Mia und der weiße Löwe

Was passiert, wenn ein Mädchen und ein Löwe sich anfreunden? Und das nicht auf märchenhafte Disney-Art, sondern wie im richtigen Leben? Das verraten wir in unserer Kritik zum sich vom locker-leichten Familien-Film zum ernsthaften Drama mit Message wandelnden MIA UND DER WEISSE LÖWE.
Der Plot
Nur widerwillig lässt die zehnjährige Mia (Daniah de Villiers) ihre geliebte Heimat London hinter sich. Denn ihre Eltern (Langley Kirkwood und Mélanie Laurent) eröffnen in der südafrikanischen Steppe eine Löwenzucht mit angeschlossener Bed-&-Breakfast-Pension. Dort angekommen vermisst das eben noch so fröhliche Mädchen seine Freunde und ist todunglücklich. Das ändert sich erst, als ihr Dad ihr ein auf der Farm der Familie geborenes, schneeweißes Löwenbaby anvertraut. Im Laufe der nächsten drei Jahre entsteht zwischen dem Mädchen und dem langsam, aber sicher zu einem mächtigen Raubtier heranwachsenden Charlie ein starkes Band der Liebe und des Vertrauens. Nach einem beinahe fatalen Zwischenfall mit einem unvorsichtigen Touristen will Mias Vater den Löwen mit dem ungewöhnlichen Fell allerdings verkaufen. Und das ausgerechnet an einen windigen Nachbarn, der seltene Tiere Großwildjägern zum Abschuss anbietet. Mia will ihren vierbeinigen Gefährten vor diesem schrecklichen Schicksal retten. Sie beschließt, das über 150 Kilo schwere Tier in Sicherheit zu bringen, indem sie es auf eigene Faust in einen Naturschutzpark am anderen Ende des Landes schafft…
Kritik
Bisher ist Gilles de Maistre fast ausschließlich als Dokumentarfilmer in Erscheinung getreten. Da wundert es wenig, dass der französische Filmemacher auch seinen ersten auf einer fiktiven Geschichte basierenden Spielfilm seit über 15 Jahren so authentisch wie möglich gestalten wollte. Für „Mia und der weiße Löwe“ ging der Regisseur einen unkonventionellen Erzählweg, beginnend als turbulenter, eher leichter Familienfilm vor atemberaubender Kulisse mit wunderbaren Bildern der südafrikanischen Landschaft und der sich in ihr bewegenden Fauna. Wenn Mia dann zum Teenager wird, bekommt die Handlung eine dunklere, deutlich ernstere Dynamik, die sich sogar Thriller-Gefilden annähert. Denn was das aufgeweckte Mädchen über ihren Vater herausfindet, ist gerade für Familienfilmverhältnisse ganz schön beklemmend. Weil Farm und Pension nicht genügend Geld abwerfen, hat er nämlich bereits mehrfach Löwen an den schmierigen Kerl der Nachbars-Farm verkauft. Damit sorgt der hier auch als Co-Autor tätige De Maistre nicht nur für eine wichtige, glaubhaft umgesetzte Wendung innerhalb der Handlung. Er macht zudem geschickt auf einen Missstand aufmerksam, der von der Weltöffentlichkeit weitestgehend unbeachtet ist. Und das, obwohl er mitentscheidend dazu beiträgt, dass diese wunderschönen Tiere immer seltener werden und bald ernsthaft vom Aussterben bedroht sein dürften.
