Jay Kelly
Hollywood meets Selbstreflexion: In JAY KELLY spielt George Clooney einen alternden Star, der zwischen Imagepflege und familiären Verpflichtungen jongliert. Noah Baumbach versucht, das Porträt eines charismatischen, aber flachen Schauspielers zu zeichnen – mit wenig Erfolg. Selbst ein starker Adam Sandler kann die Schwächen nicht aufwiegen.
Darum geht’s
Jay Kelly (George Clooney) ist ein gefeierter Hollywoodstar, dessen Karriere langsam ins Stocken zu geraten droht. Um sich selbst wiederzufinden, plant er eine Reise durch Europa. Auch, weil sich seine entfremdete Tochter Daisy (Grace Edwards) dort ebenfalls gerade befindet. Gemeinsam mit seinem langjährigen Manager Ron (Adam Sandler) setzt sich Jay in einen Zug nach Italien und versucht, gemeinsam mit ihm sein Leben wieder auf die Reihe zu bekommen. Während er sich mit seiner Vergangenheit, verpassten Chancen und familiären Entfremdungen auseinandersetzt, wird deutlich, wie sehr ihn sein Erfolg isoliert hat. Auch seine ambivalente Beziehung zu Ron wird zunehmend zum Problem. Denn auch Ron hat sein eigenes Leben immer wieder hinter Jays Karriere zurückgestellt. Zusammen reflektieren die beiden Männer über Ambitionen, Opfer und das Vermächtnis, das Jay hinterlassen wird – und über ihre zunehmend einseitige Freundschaft.
Kritik
Noah Baumbachs Werk als Regisseur durchlief bislang mehrere klar erkennbare Phasen, die jeweils von unterschiedlicher Kritikerresonanz geprägt sind. Seine frühen, stark autobiografisch gefärbten Filme (u.a. „The Squid and the Whale“) wurden als präzise und emotional wahrhaftige Familienporträts gefeiert und etablierten ihn als wichtige Stimme des Independent-Kinos. In der mittleren Phase („Mistress America“, „Gefühlt Mitte Zwanzig“) wandte er sich intellektuellen, oft komödiantischen Stoffen zu, die weiterhin positiv, wenn auch weniger überschwänglich aufgenommen wurden, dafür aber sein Profil als scharfzüngiger Beobachter moderner Befindlichkeiten festigten. Mit Werken wie „The Meyerowitz Stories“ und vor allem „Marriage Story“ erreichte er eine künstlerische Reife, die ihm nahezu einhelliges Kritikerlob einbrachte und ihn als führenden zeitgenössischen Dramatiker positionierte. Seine jüngste Phase, markiert durch „White Noise“, zeigt ihn hingegen als Filmemacher, der größere Risiken eingeht und neue stilistische Territorien erkundet – was wiederum zu einer deutlich stärker gespaltenen Presseresonanz führte, dafür aber seine Entwicklung vom sicheren Auteur zum experimentierfreudigen Regisseur unterstreicht. „Jay Kelly“ – eine weitere Auftragsarbeit für Netflix – passt nun so gar nicht in Baumbachs aktuelle Phase, sondern findet sich irgendwo zwischen allem, was der Ehemann von „Barbie“-Regisseurin Greta Gerwig bislang gemacht hat. Nur leider in viel, viel schwächer.
Jay Kelly – George Clooney: Man erahnt schon, dass die Hauptfigur in Baumbachs gleichnamiger Tragikomödie phonetisch nicht umsonst sehr starke Ähnlichkeiten zu seinem Hauptdarsteller aufweist. Und tatsächlich könnte Vieles in „Jay Kelly“ auch eine Auseinandersetzung Clooneys mit seiner eigenen Karriere sein. Der „Ocean’s Eleven“-Star sieht aus, wie man ihn eben kennt: Geschniegelt, geleckt, in teuren Zwirn gehüllt und stets mit einem charismatischen Lächeln auf den Lippen. Außerdem liebt der von einem Nespresso-Testimonial verkörperte Jay Kelly Kaffee, hat – genau wie Clooney – zwei Kinder und wenn im Rahmen einer Preisverleihung schließlich ein „Best Of“ des fiktiven Schauspielers über die Leinwand flimmert, bekommen wir darin Ausschnitte echter George-Clooney-Filme zu sehen. Da das von Noah Baumbach und Emily Mortimer („Paddington in Peru“) verfasste Skript seine Hauptfigur nicht ausnahmslos abfeiert, sondern Kelly als seine Familie vernachlässigenden Workaholic zeigt, während er vor allem sich und sein Image pflegt, anstatt die (freundschaftlichen) Beziehungen um sich rum, kommt man nicht umher, Clooney erst einmal Respekt zu zollen. Bei so vielen Überschneidungen muss man schließlich darauf schließen, dass „Jay Kelly“ auch als resümierendes, uneitles Alterswerk verstanden werden kann, dem sicher nicht jeder angesagte Hollywoodstar zugestimmt hätte. Doch für eine klassische Abrechnung ist der Film letztlich nicht nur zu zahm, er ist regelrecht irrelevant.
