Wie die Mutter, so die Tochter

Mutter und Tochter werden gemeinsam schwanger und stellen plötzlich fest: Obwohl sie viele Jahre trennt, haben sie doch immer noch ein und dieselben Probleme. Mehr zur französichen Komödie WIE DIE MUTTER, SO DIE TOCHTER verrate ich in meiner Kritik.

Der Plot

Avril (Camille Cottin) und ihre Mutter Mado (Juliette Binoche) sind zwar ein Herz und eine Seele, könnten aber unterschiedlicher nicht sein. Avril, 30, ist verheiratet, angestellt und lebt ihr Leben strikt nach Plan, während ihre Mutter seit ihrer Scheidung eine zweite Pubertät durchlebt und ihrer Tochter in jeglicher Hinsicht auf der Tasche liegt. Mutter- und Tochterrolle sind komplett vertauscht und als sich die beiden Frauen dann auch noch zur gleichen Zeit schwanger unter einem Dach wiederfinden, ist der große Eklat unausweichlich. Denn genauso wenig wie Mado inmitten ihres Jugendwahns bereit ist, erneut Mutter oder gar Großmutter zu werden, kann Avril sich ihre eigene Mutter als späte Mutter vorstellen!

Kritik

Obwohl es Anfang der Zehnerjahre einen kurzen Boom von Teenieschwangerschaften gab (der sogar darin mündete, dass sich diverse Privatsender mit eigenen Formaten dem Thema annahmen), geht der Trend beim Kinderkriegen eigentlich dahin, dass Frauen immer später Mutter werden. Der weltweite Durchschnitt liegt aktuell bei knapp 31 Jahren – zum Vergleich: das sind drei Jahre mehr als noch vor einem halben Jahrhundert. In ihrer Komödie „Wie die Mutter, so die Tochter“ beschäftigt sich die französische Filmemacherin Noémie Saglio („Harry Me! The Royal Bitch of Buckingham“) nach Nadège Loiseau („Das unerwartete Glück der Familie Payan“) als zweite innerhalb weniger Monate mit dem Thema spätes Muttersein. Doch im Gegensatz zu ihrer Kollegin geht es Saglio weniger darum, sich ernsthaft mit der Frage auseinander zu setzen, ob eine Frau in den späten Vierzigern noch ein Kind bekommen sollte, geschweige denn, ob sie das mit ihren Lebensentwürfen vereinbaren kann. Stattdessen versucht sie gezielt, die Grenzen zwischen den Generationen aufzubrechen und somit zu betonen, dass sich viele Probleme nicht auf eine Altersgruppe allein beschränken lassen, sondern Jahrzehnte überdauern. In „Wie die Mutter, so die Tochter“ bekommen nämlich Mutter und Tochter gleichzeitig ein Kind, haben daher mit (fast) denselben Dingen zu kämpfen und können mit der Zeit trotzdem von den unterschiedlichen Sichtweisen und Perspektiven des jeweils anderen profitieren. So gelingt Noémie Saglio eine außergewöhnliche Familienkomödie, die nicht nur in einem famosen Hauptdarstellerinnen-Duo ihre Stärke hat.

Marc (Lambert Wilson) und seine Tochter Avril (Camille Cottin).

Die Eröffnungsszene von „Wie die Mutter, so die Tochter“ ist eine Bildmontage, in der wir abwechselnd zwei verschiedene Frauen zu sehen bekommen: Die eine kümmert sich gestresst um den Haushalt, erledigt Einkäufe und räumt das Zimmer der Untermieterin auf, die andere macht Party, kommt anschließend viel zu spät und noch dazu volltrunken nach Hause. Die Umstände dieses Szenarios liegen auf der Hand: Anscheinend hat da eine Mutter mit ihrer schwer pubertierenden Tochter zu kämpfen. Als sich schließlich offenbart, dass es in Wirklichkeit genau anders herum ist und es sich bei der vermeintlichen Teenietochter um die locker 15 Jahre jünger wirkende Juliette Binoche („Die Wolken von Sils Maria“) handelt – trendige Klamotten und jede Menge Make-Up tun hier ihren glaubhaften Dienst –, hat Regisseurin und Autorin Noémie Saglio ihr Publikum sofort auf ihre Seite gezogen. Allein darstellerisch ist „Wie die Mutter, so die Tochter“ bereits ein großer Spaß. Binoche gibt sich so unreif wie nie und hat mit der charmanten Camille Cottin („Allied – Vertraute Fremde“) als hilflos gegen ihre aufmüpfige Mutter ankämpfende Tochter eine wunderbare Leinwandkonkurrentin gefunden. Dieses Duo infernale ist aufgrund der brodelnden Impulsivität unter einander für diverse Pointen gut, sondern gibt sich auch zu jedem Zeitpunkt völlig authentisch – wenn Mutter Mado an der Supermarktkasse wie ein kleines Kind herumquengelt, bewahrt Tochter Avril Haltung und sorgt so dafür, dass beide Frauen bei aller Absurdität ihr Gesicht wahren.

