemeinde soll andächtige Predigten halten, spricht aber kaum ein Wort Deutsch. Und als dann tatsächlich eine Tote auftaucht, hat Fuchs keine Wahl mehr: Er muss hinter das Geheimnis des Dorfes kommen.

Kritik

Nennen wir das Kind einfach beim Namen: Ja, die TNT-Serie „Weinberg“ ist tatsächlich die deutsche Antwort auf „Twin Peaks. Nun muss man deshalb aber nicht reflexartig aufschreien. Die Schöpfer des sechsteiligen Mini-Formats lassen David Lynchs Kultserie zwar überdeutlich als Reminiszenz durchklingen (und machen auch zu keinem Zeitpunkt einen Hehl daraus, dass dem nicht so wäre), dennoch steht „Weinberg“ ganz klar für sich allein. Nun gut, auch in dem kleinen Ort Kaltenzell – dem deutschen Pendant zu Twin Peaks – gibt es eine Tote und innerhalb der sechs Episoden umfassenden Staffel geht es hauptsächlich darum, herauszufinden, wer der Mörder ist. Wirklich? Eigentlich fungiert dieser tragische Todesfall lediglich als dramaturgische Triebfeder, die dem Ganzen eine Chronologie verleiht. Bei näherer Betrachtung geht es nämlich eigentlich um etwas ganz Anderes – und auch da kommt wieder „Twin Peaks“ ins Spiel…

Wie es sich schon bei David Lynchs Serie verhielt, lässt sich auch „Weinberg“ am besten genießen, wenn man so wenig wie möglich darüber weiß. Daher möchten wir zu Handlung, Dramaturgie und Überraschungseffekt an dieser Stelle auch kein Wort mehr verlieren. Nur so viel: „Weinberg“ ist nicht nur aufgrund der Darsteller ein echtes Erlebnis. Der wahre Protagonist ist das Setting. Das undurchsichtige Flair dieses vom Weinanbau lebenden Dorfes ist mit seinen vernebelten Anhöhen, den verwinkelten Gassen und seiner Ansammlung skurriler Gestalten der lebendig gewordene Albtraum eines jeden Ruhe suchenden Bergdorf-Urlaubers. Denn es wird bevölkert von eine Gruppe an Menschen, von der wir zu keinem Zeitpunkt wissen, was es damit überhaupt auf sich hat. Jeder trägt in seinen eigenen vier Wänden ein Geheimnis mit sich herum. Jeder scheint in irgendeiner Form ein Verhältnis zu Johannes Fuchs zu haben, der aufbricht, was viel zu lange verschlossen war. Es geht um die essentiellen Dinge im Leben. Es geht um Liebe, Tod, Verrat, Eifersucht, Vertrauen, Neid, Missgunst und dem Streben nach Glück, angereichert mit Ausflügen ins Übernatürliche. Jede Episode gibt dem Geschehen nicht bloß eine eigene Note, sondern treibt es darüber hinaus in eine ganz neue Richtung. Am Ende wähnt man sich in einem Film von Shyamalan – vielleicht hat man’s kommen sehen…

WEINBERG stammt von Arne Nolting, Jan Martin Scharf und Philipp Steffens, Regie führten Till Franzen und Jan Martin Scharf. Der Cast besteht unter anderem aus Friedrich Mücke, Antje Traue, Gudrun Landgrebe, Jonah Rausch, Arved Birnbaum, Anna Böttcher, Arnd Klawitter, Yung Ngo, David Schütter und Victoria Trauttmannsdorff. Bei dem Format handelt es sich um eine Mischung aus Thriller- und Mysteryserie, produziert in Deutschland aus dem Jahr 2015. Die Serie ist hierzulande ungekürzt auf DVD und Blu-ray Disc erhältlich und ab 16 Jahren freigegeben. Die Länge beträgt insgesamt 324 Minuten.

Fazit

Wäre „Weinberg“ von Anfang an auf einem Free-TV-Sender gelaufen und hätte das entsprechende Marketing erhalten, wäre die Serie Kult geworden. So verschafft sie sich hoffentlich übers Heimkino (oder über die Zweitauswertung bei VOX) den Status, den sie verdient.

Mein Tipp: muss man kaufen!