Caught Stealing

Mit CAUGHT STEALING wagt Darren Aronofsky einen wilden Genre-Ritt, der so gar nicht nach seinem bisherigen Schaffen klingen will – und doch unverkennbar seine Handschrift trägt. Statt meditativer Schwere gibt es Tempo, schwarzen Humor und absurde Tonbrüche. Doch hinter all der grellen Fassade lauern weiterhin Schmerz, Selbstzerstörung und eine düstere Faszination für das Scheitern.

OT: Caught Stealing (USA 2025)

Darum geht’s

Hank Thompson (Austin Butler), einst ein hoffnungsvolles Baseball-Talent, fristet 1998 ein trostloses Dasein als Barkeeper in der Lower East Side – geplagt von Alkohol und Erinnerungen an bessere Zeiten. Ein scheinbar harmloser Gefallen für seinen Nachbarn Russ (Matt Smith), der ihn bittet, auf eine Katze aufzupassen, stürzt ihn in ein Chaos: In der Transportbox befindet sich ein Schlüssel, auf den es eine ganze Reihe skrupelloser Gangster abgesehen hat. Bald jagt Hank durch ein düsteres, gefährliches New York, wo er zwischen der brutalen Gewalt wechselnder Allianzen ums Überleben kämpft. Unterstützt – oder verfolgt – von Figuren wie Polizistin Roman (Regina King) oder dem undurchsichtigen Colorado (Bad Bunny), wächst der widerwillige Antiheld über sich hinaus. Am Ende bleibt die Frage, wie weit man gehen muss, um sein Leben zurückzugewinnen…

Kritik

Abgesehen von seinem einmaligen Ausflug ins Big-Budget-Mainstreamkino (2014 mit „Noah“) hat sich Darren Aronofsky im Laufe seiner Karriere einen Namen als auf düstere Stoffe spezialisierter Kunstfilmer gemacht. Er hetzte Jennifer Lawrence durch eine Tour de Force als frisch gebackene Mutter („mother!“), exerzierte das Thema Sucht in all seinen abscheulichen Facetten durch („Requiem for a Dream“) und trieb sowohl Nathalie Portman („Black Swan“) als auch Mickey Rourke („The Wrestler“) gleichermaßen zu Höchstleistungen an als auch an den Rande des Wahnsinns. Zumindest in diesem Aspekt bleibt sich Aronofsky auch bei seinem neuesten Film treu: Hauptdarsteller Austin Butler („The Bikeriders“) muss in „Caught Stealing“ allerhand Brutalitäten einstecken. Trotzdem fühlt sich der temporeiche Crime-Thriller aus der Feder von „Gotham“-Autor Charlie Huston kaum wie ein „echter Aronofsky“ an, sondern erinnert mit seinem rauen Charme, den irrwitzigen Tonalitätsbrüchen und den kantigen Charakteren eher an die frühen Filme eines Guy Ritchie oder an die jüngsten Ergüsse von „Baby Driver“-Regisseur Edgar Wright. Da gibt es deutlich schwächere Vorbilder.

Zwischen Yvonne (Zoë Kravitz) und Hank (Austin Butler) besteht eine unwiderstehliche Anziehung…

Aronofsky gab im Vorfeld von „Caught Stealing“ zu Protokoll, seinen Film als bewussten Bruch mit seinen bisherigen Werken zu verstehen. „Something filled with Joy and Adventure“ sollte es werden. Und genau das ist dem gebürtigen New Yorker auch geglückt, nur dass man sich – egal wie sehr man es versucht – eben selten vollständig von seinen eigentlichen Wurzeln loslösen kann. Denn auch wenn „Caught Stealing“ der sich am wenigsten nach Darren Aronofsky anfühlende Film seiner Karriere ist, gibt es Bezüge zu seinem bisherigen Schaffen. Und die können sich mit der betont leichtfüßigen Inszenierung schon mal beißen. Bereits das erste Aufeinandertreffen zwischen Protagonist Hank Thompson und einigen brutalen Schlägertypen hinterlässt einen merklichen Beigeschmack, der je nach Empfinden mehr oder weniger bitter ausfallen dürfte. Wirkt „Caught Stealing“ in seinem (Irr-)Witz in Handlung und Machart bisweilen fast cartoonesk und offenbart gerade darin seine Stärken, trifft einen die harte, körperliche Gewalt tief in die Magengrube. So stark ist der Kontrast zwischen der heiteren Ganoven-Farce und den körperlichen Auseinandersetzungen, die darüber hinaus einen sehr düsteren Ursprung haben. Das beginnt bereits bei der Charakterzeichnung der Hauptfigur, die nicht nur bald eine ganze Horde Fieslinge an den Hacken hat, sondern auch ein ernsthaftes Alkoholproblem.

