Eternity
Zwischen cleverem World Building und emotionalem Liebesdreieck entfaltet die Tragikomödie ETERNITY anfangs eine erstaunlich fantasievolle Kraft, die sofort neugierig macht. Doch hinter dem glänzenden Konzept blitzt früh durch, dass nicht jeder mutige Gedanke bis zum Ende getragen wird.
Darum geht’s
Nach dem Tod landen die Seelen der Verstorbenen in einer Art Zwischenwelt — einem riesigen, farbenfrohen Angebot verschiedener Lebensrealitäten, in denen man die Ewigkeit verbringen kann. Einmal das Zeitliche gesegnet, hat man eine Woche Zeit, um zu entscheiden, welchen Ort und mit wem man diese Ewigkeit teilen will. Larry Cutler (Miles Teller) erwacht kurz nach seinem Ableben in der Eingangshalle der Zwischenwelt und versucht, sich mit der Situation anzufreunden. Vor allem will er auf seine Frau Joan (Elizabeth Olsen) warten, um mit ihr die Ewigkeit zu verbringen. Doch Joans Ankunft bringt alles durcheinander. In der Zwischenwelt lebt nämlich auch Joans erste große Liebe Luke (Callum Turner), der einst im Krieg gestorben ist und seit Jahrzehnten sehnsüchtig auf sie gewartet hat. Damit steht Joan vor der schmerzhaften Entscheidung: Soll sie den Rest ihres Todes mit ihrem langjährigen Ehemann Larry verbringen, dem Mann, mit dem sie ihr Leben teilte? Oder mit Luke, ihrer Jugendliebe, der auf eine zweite Chance für ein „Leben“ mit ihr hofft?
Kritik
Der aktuelle wissenschaftliche Konsens darüber, was nach dem Tod passiert, lautet: Keine Ahnung. Belege dafür, dass das Bewusstsein nach dem Tod weiterexistiert, gibt es nicht. Dem jetzigen Kenntnisstand nach endet das bewusste Erleben, wenn das Gehirn dauerhaft aufhört zu arbeiten. Moderne Studien zeigen zwar, dass kurz vor oder unmittelbar nach dem Herzstillstand im Gehirn noch einmal starke Aktivität auftreten kann – möglicherweise eine Erklärung für immer wieder geäußerte Nahtoderfahrungen wie Tunnel, Licht oder Lebensrückblicke. Diese Erlebnisse gelten jedoch als Produkte eines sterbenden Gehirns, nicht als Hinweise auf ein Weiterleben. Ob es darüber hinaus etwas „nach dem Tod“ gibt, liegt außerhalb dessen, was Wissenschaft messen oder bestätigen kann. Und genau deshalb ist dieses Thema für die Popkultur auch so reizvoll. Im Genre („The Sixth Sense“, „Flatliners“) ebenso wie im Mainstream-Kino („Hereafter“). Nicht nur in Filmform, auch in Serie („The Good Place“, „Dead Like Me“). Und sogar Familienfilme haben diese Thematik in „Coco“ und „Soul“ bereits aufgegriffen. Nun erscheint mit „Eternity“ eine weitere Geschichte dieser Gattung in den Lichtspielhäusern. Diesmal im Gewand einer romantischen Tragikomödie, die ihre Stärken sowohl im Zwischenmenschlichen als auch im World Building hat. Nur ihr volles Potenzial, das schöpft der Film auf der Zielgeraden leider nicht aus.
„Eternity“ beginnt auf der Erde, wo sich das Seniorenehepaar Larry und Joan gerade über den Sinn und Unsinn von Gender Reveal Partys streitet. Also jenen Veranstaltungen, in denen das Geschlecht eines bald geborenen Kindes zelebriert wird. Beim werdenden Papa und Enkel angekommen, wohnen wir kurz der zwischenmenschlichen Interaktion innerhalb der Familie bei, doch plötzlich befinden wir uns in einer Art Zwischendimension: dem Übergang vom Leben zum Tod. Denn Larry ist gestorben und wandelt nun in Gestalt seines mittdreißigjährigen Ichs und in Form von Miles Teller („Whiplash“) durch die riesige Empfangshalle, wo er schließlich mit seinem Schicksal konfrontiert wird. Innerhalb von sieben Tagen muss er sich für ein endgültiges Jenseits entscheiden. Das, was ihm dafür zur Verfügung steht, ist ein ganzes Arsenal an Alternativrealitäten, bei deren Gestaltung sich die beiden Autoren David Freyne („Dating Amber“) und Pat Cunnane („Designated Survivor“) so richtig schön austoben konnten. Zwischen so nachvollziehbaren Lebensmöglichkeiten wie einer Strandwelt, einem kleinen Häuschen in den Bergen oder einem Dasein im ewigen Frühling, stehen auch so abwegige Realitäten wie ein Kapitalismusparadies zur Auswahl. Und manche von ihnen – zum Beispiel eine Welt, in der das Trinken von Wein zum Haupt-Lebensinhalt wird – sind mittlerweile gar geschlossen. Das ist halt nicht mehr zeitgemäß.
