Searching

Der Thriller SEARCHING spielt sich ausschließlich auf den Bildschirmen von PC, Laptop, Smartphone und Fernseher ab. So eine Idee ging bereits mehrmals schief. Diesmal ist das anders. Warum, das verraten wir in unserer Kritik zum Film.

Der Plot

Nachdem die 16-jährige Tochter von David Kim (John Cho) spurlos verschwindet, wird eine örtliche Untersuchung eingeleitet und Kriminalkommissarin Rosemary Vick (Debra Messing) dem Fall zugeteilt. Als es 37 Stunden später immer noch kein Lebenszeichen von Margot (Michelle La) gibt, beschließt David, am einzigen Ort zu suchen, an dem bisher noch keiner nachgesehen hat – dort, wo heutzutage alle Geheimnisse aufbewahrt werden: Er durchsucht den Laptop seiner Tochter…

Kritik

Erst kürzlich sorgte Jon M. Chus lose „Pretty Woman“-Variation „Crazy Rich“ für mächtig Furore auf dem internationalen Kinomarkt. Nach zwei Jahrzehnten erteilten wichtige Geldgeber Hollywoods endlich mal wieder einem Projekt grünes Licht, das fast ausschließlich mit einer asiatischen Besetzung daherkommt. Das Ergebnis: „Crazy Rich“ wurde zu einem Überraschungserfolg, dessen Fortsetzung längst beschlossene Sache ist. Der an dem Projekt ebenfalls interessierte Netflix-Konzern dürfte sich nach diesem Hype ordentlich in den Hintern gebissen haben, dass er am Ende nicht den Zuschlag erhielt. Doch so charmant der Film letztlich auch geworden ist und so sehr das Ergebnis auch als Statement taugt, ein wenig schade ist es doch, dass „Crazy Rich“ all diese gerechtfertigten Lobeshymnen erhalten hat, bevor dieser Tage der Thriller „Searching“ in die Kinos kommt. Auch hier steht nämlich vornehmlich ein asiatischer Hauptdarsteller im Fokus des Geschehens. Und mit ihm ein inszenatorisches Konzept, an dem sich in den vergangenen Jahren mehrfach Filmemacher die Zähne ausgebissen haben. Nach dem unerträglichen „Open Windows“ mit Elijah Wood in der Hauptrolle, und dem hinter den Möglichkeiten zurück bleibenden Skype-Thriller „Unknown User“ (dessen Fortsetzung übrigens Ende dieses Jahr auch in Deutschland erscheint), ist „Searching“ der erste Film, der ausschließlich auf diversen Computerbildschirmen und Monitoren spielt, bei dem dieses Prinzip von vorn bis hinten funktioniert.

Was ist mit Davids (John Cho) Tochter passiert?

Weshalb sollte man sich in einen Kinosaal setzen, bloß um eineinhalb Stunden auf den eintönigen Bildschirm eines Computers zu starren? Diese Frage zu beantworten, versuchte vor vier Jahren Levan Gabriadze, doch „Unknown User“ wirkte abseits der allzu lückenhaften Story vor allem optisch einfach unausgereift. Regisseur und Drehbuchautor Aneesh Chaganty (inszenierte bislang hauptsächlich Werbeclips und Kurzfilme) geht sein Thrillerprojekt „Searching“ nun ganz anders an. Auch als Betrachter seines Films erhält man den Eindruck, einfach nur zwischen verschiedenen Medien hin und her zu switchen. Mal sitzt man vor dem Computer, mal am Smartphone, telefoniert via Facetime, schaut YouTube-Videos oder mit fortlaufender Spieldauer auch Nachrichten außerhalb des World Wide Webs. Diese Idee zieht Chaganty konsequent durch und trotzdem entsteht hier nie ein Eindruck der Eintönigkeit. Das hat folgenden Grund: Das Team aus Juan Sebastian Baron, Nicholas D. Johnson und Will Merrick, zum Teil ausgewiesene Experten auf dem Gebiet der digitalen Fotografie, rücken nicht einfach nur irgendwelche Bildschirme in den Mittelpunkt. Wie die Augen eines Computernutzers wandert auch die Kamera über die verschiedenen Suchfelder und Masken. Auch der Wechsel zwischen den einzelnen Websites und Portalen vollzieht sich mit einer nachvollziehbaren Natürlichkeit. So, wie die Hauptfigur David hier das Internet benutzt, nutzen es auch wir.