„Ohne die zahlreichen den Filmrhythmus vorgebenden Verfolgungsjagden wäre ‚Caught Stealing‘ dann eben doch ein typischer Aronofsky-Film über zur Selbstvernichtung neigende Menschen, die ihr Leben vollständig dem Schmerz, der Ekstase und dem Zerfall gewidmet haben.“

Wenn Hank infolge seiner Verletzung dringend geraten wird, das Trinken fortan zu unterlassen und er sich aus sämtlichen Ecken seiner versifften Wohnung die halbvollen Alkoholflaschen zusammensammelt, um den Inhalt später theatralisch in die Toilette zu kippen, dann ist das nur auf den ersten Blick komisch. Die von Charlie Huston geschriebenen Figuren sind allesamt ziemlich abgefuckt – und zwar nicht ausschließlich auf die spleening-unterhaltsame Art. Ohne die zahlreichen den Filmrhythmus vorgebenden Verfolgungsjagden wäre „Caught Stealing“ dann eben doch ein typischer Aronofsky-Film über zur Selbstvernichtung neigende Menschen, die ihr Leben vollständig dem Schmerz, der Ekstase und dem Zerfall gewidmet haben. Insbesondere das radikale Schicksal der von Zoë Kravitz („The Batman“) gleichermaßen smart wie verführerisch gespielten Yvonne verleiht dem Film eine unerwartet düstere Wendung, die es in einem Guy-Ritchie- oder Edgar-Wright-Film so garantiert nicht gegeben hätte. Wie gesagt: So ganz kann sich Darren Aronofsky dann eben doch nicht von seiner Faszination für Leid und Schmerz lossagen.

Ursprung allen Übels: Die Katze, um die sich Hank notgedrungen kümmern muss.

Das emotionale Herzstück von „Caught Stealing“ scheint zu Beginn noch die Beziehung zwischen Yvonne und Hank zu sein. Doch die von Anfang an als unberechenbar gezeichnete Liebe zwischen den beiden spielt alsbald keinerlei Rolle mehr. Stattdessen verlagert sich der Fokus vollständig auf die erbarmungslose Hatz durch die finstersten Ecken von New York City. Aronofskys Stammkameramann Matthew Libatique („A Star is Born“) gelingt es hervorragend, die Metropole von ihrer dreckigsten Seite zu zeigen, anstatt sich auf die immer gleichen Wahrzeichen in einem typischen „New-York-Film“ zu beschränken. Das New York in „Caught Stealing“ erinnert eher an Gotham als an den strahlenden Big Apple, wie man ihn aus zahlreichen Romantic Comedies kennt. Die Hank an die Fersen gehefteten Schurken in ihren Plänen zu durchschauen, ist derweil gar nicht so leicht. Zumal sich mit der Zeit immer mehr Allianzen mit verschiedenen Beweggründen bilden, die dem Protagonisten jedoch alle auf dieselbe Weise ans Leder wollen. Ganz gleich wie viele Figuren das Skript im Laufe der rasanten 107 Minuten aufs Tableau führt, man kann sich nie sicher sein, ob sie mit dem Filmende als gute oder böse Person im Gedächtnis bleiben werden. „Caught Stealing“ ist auf dieser Ebene absolut unberechenbar.

„Apropos Katze: Die ist ohnehin der heimliche Star in ‚Caught Stealing‘. Das letzte Filmtier mit einer solchen Leinwandpräsenz dürfte am ehesten noch der Hund aus ‚Anatomie eines Falls‘ gewesen sein.“

Dieses Gefühl hat man auch gegenüber Austin Butler, der in der Hauptrolle eine gute Figur macht. Der ansonsten gern auf die Rolle des grüblerisch dreinblickenden Eigenbrötlers besetzte Shootingstar darf in „Caught Stealing“ endlich mal richtig Spaß haben. Seinem Hank drückt man in jeder Hinsicht die Daumen, dass er sich aus den immer absurdere Ausmaße annehmenden Verwicklungen noch irgendwie herauswinden kann. Den klein beigebenden Duckmäuser, der mit all dem überhaupt nichts zu tun haben möchte, nimmt man ihm ebenso ab wie den Mann, zu dem er sich im Laufe des Films entwickelt. Einer, der sich wehren kann, der sich seine Schlagkraft bewusst ist und über Grenzen hinausgeht – und sei es nur, um der Fürsorgepflicht für die Katze seines Kumpels nachzukommen. Apropos Katze: Die ist ohnehin der heimliche Star in „Caught Stealing“. Das letzte Filmtier mit einer solchen Leinwandpräsenz dürfte am ehesten noch der Hund aus „Anatomie eines Falls“ gewesen sein. Und der hat es bekanntlich bis in den Zuschauerraum der Oscarverleihung gebracht.

Detective Roman (Regina King) versucht, gemeinsam mit Hank Antworten zu finden.

Fazit: „Caught Stealing“ ist ein ungewöhnlicher, bewusst leichter angelegter Darren-Aronofsky-Film, der mit seinem Tempo, dem schwarzem Humor und seinem unberechenbaren Figurenensemble eher an Guy Ritchie oder Edgar Wright erinnert. Dennoch bricht sich Aronofskys typische Faszination für Schmerz, Leid sowie Selbstzerstörung immer wieder Bahn und verleiht der Ganovenfarce eine dunkle Tiefe. Gerade dieser Kontrast zwischen cartoonesker Leichtfüßigkeit und brutaler Härte ist es jedoch, der den den Film eigenwillig und ambivalent macht.

„Caught Stealing“ ist ab dem 28. August 2025 in den deutschen Kinos zu sehen.

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