Liebe bringt alles ins Rollen

In seinem Regiedebüt LIEBE BRINGT ALLES INS ROLLEN gibt sich ein unangenehmer Macho als Rollstuhlfahrer aus, um bei seinem Schwarm zu landen. Was nach abgeschmackter Gag-Parade klingt, ist deutlich besser, als man es erwartet. Mehr dazu verrate ich in meiner Kritik.
Der Plot
Jocelyn (Franck Dubosc) ist ein erfolgreicher Geschäftsmann. Er ist eitel, egoistisch und ein notorischer Lügner. Frauen sind für ihn nichts anderes als ständig wechselnde Trophäen. Um sie zu erobern, ist Jocelyn jede Täuschung recht. Seine Gefühle versteckt er hinter einer Fassade aus Oberflächlichkeit und Selbstbetrug. Als er eines Tages der attraktiven Julie (Caroline Anglade) begegnet, nutzt er einen Zufall und lässt sie in dem Glauben, er sitze im Rollstuhl. Vielleicht schafft er es ja über Julies Mitleid in ihr Bett? Anfänglich scheint das zu funktionieren. Bis Julie ihm eines Tages ihre Schwester Florence (Alexandra Lamy) vorstellt, die tatsächlich an den Rollstuhl gefesselt ist…
Kritik
Regisseur, Drehbuchautor, Schauspieler und Comedian Franck Dubosc („Camping“) wollte immer schon als Regisseur arbeiten, traute sich diese Aufgabe aufgrund wenig passender Angebote bislang jedoch nicht zu. Dann inspirierte ihn die Lebensgeschichte seiner eigenen Mutter zu seinem Debüt: Als die aufgrund ihres Alters gehbehinderte Frau einen Rollstuhl erhielt, gewann sie dadurch zwar ein großes Stück Selbstständigkeit zurück, doch Hindernisse wie Treppenstufen vermiesten ihr diese neu gewonnene Freiheit ganz schön. Franck Dubosc wurde durch diese privaten Umstände erstmals mit dem Thema körperliche Behinderung konfrontiert und für den Filmemacher stand fest: Die Inszenierung von „Liebe bringt alles ins Rollen“ sollte seine erste Arbeit auf dem Regiestuhl werden. Dem Endergebnis ist diese besonders emotionale Nähe zur Materie anzumerken. Nachdem die französische Liebeskomödie in der ersten halben Stunde, in der der Rollstuhl nur als Gag-Lieferant zum Einsatz kommt und stattdessen den Macho-Protagonisten in den Fokus rückt, ein Klischee nach dem anderen abhandelt, geht die Geschichte glücklicherweise ganz anders weiter, als man es erwartet. Darüber hinaus gewinnt sie durch viele sympathische Ideen und einige angenehme Überraschungen auch an Wahrhaftigkeit, die verhindert, dass „Liebe bringt alles ins Rollen“ nicht zur abgeschmackten Gag-Parade verkommt.
In Zeiten von #MeToo und Co. wirkt es schon arg befremdlich, dass Franck Dubosc seinen Protagonisten als einen Macho zeichnet, der so ziemlich jeder ihm über den Weg laufenden Frau auf den Hintern starrt und sich sogar nur schwer beherrschen kann, diesen nicht auch noch ohne ihr Einverständnis anzugrabschen. Und nicht nur das: Gleichzeitig macht es sich der Autorenfilmer damit auch unnötig schwer, denn mit diesem Arschloch mitzufiebern, kommt einem in der ersten halben Stunde von „Liebe bringt alles ins Rollen“ überhaupt nicht in den Sinn. Weshalb diesem zwar gut aussehenden, charakterlich aber ganz schön danebenliegenden Endvierziger die Herzen seiner weiblichen Mitmenschen zufliegen, ist einfach nicht zu erklären und die Anziehungskraft des graumelierten Geschäftsmannes ist so erst einmal nur Behauptung. Jocelyn lügt, betrügt, ist nicht einmal besonders charmant und hat selbst für seine ihm treu ergebene Assistentin kein liebes Wort übrig. So ganz ohne durchscheinende Chuzpe werden die ersten dreißig Minuten von „Liebe bringt alles ins Rollen“ zu einer echten Geduldsprobe – mit dem Plan, mithilfe einer körperlichen Behinderung auf Frauenfang zu gehen, als traurigem Höhepunkt, bei dem man den Film schon zu den Akten legen könnte, würde Dubosc nun nicht endlich anfangen, die Stärken seines Films auszuspielen.