„Spätestens im Heimkino hat man die Möglichkeit, alle zwei Sekunden das Bild anzuhalten, um den Hintergrund nach seinen zahlreichen cleveren Ideen abzusuchen. Möglicherweise ändert sich bei der Vielfachsichtung aber auch die Einstellung zur eigentlichen Handlung.“
In dieser Hinsicht lädt „Eternity“ ganz automatisch zum mehrmaligen Gucken und Entdecken ein. Spätestens im Heimkino hat man schließlich die Möglichkeit, alle zwei Sekunden das Bild anzuhalten, um den Hintergrund nach seinen zahlreichen cleveren Ideen abzusuchen. Möglicherweise ändert sich bei der Vielfachsichtung aber auch die Einstellung zur eigentlichen Handlung. Hierfür entwerfen die Autoren eine klassischen Dreiecks-Liebesgeschichte: Der kürzlich Verstorbene, der in der Empfangshalle darauf wartet, endlich seine große Liebe Joan wieder in die Arme zu schließen (wofür sie natürlich erstmal das Zeitliche segnen muss). Und schließlich Joans erster Ehemann, der dem Auftauchen seiner einstigen Gattin nicht erst seit ein paar Tagen, sondern schon seit über vierzig Jahren entgegenfiebert. Mit dem Auftauchen von Joan entspinnen sich schließlich zahlreiche Fragen; vor allem in Joans Kopf. Hat sie doch die Möglichkeit, das Leben mit Larry nahtlos – und an einem Ort ihrer Wünsche – weiterzuführen. Noch dazu in der Gestalt jener Lebensphase, in der sie sich einst zu Lebzeiten am glücklichsten fühlte. Oder sie holt die viel zu früh beendete Zeit mit ihrem im Krieg gefallenen, ersten Ehemann nach. Auch wenn sie damit ja eigentlich auch ein Stückweit ein Risiko eingeht. Schließlich haben sich die beiden seit vielen Jahrzehnten nicht mehr gesehen, sind quasi wieder Fremde. „Eternity“ nimmt beim intensiven Abwägen seiner Protagonistin selbst keine direkte Position ein. Die Geschichte beleuchtet beide Seiten ausführlich – bis man schließlich selbst nicht mehr weiß, welcher Paarung man hier eigentlich die Daumen drücken soll.
Aus dieser argumentativen Ausgeglichenheit hätte Autor und Regisseur David Freyne eine feministische Stärke ziehen können. Denn am Ende geht es in „Eternity“ ja vor allem darum, dass Joan für sich die richtige Entscheidung trifft. Was spräche also dagegen, sie ihre finale Unendlichkeit alleine, oder – wie kurz angedeutet – mit einer guten Freundin bestreiten zu lassen? Doch leider wählt Freyne das konventionelle „Happily Ever After“-Happy-End. Auch wenn er sich den Weg dorthin zugegebenermaßen nicht gerade einfach macht. Sowohl Miles Teller als auch Callum Turner („Emma.“) als sein Konkurrent Luke haben ihre anziehend-sympathischen Seiten. Genauso wie jeder von ihnen – der menschlichen Natur entsprechend – auch Facetten an sich hat, mit denen man vielleicht nicht gerade die Unendlichkeit verbringen will. Alles hat eben sein Für und Wider. Dazwischen gelingt es Elizabeth Olsen („The Assessment“) glaubhaft, die innere Zerrissenheit ihrer Figur zu verkörpern. In ihrer Haut möchte man während „Eternity“ jedenfalls nicht stecken. Diese heikle Situation nimmt Freyne auch immer wieder zum Ansatz, um amüsante Spitzen einzustreuen. Häufig gehen diese auf das Konto der zwischen hoffnungsvoll-engagiert und sich ihres Jobs längst überdrüssig fühlend changierenden Da’Vine Joy Randolph („Bride Hard“). Ihre lakonischen Kommentare amüsieren und kommentieren das Geschehen zugleich sehr treffsicher. Aber auch zwischen Teller und Turner entwickeln sich einige fantastische Slapstick-Momente, etwa ein sich ankündigendes, eher hilfloses Handgemenge. Es macht einfach Spaß, diesem illustren (Liebes-)Reigen in einer toll konzipierten Welt zuzuschauen. Auch wenn der finale emotionale Punch aufgrund seiner Mutlosigkeit in Sachen „weibliche Selbstbestimmung“ bedauerlicherweise fehlt.
„Am Ende geht es in ‚Eternity‘ vor allem darum, dass Joan für sich die richtige Entscheidung trifft. Was spräche also dagegen, sie ihre finale Unendlichkeit alleine, oder mit einer guten Freundin bestreiten zu lassen? Doch leider wählt Regisseur und Autor David Freyne das konventionelle ‚Happily Ever After‘-Happy-End.“
Fazit: „Eternity“ überzeugt mit einer originellen Welt, starken Darstellerleistungen und einem reizvollen Spiel mit existenziellen Fragen, doch gerade sein Mut zur Vielfalt macht das konventionelle Ende umso enttäuschender. Zwar bietet der Film humorvolle, visuell einfallsreiche und emotional nachvollziehbare Momente, schöpft aber sein feministisches und erzählerisches Potenzial letztlich nicht aus. Die sorgfältig aufgebaute Ambivalenz der Figuren hätte ein mutigeres, zeitgemäßeres Finale verdient. So bleibt „Eternity“ ein sehenswertes, aber hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibendes Werk.
„Eternity“ ist ab dem 4. Dezember 2025 in den deutschen Kinos zu sehen.


