Run – Du kannst ihr nicht entkommen

Mutter gegen Tochter – in RUN – DU KANNST IHR NICHT ENTKOMMEN von Thriller-Regisseur Aneesh Chaganty entspinnt sich aus der liebenden Beziehung zwischen zwei Frauen ein wenig aufregendes Katz-und-Maus-Spiel. Mehr dazu verraten wir euch in unserer Kritik.
Der Plot
Diane (Sarah Paulson) hat ihre 17-jährige Tochter Chloe (Kiera Allen) bislang in völliger Isolation auf dem Land großgezogen und jeden Schritt, den sie seit ihrer Geburt gemacht hat, kontrolliert. Doch als Chloe beginnt, allmählich flügge zu werden und sich um ein College-Platz bewirbt, bekommt die unnatürlich enge Verbundenheit zwischen Diane und ihr immer beängstigendere Züge. Als Chloe zudem herausfindet, dass ihre Mutter viele Geheimnisse vor ihr hat, droht die Lage zu eskalieren…
Kritik
Aneesh Chaganty gelang 2018 mit „Searching“ eines der Genrehighlights des Kinojahres. Darin erzählte er die dramatisch-spannende Story eine Vermisstenfalls ausschließlich über Computerbildschirme; Chatfenster, Videoabspieldienste und Social-Network-Plattformen. Dieses Konzept war dato zwar nicht völlig neu, aber Chaganty war der Erste, dessen Werk auch abseits dieses inszenatorischen Gimmicks als absolut schnörkelloser Thriller funktionierte. Entsprechend hoch dürften die Erwartungen an Chagantys nächsten Film gewesen sein – schließlich stellte „Searching“, ob man’s glaubt oder nicht, sein Debüt als Langfilmregisseur dar. Wer glaubte, Chaganty würde nach seinem weltweit geachteten Auftakt nun ein weiteres Mal auf einen „Desktopthriller“ setzen, der irrt allerdings. Dem Genre bleibt der gebürtig aus Washington stammende Filmer mit indischen Wurzeln dennoch treu: Auch „Run – Du kannst ihr nicht entkommen“, der hierzulande direkt auf DVD, Blu-ray und als VOD-Titel erscheint, ist ein geradliniger Suspensefilm mit einigen adrenalintreibenden Spannungsspitzen und einer per se smarten Idee: Was wäre, wenn nicht – wie sonst üblich – deine Schwiegermutter, sondern deine echte Mutter zu deinem Endgegner wird? Doch leider lässt sich der Film von vornherein viel zu leicht in die Karten blicken, sodass sämtliche in „Run“ stattfindenden Entwicklungen alles andere als mitreißend geraten.

Man ahnt von Anfang an, dass Chloes (Kiera Allen) Mutter Diane (Sarah Paulson) nichts Gutes im Schilde führt…
Die Prämisse von „Run“ erinnert an die 2019er-Starz-Serie „The Act“, in der Patricia Arquette, basierend auf einem wahren Kriminalfall, eine Mutter mit Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom verkörpert. Menschen mit dieser psychischen Störung fügen ihrem Kind gezielt körperlichen Schaden zu, um sich anschließend aufopferungsvoll darum zu kümmern. Auch in „Run“ geht es um eine derart gestörte Mutter-Tochter-Beziehung, die auch von vornherein als solche ersichtlich ist. Doch das Drehbuchautorenteam aus Aneesh Chaganty und Sev Ohanian (schrieb bereits an „Searching“ mit und wird auch das Skript für die bereits bestätigte Fortsetzung „Searching 2“ verfassen) verkauft seinen Zuschauer:innen diesen Umstand viel zu lange als ledigliche Option. Während die „The Act“-Schöpfer:innen Nick Antosca und Michelle Dean ihre Story aus zwei verschiedenen Perspektiven – jener der Tochter und jener der Mutter, also wechselweise aus Opfer- und Täterinnensicht – erzählen, nehmen sich die Macher von „Run“ ausschließlich der Sichtweise des jungen Mädchens an, die sukzessive hinter die düsteren Taten ihrer sie überbehütenden Mutter steigt. Newcomerin Kiera Allen, für die „Run“ das Langfilmdebüt darstellt, mimt ihr kontinuierlich ansteigendes Unbehagen sowie die wachsende Angst vor ihrer Mutter zwar absolut glaubhaft, doch im Gesamten funktioniert der Film eher als Charakterdrama und weniger als Thriller geschweige denn als Horrorfilm, wie ihn unter anderem die Internet Movie Database (IMDb) bezeichnet.
