MaXXXine
Ti Wests Trilogie-Abschluss MAXXXINE führt seine Hauptdarstellerin und Muse Mia Goth durch ein verzerrtes Abbild eines düsteren, paranoiden Hollywoods, in dem sich eine junge Pornodarstellerin und Überlebende eines Massakers als Schauspielerin versucht – und dabei mit jedweder Form von Konsequenz konfrontiert wird.
Darum geht’s
Maxine Minx (Mia Goth) träumt von nicht weniger als der ganz großen Hollywoodkarriere. Endlich in Hollywood angekommen, wird die junge Frau jedoch gleich in doppelter Hinsicht von ihrer Vergangenheit eingeholt. Als ehemalige Pornodarstellerin hat sie es in der Traumfabrik schwer, ernstgenommen zu werden. Außerdem hängen ihr die Ereignisse des Texas Pornstar Massacres nach, das Maxine nur mit Ach und Krach überlebt hat. Als ein sensationslüsterner Privatdetektiv (Kevin Bacon) auf sie angesetzt wird, wird sie plötzlich mit den Schattenseiten des Filmbusiness konfrontiert. Darüber hinaus dezimiert ein unheimlicher Killer, den die Medien auf den Night Stalker getauft haben, eine Kollegin nach der anderen. Was für ein Glück, dass Maxine keinerlei Hemmungen hat, für sich, ihre Sicherheit und ihre Bedürfnisse einzustehen…
Kritik
Regisseur und Drehbuchautor Ti West („The Innkeepers“) begründete die Pläne für seinen Technicolor-Albtraum „Pearl“ einst damit, dass sich aus dessen Slasher-Vorgänger „X“ einige offenen Fragen ergeben würden, die er mit einem Prequel beantworten möchte. Also drehte er – je nach Quelle – beide Filme back to back oder aber zumindest mit einem sehr kurzen Zeitabstand nacheinander. Anschließend befand er das Schicksal der in „X“ als aufstrebende Pornodarstellerin eingeführten Maxine Minx als erzählerisch so ausbaufähig, dass er mit „MaXXXine“ einen dritten Teil plante. Nachdem „Pearl“ im Jahr 1918 und „X“ in den Siebzigerjahren spielte, verlagerte er die Handlung dafür nun die Achtziger. Ein ungeheuer ambitioniertes Projekt und eine außergewöhnliche Trilogie außerdem. Spielt doch jeder dieser Filme in einer völlig eigenen Welt und wechselt auf der Zielgeraden sogar komplett das Genre. „MaXXXine“ ist nämlich weder ein Slasher wie „X“ noch eine vergleichbare Groteske wie „Pearl“, sondern ein Mix aus Brian-de-Palma-Hommage und Ti Wests ganz eigener Version von „Once Upon a Time… in Hollywood“ – mit einer großen Prise Serienkillerfilm und einem Hauch Giallo dabei.
Fassen wir einmal die Faszination für die der Einfachheit halber einfach mal Mia-Goth-Trilogie genannte Horrorreihe zusammen: In „X“ spielte die Hauptdarstellerin (unter anderem bekannt durch „A Cure for Wellness“ und jüngst „Infinity Pool“) eine Doppelrolle. Einmal schlüpfte sie in den Charakter der Maxine Minx, einem Sexfilmsternchen mit dem großen Wunsch, als Schauspielerin in Hollywood durchzustarten. Sie verkörperte aber auch Pearl, eine Greisin, die in ihrem unbändigen Hass auf die Jugend die blutige Jagd auf Maxine und deren junge, attraktive Crew eröffnete. „Pearl“ erzählte dann die Vorgeschichte von genau dieser Frau, die – genauso wie Maxine viele Jahrzehnte später – nur einen Wunsch hat: reich und berühmt zu werden. Was Ti West versucht, ist zugleich eine Charakterspiegelung beider Figuren, ein Streifzug durch die Filmlandschaft und deren dahinter stattfindenden Mechanismen sowie ein Kommentar auf die in Hollywood vorherrschende Bigotterie: Gewalt ja, Sex nein. In „Pearl“ wird die darin natürlich ebenfalls von Mia Goth verkörperte Hauptfigur mit dem aller ersten Porno der Filmgeschichte konfrontiert und zeigt sich fasziniert von dieser ganz neuen Form der Erwachsenenunterhaltung. In „X“ dreht Maxine Pornos und in „MaXXXine“ wird ihr genau das zum Verhängnis, denn eine Darstellerin aus Erotikfilmen in größeren Hollywoodproduktionen zu besetzen (und sei es nur in einem B-Movie-Horrorfilm) ist für die damalige Zeit zu heikel. Und seien wir ehrlich: Auch heute noch hätten Filmstudios eine große Hemmung, einen solchen Besetzungscoup anzugehen.