Mit der gleichermaßen gutherzigen wie selbstbewussten Julie (Caroline Anglade) erhält Jocelyn zum genau richtigen Zeitpunkt ebenjene Gegenspielerin, die ihm zunächst den Wind aus den Segeln nimmt, um ihn anschließend ganz selbstverständlich auflaufen zu lassen. Die Sache mit dem Mitleid, das sich Jocelyn eigentlich erhoffte, um bei der schönen Pflegekraft zu landen und sie so ins Bett zu bekommen, hat nämlich exakt gegenteilige Auswirkungen: Als Sexualpartner nimmt diese ihn nämlich so gar nicht ernst, was auch daran liegt, dass Jocelyn all sein Stilbewusstsein für den Rollstuhl-Coup über Bord schmeißt. Auf seine unbeholfenen Flirtversuche geht sie schließlich zwar ein, ernsthaft an ihm interessiert ist sie allerdings nicht. Auch ihren Eltern stellt Julie Jocelyn nur vor, um dem vermeintlich an den Rollstuhl gefesselten Mann ein wenig Abwechslung in seinem tristen Alltag ermöglichen. Dass sich Jocelyn hier in die charmante Florence verliebt, die dem nur vordergründig so richtig zufriedenen Jocelyn mit ihrem Charme und Selbstbewusstsein haushoch überlegen ist, wird zum ersten entscheidenden Wendepunkt von „Liebe bringt alles ins Rollen“. Fortan steht nicht mehr im Mittelpunkt, wie Jocelyn versucht, bei Julie zu landen, sondern die aufkeimende Liebelei zwischen ihm und Florence – und das ist dann auch der Moment, in dem aus der platten Klischeeparade vom sukzessive geläuterten Lebemann eine lebensechte Geschichte mit Herz und Verstand wird.
Die von Alexandra Lamy („Vincent“) mit wundervoller Natürlichkeit verkörperte Florence verdreht Jocelyn nicht bloß den Kopf und macht ihn dadurch zum besseren Menschen (ein gängiges RomCom-Klischee, das hier jedoch durch die stilsichere Regieführung und durch authentisches Erzählen hervorragend funktioniert). Dabei nehmen die beiden den jeweils Anderen mit in ihre Welt und kitzeln so Sympathien bei ihrem Gegenüber frei. Hinzu kommt, dass die Chemie zwischen Alexandra Lamy und Franck Dubosc so glaubhaft ist, dass man tatsächlich glauben könnte, hier verlieben sich gerade zwei Menschen ineinander. Auch die wie ein Damokles-Schwert über der Szenerie hängende Lüge in Sachen Behinderung löst der Regisseur angenehm unspektakulär auf und greift sie zwischenzeitlich vor allem auf, um die Probleme von Behinderten in einer nicht immer behindertengerechten Welt wie unserer herauszuarbeiten. In „Liebe bringt alles ins Rollen“ gibt es eine ganze Reihe von Momenten, in denen es sich anbieten würde, die Bombe platzen zu lassen. Doch nach der ärgerlichen ersten halben Stunde nimmt der Film plötzlich immer genau den Weg, den man eben gerade nicht erwartet. Wenn sich ankündigt, dass Jocelyn aus Versehen von einer anderen Person enttarnt wird, tritt das ebenso wenig ein, wie eine naheliegende Unachtsamkeit, oder ein billiger Scherz. Selbst, als es im Finale dann wirklich ans Eingemachte geht, reagieren alle beteiligten Personen ganz anders, als es sich in einer Komödie dieser Art anbieten würde. Was Jocelyn an Reife vermissen lässt, besitzt sein Umfeld nämlich im Überfluss. Sie alle handeln im Anbetracht der Umstände absolut logisch und sorgen mit dafür, dass „Liebe bringt alles ins Rollen“ mit der Zeit zu einer charmant-lebensechten Liebeskomödie wird, die noch nicht einmal dann in Kitsch versinkt, als Florence ihren Jocelyn auf dem Schoß über die Ziellinie beim Marathon fährt.
Fazit: Nach einer anstrengenden, klischebeladenen halben Stunde glaubt man schon gar nicht mehr, dass aus „Liebe bringt alles ins Rollen“ eine charmant-authentische RomCom werden kann, die die Sorgen und Nöte von Behinderten aufgreift und mit einer zuckersüßen Liebesgeschichte kombiniert.
„Liebe bringt alles ins Rollen“ ist ab dem 5. Juli in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.