The Amateur

Kühles Thrillerkino, das seinen Protagonisten einmal rund um den Erdball führt: Der hochelegant inszenierte Thriller THE AMATEUR fühlt sich in vielerlei Hinsicht erfrischend an, gerade weil er nicht mit Action und Krawall punktet, sondern mit starken Dialogen und einem großen Fokus auf seine komplexe Hauptfigur.

OT: The Amateur (USA 2025)

Darum geht’s

Charly (Rami Malek) und seine Ehefrau Sarah (Rachel Brosnahan) führen eine glückliche Ehe. Doch diese Idylle wird je zerstört, als Sarah auf einer Geschäftsreise in einen Terroranschlag gerät und gewaltsam getötet wird. Für Charly, der selbst bei der CIA arbeitet, sollte es eigentlich kein Problem sein, diesen Fall rasch aufzuklären. Doch seine Kollegen zeigen sich wenig interessiert daran, sodass er nur einen Ausweg sieht: Mit verhängnisvollen Unterlagen presst er aus seinem Chef (Holt McCallany) eine Killer-Ausbildung heraus, um selbst den Rachefeldzug anzutreten. Doch schon bei der ersten verschlossenen Tür zeigt sich, dass Charly auf der Straße ein blutiger Anfänger ist, dem mit seiner Affinität zu Einsen und Nullen hier nicht geholfen ist…

Kritik

Auf den ersten Blick möchte man denken, der Stoff zu „The Amateur“ basiere auf einem Roman. Schließlich verfasste der Autor Robert Littell, ein Experte im Genre der Spionage-Belletristik, das Buch „The Amateur: A Novel of Revenge“ im Jahr 1981, in dem auch der dazugehörige Film erschien. Aber auf den zweiten Blick ist die Geschichte ein bisschen anders. Littell schrieb nämlich zuerst das Drehbuch, bevor er den Roman dazu beisteuerte – und auf diesem wiederum basiert nun das 44 Jahre später erscheinende Remake mit Rami Malek, in dem der „Bohemian Rhapsody“-Star einen normalerweise am Computer sitzenden und dort gegen das Böse taktierenden CIA-Agenten spielt, der nach dem Tod seiner geliebten Ehefrau die Rache selbst in die Hand nimmt. Was für ein Budget James Hawes‘ („Snowpiercer“) kühner Thriller verschlungen hat, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch unbekannt. Fakt ist aber: Derartige Mid-Budget-Genrefilme sind rar geworden. Und allein schon aufgrund dieser Seltenheit sollte man sich „The Amateur“ unbedingt anschauen, sofern man seine Suspense-Krimis eher redselig denn actionreich mag.

Charly (Rami Malek) und seine Frau Sarah (Rachel Brosnahan) sind glücklich – bis sie eines Tages brutal ums Leben kommt.

Hauptdarsteller Rami Malek schlüpfte vor Jahren bereits in eine sehr ähnliche Rolle. In der Serie „Mr. Robot“ spielt er einen zwar brillanten, psychisch jedoch instabilen Hacker, der in ein komplexes Spiel globalen Chaos‘ verwickelt wird. Ja, das passt, möchte man bei der Besetzung des „The Amateur“-Protagonisten Charly Heller denken. Der ausschlaggebende Grund für das Casting liegt allerdings ganz woanders begründet. Seine Performance des James-Bond-Bösewichts in „Keine Zeit zu sterben“ bewegte die Kreativen hinter „The Amateur“, unbedingt Malek in der Hauptrolle besetzen zu wollen. Und das macht so tatsächlich Sinn. Sein Charlie vereint Elemente des Helden und des Antihelden. Denn nur, weil seine Figur sich beim Betätigen einer Waffe sehr unwohl fühlt und seine emotionalen Hürden, eine Person tatsächlich umzubringen, äußerst hoch sind, zieht er seinen Plan bis zuletzt (und auf seine ganz eigene Art und Weise) durch. Allerdings nicht, ohne dabei zu jedem Zeitpunkt in character zu bleiben – die mit Abstand größte Stärke des auch sonst sehr gelungenen Films. Charly ist in sich gekehrt, fühlt sich vor seinen Computern am wohlsten. Der gewaltsame Tod seiner Frau holt ihn zwar vom Schreibtisch weg, doch anstatt anschließend genre-typisch eine Hau-Ruck-Ausbildung zum Actionhelden zu durchlaufen, bringt Laurence Fishburne („John Wick“) als Henderson ihm in seiner kurzen „Ausbildung“ eher rudimentäre Kenntnisse bei. Den Rest muss sich Charly irgendwie selbst aneignen. Und zwar ohne sich dabei auf brutalem Handeln auszuruhen.

„Charly ist in sich gekehrt, fühlt sich vor seinen Computern am wohlsten. Der gewaltsame Tod seiner Frau holt ihn zwar vom Schreibtisch weg, doch anstatt anschließend genre-typisch eine Hau-Ruck-Ausbildung zum Actionhelden zu durchlaufen, bringt man ihm eher rudimentäre Kenntnisse bei.“