Doch auch wenn sich „Wie die Mutter, so die Tochter“ zu Beginn noch äußerst heiter und am Rand zur Überzeichnung präsentiert, ist Noémie Saglio bei der Zeichnung ihrer beiden Hauptfiguren auf keinen Fall nachlässig. Das Auseinandernehmen der familiären Misere liegt der Filmemacherin sichtlich am Herzen und so ist es in erster Linie Avrils moralischer Konflikt, der in der Komödie im Mittelpunkt steht. Soll sie ihre unselbstständige Mutter nun weiterhin unterstützen, oder endlich vor die Tür setzen? Soll sie Mado machen lassen, oder sich selbst in der Erziehung ihrer eigenen Erzieherin üben? Und ist Mados Unvermögen, (wieder) für sich selbst zu sorgen, nun tragisch, oder komisch? In „Wie die Mutter, so die Tochter“ weiß man oft nicht so genau, ob man nun lachen oder weinen soll, was sich schließlich auch in der Reaktion der Figuren widerspiegelt: Mal sind die Frauen einfach nur mit allem überfordert, mal beweint die Mutter den vermeintlichen Verlust ihrer Tochter, dann wieder schimpft sie auf alles und jeden, verhält sich tatsächlich wie ein kleines Kind, während sich Avril in die Arme ihrer Mutter zurücksehnt. Saglio seziert die Bindung dieses Mutter-Tochter-Gespannes mit viel Liebe und nimmt dafür in Kauf, dass manche Reaktionen durchaus haarsträubend erscheinen. Im Kontext bleiben sie immer authentisch – und einmal mehr macht man sich die starken Leistungen der beiden Schauspielerinnen zunutze.

Avril und Louis (Michaël Dichter) genießen frühe Elternfreuden.

Mit der Botschaft, dass man in jedem Alter versuchen sollte, für den Anderen da zu sein und vor allem die Lebensentwürfe seiner Mitmenschen tolerieren sollte, entscheidet sich Noémie Saglio zwar für ziemlich sichere Nummer, doch ist sie letztlich zeitlos genug, um die ansonsten recht ungewöhnliche Handlung emotional abzurunden. Auch Avril und Mado lernen, was sie voneinander noch fürs Leben lernen können und dass man für gewisse Konflikte einfach nie zu alt (oder eben zu jung) ist. Bei soviel Frauenpower ist es nur konsequent, dass die beiden männlichen Hauptfiguren Lambert Wilson („Unterwegs mit Jacqueline“) und Michaël Dichter („Vie sauvage“) zur Staffage degradiert werden. Das hat mitunter zur Folge, dass etwa der Background rund um Avril und ihren Freund Louis ein wenig zu kurz kommt, während sich das Skript von Noémie Saglio und Agathe Pastorino mit weitaus mehr Elan für das persönliche Umfeld von Mado interessiert. Hier schlägt „Wie die Mutter, so die Tochter“ manch erzählerischen Haken, der nicht nötig gewesen wäre; weshalb Mado und ihr Marc nun als Ex-Ehepaar etabliert werden müssen, obwohl sie sich doch von Anfang an nicht so verhalten (und eine erneute Familienzusammenführung von Anfang an klar auf der Hand liegt), erschließt sich einem nicht ganz. Es hätte vollkommen ausgereicht, sich voll und ganz auf die beiden weiblichen Protagonistinnen sowie ihre Probleme zu konzentrieren.

Fazit: Die zwei grandios aufspielenden Hauptdarstellerinnen Camille Cottin und Juliette Binoche sowie diverse kreative Ideen machen aus dieser kleinen Komödie ein kurzweiliges Vergnügen, das nicht bloß Herz und Seele berührt, sondern auch noch richtig Spaß macht. Eine kleine Überraschung!

„Wie die Mutter, so die Tochter“ ist ab dem 14. September in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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