„Newcomerin Kiera Allen mimt ihr kontinuierlich ansteigendes Unbehagen sowie die wachsende Angst vor ihrer Mutter zwar absolut glaubhaft, doch im Gesamten funktioniert „Run“ eher als Charakterdrama und weniger als Thriller geschweige denn als Horrorfilm.“
Die Frage, ob Diane vielleicht einfach nur eine selbst für Helikoptereltern zu arg drastischen Behütungsmitteln ihrer Tochter greifende Mutter ist, oder ob hinter ihrem Wahn, Chloe von der Außenwelt zu isolieren und sie völlig für sich allein zu beanspruchen, tatsächlich eine klassische Schurkenmotivation steckt, stellt sich nie. Dafür sind die Taten der Mutter, die von übergriffigen Medikamentenkontrollen über das Unterbinden jedweden Kontakts bis hin zum Einsperren, Erpressen und Schlimmerem reichen, einfach zu keinem Zeitpunkt auf unterschiedliche Weisen zu lesen. Das Verhalten der Mutter ist zutiefst bösartig und durch nichts zu entschuldigen. Sarah Paulsons – im wahrsten Sinne des Wortes – Wahnsinnsperformance tut ihr Übriges. Die „American Horror Story“-Darstellerin stellt die psychische Störung ihrer macht- und kontrollbesessenen Diane offen zur Schau und greift dabei hin und wieder zu Overacting, das aus ihrer Figur einen fast schon karikaturesken Comicschurken macht. Dadurch nimmt „Run“ an einigen Stellen unfreiwillig komische Züge an, die den Film bisweilen eher im Hochglanz-Trash-Segment, aber kaum in einem solch bitteren Suspensekino verorten wie es etwa noch bei „Searching“ der Fall war.
Seine größte Spannung entwickelt „Run“ vor allem durch das beengte Setting und die Tatsache, dass die Tochter (wie übrigens die Schauspielerin selbst) durch ihren Rollstuhl zusätzlich in ihrer Mobilität eingeschränkt ist. Kamerafrau Hillary Spera („Der Hexenclub“) gelingt es gekonnt, die scheinbare Enge des eigentlich gar nicht so kleinen Hauses aus Chloes Perspektive entsprechend beklemmend einzufangen. Für sie endet die Freiheit an der Treppe respektive an der von ihrer Mutter stets verschlossenen Haustür. Vor allem wenn Chloe durch das Fenster den Sichtkontakt zu ihrer im Garten befindlichen Mutter sucht, um diese Zeit dafür zu nutzen, ohne Aufpasserin einfach das zu tun, was sie möchte, gelingt es Spera, Chloes Welt auch für das außenstehende Publikum erlebbar zu machen. Leider wirkt ausgerechnet der Kniff, das junge Mädchen an den Rollstuhl zu fesseln im Anbetracht der damit einhergehenden, vorhersehbaren Entwicklung in erster Linie faul. Es wäre so viel spannender gewesen, zu sehen, wie es Diane gelingt, ihre Tochter auch ganz ohne Rollstuhl an der Flucht aus dem Mutterhaus zu hindern. So jedoch zieht sich die Schlinge des Opferdaseins nur noch enger um Chloes Hals, was „Run“ zusätzlich seiner ohnehin sehr niedrigen, emotionalen Fallhöhe beraubt. Das gilt auch für das Finale, das mit einem (ebenfalls weit im Voraus zu erahnenden) Twist um ein Überraschungsmoment seines Publikums bemüht ist. Doch zu diesem Zeitpunkt dürfte es die Zuschauer:innen kaum mehr interessieren, ob die ohnehin wahnsinnige Diane vielleicht noch wahnsinniger ist…
„Seine größte Spannung entwickelt „Run“ vor allem durch das beengte Setting und die Tatsache, dass die im Rollstuhl sitzende Tochter zusätzlich in ihrer Mobilität eingeschränkt ist.“
Fazit: Um aus der spannenden Prämisse eines Psychokriegs zwischen Mutter und Tochter einen entsprechend aufregenden Film zu kreieren, hätte sich „Searching“-Regisseur Aneesh Chaganty nicht so rasch in die erzählerischen Karten blicken lassen dürfen. Sein vorwiegend auf zwei Personen beschränktes Thriller-Kammerspiel „Run“ ist dadurch von Anfang bis Ende durchschaubar.
„Run“ ist bereits als VOD sowie ab dem 15. Januar als DVD und Blu-ray erhältlich.
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