Herz aus Stahl

2015 ist noch nicht mal einen Tag alt, da beglückt uns das Kino bereits mit einem Highlight des bevorstehenden Kinojahres. Das lang erwartete Kriegsepos HERZ AUS STAHL, von und mit Brad Pitt, erzählt von einer sechsköpfigen Einheit an US-Soldaten, die im von Nazis besetzten Deutschland versuchen, so viele Menschenleben wie möglich zu retten. Das könnte in falscher Hand unangenehm patriotisch und kriegsverherrlichend sein, doch der actionerfahrene Regisseur David Ayer beweist hier einmal mehr sein Händchen für das Inszenieren ehrlicher Emotionen. Mehr zum Film in meiner neuen Kritik.
Der Plot
April, 1945: Während die Alliierten ihren letzten und entscheidenden Vorstoß in dem Kriegsschauplatz von Europa wagen, kommandiert ein kampferprobter Army Sergeant namens Wardaddy (Brad Pitt) einen Sherman Panzer und dessen fünfköpfige Besatzung auf einer tödlichen Mission hinter den Feindeslinien. Zahlen- und waffenmäßig weit unterlegen, müssen sich Wardaddy und seine Männer gegen überwältigend große Widerstände behaupten, während sie versuchen, mitten im Herzen von Nazi-Deutschland zuzuschlagen.
Kritik
David Ayer hat sich in seiner insgesamt sechs Filme umfassenden Karriere als Regisseur ganz und gar dem Actionfilm in all seinen Facetten verschrieben. Dabei könnten die Herangehensweisen an das männerdominierte Krawummgenre unterschiedlicher nicht sein. Während sein Zwei-Mann-Stück „End of Watch“ kein Blatt vor den Mund der harten Realität des amerikanischen Polizeialltags nahm, stellte „Sabotage“ zuletzt mehr ein Zugeständnis an all jene dar, die sich zwischen zwei „The Expendables“-Teilen einmal mehr im Stile der trashigen Achtziger von Arnold „Terminator“ Schwarzenegger unterhalten lassen wollen. Entsprechend unsicher ließ sich vor den ersten Aufführungen von Ayers neuestem Projekt „Herz aus Stahl“ deuten, in welche Richtung das Kriegsepos mit Brad Pitt, Shia LaBeouf und Logen Lerman wohl gehen würde. Immerhin gehört auch Pitt selbst zu den ausführenden Produzenten der vollends fiktiven Geschichte. Und wir möchten uns an „12 Years a Slave“ erinnern, in welchem sich der Gatte von Angelina Jolie den einzig moralischen Weißen im Film selbst zuschusterte und dem Film somit kurzzeitig einen unangenehm patriotischen Beigeschmack verpasste. In „Fury“, wie „Herz aus Stahl“ angelehnt an den gleichnamigen Panzer im Original heißt, hält sich Pitt diesbezüglich jedoch angenehm zurück. David Ayer konzipierte eine ganz und gar unerträgliche Kriegsgeschichte, in der es keinen Platz für Helden gibt.
Im Vorfeld des weltweiten Kinostarts von „Herz aus Stahl“ sorgten allen voran die obskuren Method-Acting-Methoden des mit „Transformers“ bekanntgewordenen Shia LaBeouf für Aufsehen. Eigenen Angaben zufolge und unterstrichen von den Äußerungen seiner Kollegen habe sich der von der Öffentlichkeit zeitweise verabscheute Schauspieler während der drei Monate andauernden Dreharbeiten im britischen Oxfordshire nicht gewaschen, sich auch während der Drehpausen durchgehend im Panzer aufgehalten und sich sogar einen Zahn selbst gezogen, um die Zustände des Zweiten Weltkrieges vollkommen in sich aufzusaugen. Inwiefern derart drastische Maßnahmen das Spiel des Akteurs tatsächlich beeinflusst haben, ist spekulativ. Gleichsam bleibt festzuhalten, dass es tatsächlich Shia LaBeouf ist, der in „Herz aus Stahl“ nicht nur seine persönliche Bestleistung aus Lars von Triers Psychodrama „Nymph()maniac“ übertrifft, sondern auch seine Schauspielkameraden neben sich alt aussehen lässt. Dennoch hat David Ayer seinen Cast durchgehend gut im Griff. Die PR-Maschinerie musste sich wenig Mühe geben, um hervorzuheben, dass Brad Pitt („The Counselor“) und seine vom schieren Nazi-Hass getriebene Figur des Don „Wardaddy“ Collier der treibende Faktor des Geschehens ist. Zwar wird ihm nicht unbedingt das markanteste Profil zuteil – mit dem seine moralischen Prinzipien hinterfragenden Novizen Norman (Logan Lerman) erhält das Publikum eine weitaus größere Identifikationsfigur an die Hand – doch die Ereignisse innerhalb des Stahlriesen Fury stehen und fallen mit dem für seine Untergebenen wie ein Mentor fungierenden Wardaddy.