Trotzdem setzt Aneesh Chaganty direkt mit der Eröffnungsszene ein Statement dafür, dass sich mit seinem „ausschließlich über Screens“-Bildkonzept eben nicht bloß eine Thriller-Story aus der Sicht eines Computernutzers erzählen lässt, sondern weitaus mehr. Wenige Minuten und einige Klicks über solche PC-Funktionen wie den Kalender oder das Fotoalbum bringen uns die traurige Hintergrundgeschichte der Vater-Tochter-Konstellation näher als manch „normaler“ Spielfilm mithilfe handelsüblicher Dialoge. Doch nicht nur das: Der Auftakt von „Searching“ ist ganz nebenbei auch ein Streifzug durch technische Entwicklungsschritte sowie ein kleiner Exkurs darin, wie sehr die Nutzung (sozialer) Medien uns in unserem Leben beeinflusst, hilft, aber teilweise auch ziemlich unter Druck setzt. Ohne Holzhammer-Moralitäten oder falsche Sentimentalität werfen uns die Verantwortlichen mithilfe ihres vollkommen natürlich aufspielenden und unverbrauchten Hauptdarstellers John Cho (demnächst auch in Judy Greers Regiedebüt „Career Day mit Hindernissen“ zu sehen) in ein Szenario ganz nah an unserem echten Leben. So entspinnt sich der High-Concept-Plot rund um eine verschwundene Schülerin auf absolut nachvollziehbare Weise bis hin in mitunter durchaus konstruierte Kreise, deren nicht immer ganz glaubhafte Verwicklungen jedoch klar von der sauberen Inszenierung überdeckt werden. Und so stellt man eben am Ende nicht einmal die Frage nach der Glaubwürdigkeit, die in den 102 Minuten von „Searching“ zu jedem Zeitpunkt gegeben scheint.

Die Zeit drängt und Tochter Margot ist noch immer nicht gefunden…

Die Handlung an sich folgt den typischen Mustern von Filmen über verschwundene Menschen. Indizien werden gesammelt, Spuren verfolgt und falsche Fährten gelegt. Das mag man alles schon tausendmal und in zig verschiedenen Genres gesehen haben, doch in „Searching“ steht ganz klar das visuelle Konzept über allem, ohne sich penetrant in den Vordergrund zu drängen. Die Suche nach dem Mädchen, dessen Auflösung durchaus überraschend ist, wird einfach auf einer ganz anderen Ebene vollzogen, als in Filmen normalerweise üblich. Dass da auch noch Platz für Themen wie die Sensationsgier der Medien oder das Für und Wider der digitalen Vernetzung bleibt, versteht sich von selbst. Doch all diesen Randnotizen zum Trotz gelingt Aneesh Chaganty eben auch noch ein sehr klassischer Krimi, der sich vom klassischen WhoDunit insofern abhebt, als dass man lange Zeit einfach überhaupt nicht weiß, was überhaupt passiert ist. „Searching“ hält sich über einen Großteil der Laufzeit alle Türen offen. Nicht einmal die allgemeine Tonalität des Films lässt darauf schließen, ob wir es hier nun mit einem Genrebeitrag zu tun haben, der für ein klassisches Happy End prädestiniert ist, oder dessen Ende eine erschütternde Wahrheit offenbart. Ohne diese Frage beantworten zu wollen, bleibt am Ende vor allem eine Erkenntnis: „Searching“ macht wieder Laune auf klassische Thriller, von denen zumindest in diesem Jahr keiner so innovativ sein dürfte, wie dieser hier.

Fazit: Auch wenn das visuelle Konzept einer sich ausschließlich auf Computer- und Fernsehscreens abspielenden Suche nach einem vermissten Mädchen in „Searching“ klar im Vordergrund steht, ist der Film obendrein auch noch ein richtig spannender und abwechslungsreicher Thriller mit angenehm unverbrauchten Gesichtern.

„Searching“ ist ab dem 20. September bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.

Und was sagst Du dazu?