„Was Ti West versucht, ist zugleich eine Charakterspiegelung beider Figuren, ein Streifzug durch die Filmlandschaft und deren dahinter stattfindenden Mechanismen sowie ein Kommentar auf die in Hollywood vorherrschende Bigotterie: Gewalt ja, Sex nein.“
Doch ganz so einfach macht es sich Ti West mit seiner Kritik am System nicht. Noch vor dem Vorspann wohnen wir einem Casting bei: Maxine spricht für eine Rolle in einem Film vor. Ihre großartige Performance scheint die ihr gegenübersitzenden Casterinnen zu beeindrucken, doch womit Maxine aus der Audition entlassen wird, sind keine lobenden Worte, sondern die Aufforderung, ihr T-Shirt hochzuziehen, damit man ihre Brüste begutachten kann. Das wirkt leicht plakativ, bis man den Widerhaken an dieser Situation erkennt: Die Castingcrew ist rein weiblich, die regieführende Person eine Frau (Elizabeth Debicki). „MaXXXine“ besitzt einige dieser Widerhaken, insbesondere wenn Ti West mit den gesellschaftlich vorgegebenen Geschlechterrollenbildern spielt. Rollen, die man – gerade in einem Mitte der Achtziger spielenden Film – üblicherweise mit Männern besetzt hätte, sind hier weiblich. Machtverhältnisse ergeben und verschieben sich geschlechterübergreifend. Denken wir nun an „X“ zurück, finden wir darin ein thematisch ähnliches Pendant. Wird doch die agile, attraktive und smarte Jugend ausgerechnet von zwei gebrechlichen, alten Menschen terrorisiert.
Wenngleich Ti West ebenso unaufgeregt, sachte und treffsicher beobachtend durch „sein“ Hollywood streift wie einst Quentin Tarantino durch „Once Upon a Time… in Hollywood“, ist die Traumfabrik in „MaXXXine“ vor allem ein Zerrbild derselben. Eine nostalgische Verklärung findet nicht statt, was sich angenehm erfrischend anfühlt. Vielmehr zu sagen, als dass letztlich jede/r in Hollywood irgendeine Leiche im Keller versteckt (Elizabeth Debicki sagt in einer Szene sogar, dass „wir jetzt alle Blut an den Händen“ haben), hat Ti West indes nicht. Was er zelebriert, ist der Blick hinter den schönen Schein. Unter der Dunstglocke der zur damaligen Zeit von den Medien angefeuerten Satanic Panic sowie der ebenfalls in den Nachrichten omnipräsenten Serienkillerfigur des Night Stalkers entspinnt sich eine paranoide Atmosphäre. Den von Maxine bestrittenen Weg vom Pornosternchen zur angesehenen Schauspielerin bebildert West entsprechend. Giallomotive von schwarzen Handschuhen und überambitionierten, bisweilen jedoch unfähigen Cops (Michelle Monaghan und Bobby Cannavale) wechseln sich ab mit grobkörnigen Aufnahmen LAs, dessen Nachtleben von Neonfarben und Stroboskoplichtern geprägt ist. Vereinzelt wird es auch ordentlich brutal. Dann spritzt das Blut dunkelrot aus allen nur erdenklichen Körperteilen, denn Maxine weiß sich in diesem gleichermaßen angsteinflößenden wie abstoßenden Moloch bestens zu behaupten.
„Was er zelebriert, ist der Blick hinter den schönen Schein. Unter der Dunstglocke der zur damaligen Zeit von den Medien angefeuerten Satanic Panic sowie der ebenfalls in den Nachrichten omnipräsenten Serienkillerfigur des Night Stalkers entspinnt sich eine paranoide Atmosphäre.“
Gleichwohl irritiert bisweilen Ti Wests Darstellung seiner Muse und Hauptdarstellerin, denn die von ihr verkörperte Hauptfigur fühlt sich an wie ein Hybrid aus beiden von ihr zuvor gespielten Charakteren. Auch hierin mag man die eingangs erwähnte Charakterspiegelung erkennen. Doch Maxines Motivationen in „MaXXXine“ erwecken zum Teil einen Eindruck von Willkür. Geprägt durch die Ereignisse während des Texas Pornstar Massacres, die ihr immer wieder Flashbacks bescheren, entwickelt sie Angstzustände und Beklemmungen. In ihrem Auftreten als selbstbewusste Superstaranwärterin wächst sie indes über sich hinaus, wirkt in Gefahrensituationen dann allerdings so berechnend und abgeklärt wie Pearl, wenn sie, ohne mit der Wimper zu zucken, Hoden zertrümmert oder unliebsame Verfolger mittels Autopresse beseitigt. Es ist ausschließlich Mia Goth‘ einmal mehr hervorragenden Performance zu verdanken, dass sie aus Maxine trotzdem einen runden Charakter macht – auch wenn man nur bedingt mit ihr sympathisieren kann.
Fazit: „MaXXXine“ ist das stark inszenierte Period Piece eines Hollywood-Zerrbilds, in dem einmal mehr Mia Goth überzeugen kann. In seiner Mischung aus Brian-de-Palma-Hommage, einer eigenen Version von „Once Upon a Time… in Hollywood“ sowie Giallo- und Serienkillerfilmmotiven betont Regisseur und Autor Ti West immer wieder die unangenehmen Widerhaken des Filmbusiness, hat aber sonst nicht allzu viel zu sagen.
„MaXXXine“ ist ab dem 4. Juli 2024 in den deutschen Kinos zu sehen.