„‚Jay Kelly‘ ist der beste Beweis dafür, dass in Hollywood lieber Filme über langweilige Männer, anstatt über spannende Frauen gedreht werden. Anders lässt es sich nicht erklären, wie es Noah Baumbach gelingen konnte, Geld für ein Charakterporträt zusammenzubekommen, das trotz der vielversprechenden Figurengrundlage keinerlei Ecken und Kanten aufweist.“
„Jay Kelly“ ist der beste Beweis dafür, dass in Hollywood lieber Filme über langweilige Männer, anstatt über spannende Frauen gedreht werden. Anders lässt es sich nicht erklären, wie es Noah Baumbach gelingen konnte, Geld für ein Charakterporträt zusammenzubekommen, das trotz der vielversprechenden Figurengrundlage keinerlei Ecken und Kanten aufweist. Der hier dargestellte, alternde Schauspieler ist längst nicht so ätzend und egoistisch, wie er sein müsste, um als Abbild eines selbstverliebten Promis zu funktionieren. Seine Versuche, wieder engeren Kontakt mit seinen Töchtern aufzubauen, wirken aufrichtig, wenngleich unbeholfen. Gleichzeitig haben Kellys durchaus vorhandenen netten Gesten immer auch etwas Berechnendes an sich. Diese Gegensätzlichkeiten könnten sich in einem stärkeren Skript gegenseitig befruchten und damit einen komplexen Charakter formen. Doch der hier porträtierte Jay Kelly lässt sämtliche doppelten Böden oder anderweitig hintersinnige Züge vermissen. Er ist „einfach da“. In einer Szene wird er gefragt, was er eigentlich noch ist, wenn die Kamera mal nicht auf ihn gerichtet ist. Eine direkte Antwort darauf gibt es nicht – und auch der Film kann sie nicht liefern. Hinzu kommt, dass wir Kelly auch nicht wirklich als aktiven Schauspieler erleben. Zwar eröffnet der Film mit einer Einstellung an einem Filmset, wo gerade die aller letzte Szene – eine Sterbesequenz – gedreht wird. Aber aus dieser allein lässt sich kaum ablesen, ob Jay Kelly nun ein wirklich guter, oder ein sich doch eher selbst überschätzender Schauspieler ist respektive sein soll.
Passend zu der laschen Figurenzeichnung spielt George Clooney („The Midnight Sky“) seinen Jay Kelly weitestgehend auf Autopilot, was zusätzlich zur dramaturgischen Gleichförmigkeit des Films beiträgt. Lediglich während eines Telefongesprächs mit seiner älteren Tochter scheint Clooney etwas mehr gefordert zu sein. Doch schon kurze Zeit später konterkariert Noah Baumbauch dieses aufrichtige Interesse für seine Figur, indem er Kelly wie das wandelnde Indie-Filmklischee durch den Wald rennen lässt. Überhaupt ist „Jay Kelly“ ein inszenatorisch eher dröger Film ohne spannende Regie-Einfälle geworden. Zwischen all dieser Gleichgültigkeit sorgt immerhin Adam Sandler („Der schwarze Diamant“) für einen kleinen Lichtblick. Seine Figur des aufopferungsvollen Managers Ron, der im Laufe der Geschichte lernt, verstärkt auf seine eigenen Interessen und nicht mehr nur auf jene seiner Klienten zu achten, ist die mit Abstand spannendste im ganzen Film. Gerade im Zusammenspiel mit Laura Dern („Das Schicksal ist ein mieser Verräter“) läuft Sandler wieder einmal zur schauspielerischen Hochform auf. Doch anstatt diesen Vorzug auszunutzen und den sich ohnehin in zahlreichen Nebenschauplätzen verlierenden Film stärker noch auf Sandlers Figur zuzuschreiben, lässt ihm das Skript nicht allzu viel Screentime zukommen. Und die finale Entscheidung gegen Rons Befindlichkeiten und stattdessen für jene des wesentlich uninteressanteren Jay Kelly, lässt einen gen Ende des Films nur noch die Augen rollen.
„Überhaupt ist ‚Jay Kelly‘ ein inszenatorisch eher dröger Film ohne spannende Regie-Einfälle geworden. Zwischen all dieser Gleichgültigkeit sorgt immerhin Adam Sandler für einen kleinen Lichtblick.“
Fazit: „Jay Kelly“ zeigt einen Noah Baumbach, der zwischen alten Stärken und neuen Ambitionen ins Straucheln gerät und eine überraschend blasse Hauptfigur präsentiert. Trotz des mutigen Meta-Ansatzes und Clooneys Bereitschaft zur Selbstreflexion bleibt der Film dramaturgisch wie emotional bemerkenswert flach. Einzelne Lichtblicke – allen voran Adam Sandler – können die narrative Orientierungslosigkeit nicht ausgleichen. So hinterlässt Baumbachs jüngste Arbeit letztlich den Eindruck eines uninspirierten Zwischenschritts, der sein eigenes Potenzial nicht ausschöpft.
„Jay Kelly“ ist ab dem 20. November 2025 in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen und ab dem 5. Dezember 2025 bei Netflix abrufbar.


