Love & Friendship

So kurz vor Jahresende taucht die Jane-Austen-Verfilmung LOVE & FRIENDSHIP überraschenderweise in vielen Toplisten auf. Weshalb sich das nicht ganz nachvollziehen lässt und warum der Film die lange Liste an Austen-Schmonzetten nicht unbedingt um ein Highlight ergänzt, das verrate ich in meiner Kritik.
Der Plot
Die schöne Witwe Lady Susan Vernon (Kate Beckinsale) besucht das Anwesen ihrer Verwandtschaft, um dort die in der gehobenen Gesellschaft kursierenden, skandalträchtigen Gerüchte über ihre Affären auszusitzen. Während sie sich dort versteckt hält, schmiedet sie Pläne, um für sich selbst sowie für ihre heiratsfähige, aber widerwillige Tochter Frederica (Morfydd Clark) jeweils einen passenden Ehemann zu suchen und dadurch ihrer beider Zukunft zu sichern.Aber Lady Susan erregt die Aufmerksamkeit gleich dreier Männer: sowohl des jungen und attraktiven Reginald DeCourcy (Xavier Samuel) als auch des reichen, aber etwas einfältigen Sir James Martin (Tom Bennett) sowie des äußerst gut aussehenden, jedoch verheirateten Lord Manwaring (Lochlann O’Mearáin). Dieser Umstand verkompliziert die Angelegenheiten deutlich.
Kritik
Kaum ein Schriftsteller konnte das Genre der romantischen Liebesgeschichte derart prägen, wie es der zwischen 1775 und 1817 lebenden Autorin Jane Austen gelang. Nicht nur ihre Werke wurden und werden bis in die Moderne für verschiedene Medien adaptiert, auch um ihre Person selbst rankt sich bis heute eine gewisse Form von Kult. Dieser wiederum wurde auch schon zum Mittelpunkt einer Verfilmung: 2013 handelte die Komödie „Austenland“ von einer jungen Frau, die so sehr von der Person Jane Austen besessen ist, dass sie ins englische Austenland reist, wo man für Menschen wie sie die Ära der Jane Austen wieder zum Leben erweckt. Und was sich sonst noch so für Schabernack mit den Werken der Romantikerin anstellen lässt, bewies erst in diesem Jahr der amüsante Genreclash „Stolz und Vorurteil & Zombies“, in dem die bekannte Vorlage mit Elementen des Horrorkinos aufgepeppt wurde. An „Lady Susan“, eines der Frühwerke der Autorin, hatte sich bislang jedoch noch keiner herangewagt. Zum einen, weil es sich hierbei um eine Ansammlung von Briefen handelt; ein Stil, der sich nun mal schwer auf die Leinwand übertragen lässt. Zum anderen aber auch, weil der Roman nie ganz fertig gestellt wurde. In dieser Hinsicht ist es Regisseur und Autor Whit Stillman („Metropolitan“) ganz hervorragend gelungen, „Love & Friendship“ so zu inszenieren, dass er wie eine abgeschlossene Geschichte wirkt. Weshalb seine tragikomische Anti-Liebesgeschichte vor wenigen Wochen vom renommierten „Sight & Sound“-Magazine unter die zehn besten Filme des Jahres gewählt wurde, lässt sich indes nur schwer nachvollziehen.