Der Schauplatz des von den Nazis besetzten Deutschland zusammen mit dem selbstlos darin wütenden US-Amerikaner bildet per se einen guten Nährboden für von dreistem Patriotismus durchzogene Kriegspropaganda. Doch nicht nur visuell umgeht David Ayer derlei Fettnäpfchen mit zwar äußerst prägnanten aber umso weniger reißerisch inszenierten Schlachtsequenzen; auch das Drehbuch, das der Regisseur selbst verfasste, hält sich weitestgehend damit zurück, seine Figuren in einen fehlgeleiteten Heldenstand zu erheben. Wie eingangs erwähnt, unterstreicht „Herz aus Stahl“ die Tatsache, dass Kriege kein Schauplatz für heroische Einzelgeschichten ist. Wenn Logan Lermans Figur des Norman im Epilog des Films mit den Worten „Sie sind ein Held!“ aus dem zerstörten Panzer befreit wird, erhält dieser Satz ob seiner Fehlplatzierung einen so unangenehmen Beigeschmack, dass all die vorangegangenen Geschehnisse umso stärker nachhallen. Don Collier und seine fünfköpfige Besatzung profilieren sich nicht als stählerne Weltenretter, sondern machen es sich zum Auftrag, der Hölle auf Erden mit allen erdenklichen Methoden ein Ende zu setzen – koste es was es wolle. Zu großen Taten fühlt sich hier Niemand berufen und wenn gen Ende die ersten Schlachtrufe fallen, geht aus solchen Sätzen wie „Jagt den Nazi-Ärschen eine Kugel durch den Kopf!“ die pure Hilflosigkeit hervor. Doch während sich David Ayer inhaltlich auf den realistischen Kriegsschauplatz konzentriert, setzt er sämtliche Szenerien und Schlachten nicht minder effektiv in Szene.

Neuankömmling Norman (Logan Lerman) hat noch nie auf einen Menschen geschossen. Um in Wardaddys Team aufgenommen zu werden, muss er seine Grenzen überwinden.
„Herz aus Stahl“ unterstreicht in seiner visuellen Aufmachung seinen Status als Kriegsfilm, der sich ganz klar von klassischen Weltkriegsdramen der Marke „Schindlers Liste“ abgrenzt. Wenngleich prägnante Details wie gehängte Kriegsverweigerer in ihrer kompromisslosen Darstellung dem Zuschauer die Kehle zuschnüren, hält sich Ayer wenig an der detaillierten Beschreibung der äußeren Umstände auf. Sein Film ist ein Actionstreifen wie er im Buche steht und präsentiert sich dabei entgegen seiner modernen Blockbuster-Kollegen beachtlich wenig durchgestyled. Mehr noch: Eine Szene, in welcher der ohnehin labile Norman die Reste seines Vorgängers vom Panzer entfernen muss, offenbart den immensen Brutalitätsgehalt, den „Herz aus Stahl“ vorweisen kann. Auch im unübersichtlichen Schlachtengetümmel fängt Kameramann Roman Vasyanov („End of Watch“) immer wieder einzelne Momente ein, die in ihrer Intensität nur für ein hartgesottenes Publikum geeignet sind. Wenn Panzerketten Köpfe in Großaufnahme zerschmettern oder in einer optisch zwar weniger brachialen, dafür emotional überaus fordernden Szene Normans ethisches Verständnis gebrochen wird, zeigt David Ayer, dass er es versteht, seinen Film mitreißend zu gestalten, ohne der Thematik die notwendige Ernsthaftigkeit zu rauben. Dazu passt auch der bombastische Orchesterscore von Steven Price („Gravity“). Der Komponist inszeniert seinen Beitrag zum Film in Anlehnung an die epischen Musiken eines John Williams, rückt seinen Score jedoch nie in den Vordergrund und verlässt sich in den entscheidenden Momenten auf kaum zu realisierenden Minimalismus. Auch das trägt zu der so wichtigen, antiheroischen Stimmung bei, die sich wie ein roter Faden durch „Herz aus Stahl“ zieht.
In der zweiten Hälfte des Streifens übt sich Ayer schließlich auch noch im ausführlichen Storytelling und inszeniert eine Szene, die auf den ersten Blick fast fehlplatziert, auf den zweiten jedoch mehr wie ein „Film im Film“ anmutet. Der Regisseur und Autor entlässt Norman und Wardaddy nach dem Einnehmen eines weiteren Schauplatzes in die Hände zweier Zivilistinnen. Ebenjene, brillant gespielt von Anamaria Marinca („Europa Report“) und Alicia von Rittberg („Barbara“), gewähren den Männern eine kurzzeitige Unterkunft, frisches Wasser und die Möglichkeit einer kurzen Mahlzeit. Darüber hinaus bändelt Norman mit der jungen Lotte (von Rittberg) an, was sich in einem spontanen Schäferstündchen beider entlädt, woraus allerdings nie ganz hervorgeht, wie viel Zwang und wie viel Freiwilligkeit mit dieser Tat einhergeht. Ayer nutzt die bislang wenig beachtete Prämisse der kompromisslosen Hilfsbereitschaft Zivilisierter gegenüber jenen, von denen man nie sicher wusste, ob man es nun mit einem Freund oder einem Feind zu tun hatte, um mithilfe dessen den Fokus von Wardaddy als Dreh- und Angelpunkt wegzubewegen und sich kurz vor dem Finale auf das sechsköpfige Team im Gesamten zu konzentrieren. Dabei werden mitunter unangenehme Charakterzüge einzelner Figuren zutage gefördert. Gleichsam entsteht von nun an das Gefühl einer Einheit. „Herz aus Stahl“ braucht diesen inszenatorischen Dreh, um im Schlussakt in dem Maße zu berühren, wie es für die Grundaussage des Films wichtig ist. So lässt sich über die Bedeutung dieser Szene zwar diskutieren, nicht aber über ihre Wichtigkeit.
Fazit: David Ayers neuestes Werk verbindet die mitreißende Machart des Actionregisseurs mit der Nachhaltigkeit großer Kriegsdramen und gibt einen ungeschönten Blick auf all jene preis, die selbstlos im Zweiten Weltkrieg gegen die Hitler-Diktatur kämpften.
„Herz aus Stahl“ ist ab dem 01. Januar 2015 bundesweit in den Kinos zu sehen!
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