Eine Szene in „The Amateur“ bringt hervorragend auf den Punkt, wie stark der Film von seiner Hauptfigur beeinflusst wird. Und andererseits, wie sehr ebendiese wiederum von ihrem Umfeld geprägt wird. Wir sehen Charly mithilfe eines YouTube-Tutorials in die Wohnung einer Verdächtigen einbrechen. Ein sehr kurzer Moment des Humors ist das auf der einen Seite. Auf der anderen zeigt diese Szene, wie der Protagonist „funktioniert“. Sein Gesuch nach Hilfe ist unkompliziert, sein Handeln praktisch veranlagt. Gleichzeitig ist seine Auffassungsgabe riesig – noch bevor das Video überhaupt vorbei ist, ist die Tür der Auserwählten offen. Doch all das zeigt nicht nur auf, wie gewitzt und clever Charly ist, sondern auch, wie allein. Denn Türen knacken gehörte offenbar nicht zu Hendersons Spionage-Crashkurs. Und vermutlich ist das nicht der einzige Skill, der Charly im weiteren Verlauf seiner Rachetour noch fehlen wird. Dass Charlys Plan aufgehen wird, davon geht man schnell aus. Stichwort: Kompetenz. Doch daraus, vor welche Hürden er auf seiner Reise noch gestellt wird und vor allem, wie er sie überwinden kann, zieht der Film seine eigentliche Spannung. Dazu passt auch, dass „The Amateur“ so gut wie keine klassische Action besitzt. Die Hauptfigur bleibt auch weiterhin ein kühler Analyst und Taktiker, dessen kurze Ausflüge ins typische „Heroen-Kino“ sich fast ein wenig fehlplatziert anfühlen. Umso unterhaltsamer sind dafür die Reaktionen, etwa wenn Charlie zum ersten Mal in seinem Leben mit einer Bombe hantiert. Ins Komödiantische driftet „The Amateur“ allerdings nie ab. Die Tonalität ist – in etwa vergleichbar mit klassischer Kalter-Krieg-Spionage – durchgehend ernst und kalt.

Henderson (Laurence Fishburne) nimmt sich der kurzen Ausbildung Charlys an, der überhaupt keine Skills besitzt, um Leute auszuschalten.

Generell fühlt man sich bei „The Amateur“ – auch in Sachen Eleganz – stark an die Bücher sowie die dazugehörigen Verfilmungen eines John le Carré („A Most Wanted Man“, „Verräter wie wir“) erinnert. Auch Assoziationen zum Ben-Affleck-Vehikel „The Accountant“ (dessen zweiter Teil bereits in wenigen Wochen in die Kinos kommt) liegen nah. Das Skript von Ken Nolan („No Way Out – Gegen die Flammen“) und Gary Spinelli („Barry Seal – Only in America“) ist sehr dialoglastig und konzentriert sich auf die Interaktion zwischen Charlie und seinen zahlreichen Wegbegleiter:innen. Eine kurze Auto-Verfolgungsjagd in der Türkei, das eingangs erwähnte Bombenszenario oder eine Szene, in der sich die Hauptfigur als Arzt ausgibt, um eine Verdächtige aus der Reserve zu locken (= auf fiese Art zu erpressen), treiben das Tempo nur sehr vereinzelt in die Höhe. Darauf muss man gefasst sein, typisches High Tempo Thrillerkino bekommt man hier nicht serviert. Gleichzeitig zieht der starke Fokus auf die Hauptfigur die Aufmerksamkeit davon weg, dass der eigentliche Verschwörungsplot in den Reihen der CIA gar nicht so spektakulär geraten ist. Schon die Besetzung lässt einen erahnen, welche Motivationen verschiedene Nebenfiguren wohl haben werden. Den großen Überraschungseffekt lässt „The Amateur“ infolgedessen vermissen.

„Typisches High Tempo Thrillerkino bekommt man hier nicht serviert. Gleichzeitig zieht der starke Fokus auf die Hauptfigur die Aufmerksamkeit davon weg, dass der eigentliche Verschwörungsplot in den Reihen der CIA gar nicht so spektakulär geraten ist.“

Trotzdem ist der Film durchgehend mitreißend. Und das liegt zum Großteil an Rami Maleks Performance, dessen faszinierende, undurchsichtige Aura einfach fesselt. Zu Beginn des Films genügen zudem wenige Szenen mit seiner Co-Darstellerin Rachel Brosnahan („The Marvelous Mrs. Maisel“), um die tiefe Verbindung des Ehepaares mitzufühlen. Das macht Charlys Alleingang später umso greifbarer. Denn wenn sich so jemand aus seiner Komfortzone hinausbegibt, dann in jenem Moment, in dem sein Leben in den Grundfesten erschüttert wird. In einem besonders bewegenden Moment gibt Charly zu verstehen, nicht wieder nach Hause zu können – denn dort ist niemand mehr. Was in anderen Film mit weniger charakterfokussiertem Inhalt eine bloße Floskel wäre, geht hier richtig tief rein. Insofern ist „The Amateur“ nicht nur ein Film über eine Rachemission, die das Drehteam während der Dreharbeiten einmal rund um den Erdball führte. Es ist vor allem eine Geschichte darüber, was für tiefe Narben ein Verlust bei einem Menschen hinterlässt. Die aller letzte Szene, in der ein Flugzeug eine Rolle spielt, gehört dadurch auch zu den schönsten, da äußerst befreienden Abschlüssen des diesjährigen Kinojahres.

In der Türkei trifft Charly auf Inquiline (Caitriona Balfe), die ihm helfen kann, seine Zielpersonen zu finden.

Fazit: „The Amateur“ ist ein über weite Strecken sehr nüchterner Rachethriller, der vor allem an die Stoffe von John le Carré erinnert. Anstatt spektakuläre Verfolgungsjagden bekommt man hier sich durch und durch auf die komplexe Hauptfigur konzentrierendes Suspense-Kino geboten. Das ist spannend, mitreißend, doch die Redseligkeit und die unaufgeregte Inszenierung muss man mögen, um nicht enttäuscht zu werden.

„The Amateur“ ist ab dem 10. April 2025 in den deutschen Kinos zu sehen.

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