Die Idee für „Mia und der weiße Löwe“ kam de Maistre schon vor Jahren. Damals drehte er für das französische Fernsehen eine Doku über eine Löwenfarm, auf der ein Kind in direkter Nähe riesiger Raubtiere lebte. Erst nach Beendigung der Arbeiten fand der Filmemacher heraus, dass die Eltern des kleinen Jungen die Löwen nicht, wie sie vor seiner Kamera behaupteten, zur Arterhaltung auswilderten beziehungsweise ausschließlich an Zoos und Wildparks verkauften. Im Gegenteil: Sie züchteten sie, um sie mehrheitlich profitbringend an reiche Großwildjäger und aus dem Ausland angereiste Trophäensammler zu verkaufen, die sie gnadenlos, teilweise schwer sediert oder gar im Käfig liegend, abschossen. Eine auf dem ganzen Kontinent durchaus weitverbreitete Praxis und ein Riesengeschäft, das in Südafrika sowie diversen anderen Ländern leider nicht verboten ist oder von den Regierungen zumindest stillschweigend geduldet wird. Dieses Thema nun zum Dreh- und Angelpunkt eines familientauglichen Unterhaltungsfilms zu machen, ist mindestens gewagt.
Doch der Film ist nicht nur aufgrund seiner wichtigen Aussage empfehlenswert. Vor allem erzählt er die mitreißende Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft, die sehrwohl Kinogänger jeden Alters ansprechen dürfte. Die Beziehung zwischen Mädchen und Löwe ist für den Zuschauer nämlich vor allem deshalb so berührend, weil sie nicht nur authentisch wirkt, sondern es tatsächlich ist. Anstatt, wie in solchen Fällen heutzutage üblich, ein Spezialeffekthaus damit zu beauftragen, einen nahezu täuschend echten CGI-Löwen auf die Leinwand zu zaubern, wollte de Maistre unbedingt ein echtes Tier vor der Linse haben. Damit es während der Arbeiten nicht zu einer Katastrophe kam, musste der Löwe mit der jungen Schauspielerin vertraut sein. Und auch sie musste ihm jederzeit vertrauen können. Was unmöglich gewesen wäre, hätte man den Film in wenigen Wochen abgedreht. Doch De Maistre kannte, ebenfalls durch einen vorherigen Doku-Dreh, einen Mann, der ihm helfen konnte.
Kevin Richardson, weltbekannter „Löwenflüsterer“ sowie ausgewiesener Experte auf dem Gebiet des sanften Raubtier-Trainings, stand der Produktion als Berater zur Seite (bei Interesse sollte man einfach mal auf YouTube seinen Namen und die Worte „lion whisperer“ eingeben). Er eröffnete dem Regisseur, es gäbe nur einen Weg, seinen Film mit einem echten Löwen zu realisieren. Dieser und das Mia spielende Mädchen müssten sich in und auswendig kennen. Sie müssten als eine Art Geschwisterpaar zusammen aufwachsen. So wurde „Mia und der weiße Löwe“, ähnlich wie Richard Linklaters „Boyhood“, über Jahre in mehreren Etappen gedreht. Schauspiel-Newcomerin Daniah de Villiers lebte zwischen ihrem elften und 14. Lebensjahr auf der Farm, die gleichzeitig zum Hauptdrehort wurde. So hatte de Villiers, begleitet und überwacht von Richardson, jeden Tag engen Kontakt mit ihrem im Laufe der Zeit vom niedlich-kuscheligen Kitten zum für andere Menschen weiterhin lebensgefährlichen Koloss heranwachsenden Co-Star. Der Rest des Casts kam immer wieder für individuelle Szenen dazu, so dass zwischen allen ein echtes Gemeinschaftsgefühl heranreifte. Ein riesiger, ungewöhnlicher Aufwand, der sich allerdings absolut gelohnt hat. Selten hat sich ein Film das Etikett „für Jung und Alt“ so redlich verdient wie dieser.
Fazit: Ein bewegend realistischer Film mit einem bemerkenswerten, erstklassig funktionierenden Übergang von klassischer Familienunterhaltung zu einem spannenden Drama. Die stimmungsvollen Bilder von der wundervollen südafrikanischen Natur sind ein zusätzlicher Bonus, der den Kinobesuch schon (fast) allein rechtfertigen würde.
„Mia und der weiße Löwe“ ist ab dem 31. Januar in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.