Anders als das Gros bekannter Jane-Austen-Werke lässt sich „Lady Susan“ nicht zwingend dem Genre der Romanze zuordnen. Mehr noch: Trotz ihres recht eindeutigen Filmtitels „Love & Friendship“ behandelt die Leinwandadaption vorzugsweise die inneradeligen Verwicklungen, die Regisseur Whit Stillman mittels der eingangs erwähnten, auf Briefen basierenden Dialoge zu sezieren versucht. In manchen Momenten gelingt dies auch. Hin und wieder offenbart sich dem Zuschauer dadurch die herrlich absurde Idiotie, die manch einem Ritual des Hochadels innewohnt; etwa wenn sich in einem beinahe grotesken Dialog die Standesunterschiede zwischen der Lady und dem Bediensteten deutlich machen. Dann wiederum treten die Ereignisse in „Love & Friendship“ auf der Stelle, denn obwohl der Fokus nicht auf den amourösen Verwicklungen innerhalb des Adelshauses liegt, behandeln die Gespräche doch bevorzugt die Fragen, wer wie und warum mit wem interagiert. Da der Zuschauer jedoch immer nur die Theorie dessen – ergo: die Gespräche darüber – zu sehen bekommt, lässt sich nur schwer erklären, weshalb man an den Ereignissen überhaupt Interesse entwickeln sollte. So lässt sich manch einem Charakter ein gewisser Unterhaltungswert zwar nicht absprechen, doch in letzter Instanz lässt „Love & Friendship“ einfach viel zu viele inhaltliche Fragen (und Hintergründe zu den Figuren!) offen, um uns das Leinwandgeschehen als relevant verkaufen zu können.
Die Nutznießerin dieses simplen Konzepts, bei dem auf der Leinwand generell nur wenig passiert, ist zweifelsohne Kate Beckinsale. Die derzeit auch in dem qualitativ fragwürdigen Fantasy-Actioner „Underworld: Blood Wars“ auftretende Darstellerin darf in „Love & Friendship“ endlich mal wieder so aufspielen, dass sich dem Zuschauer die Vorliebe des Regisseurs für die zuletzt immer häufiger in Nebenrollen verheizte Akteurin erschließt. Nach „The Last Days of Disco“, in dem übrigens auch schon die hier eine Nebenrolle spielende Chloë Sevigny agierte, ist „Love & Friendship“ die zweite Zusammenarbeit zwischen Witt Stillman und Beckinsale, die ihre Dialoge mit einer solch präzisen Schlagfertigkeit vorträgt, dass ihre Präsenz alle anderen Co-Stars überragt. Als einziger Eye-Catcher neben Beckinsale erweist sich Serienstar Tom Bennett („PhoneShop“), der genüsslich die Einfältigkeit seiner Rolle zelebriert und seine Figur des Sir James Martin glaubhaft an die Grenze zur Karikatur führt.

Nur in wenigen Szenen begibt man sich aus den simplen Kulissen des Schlosses und seinen Ländereien hinaus.
Abgesehen von ihm erweisen sich die Rollentypen beider Geschlechter jedoch als äußerst ähnlich; sich ungeachtet dessen in den Vordergrund zu spielen, gelingt leider keinem. Trotzdem schafft es Whit Stillman, mit „Love & Friendship“ einen Kostümfilm zu inszenieren, der zu jedem Zeitpunkt die Luft seiner Zeit atmet. Das Budget von gerade einmal drei Millionen US-Dollar sieht man der Produktion nicht an, was letztlich auch am zumeist recht simplen Aufbau einzelner Szenen liegt. Auf spektakuläre Außenaufnahmen verzichten die Macher. Stattdessen lassen sie ihre Protagonisten minutenlang durch die Ländereien schlendern oder ihre Wortgefechte im Inneren des Schlosses austragen. Hier wechseln sich schließlich äußerst temporeiche Dialoge mit langwierigen Erklärungen ab. Es ergibt sich ein emotionales Auf und Ab, das bis zur letzten Minute keinen einheitlichen Rhythmus findet. Als Bestandsaufnahme adeliger Gewohnheiten taugt „Love & Friendship“ vielleicht noch bedingt, doch so ganz ohne Dramaturgie und erzählerischer Stringenz erweist sich Whit Stillmans Film dann doch eher weniger als Genrebeitrag, dem man ausnahmslos jedem ans Herz legen möchte.
Fazit: In „Love & Friendship“ dürfen adrett gekleidete Damen und Herren eineinhalb Stunden lang durch prächtige Gärten laufen und sich dabei hübsch-bissige Dialoge um die Ohren hauen. Die Dynamik der vielen Gespräche präsentiert sich allerdings derart ambivalent, dass auf schallendes Gelächter viel zu oft gähnende Langeweile folgt.
„Love & Friendshp“ ist ab dem 29. Dezember in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.