Blood & Sinners

Ryan Cooglers im wahrsten Sinne des Wortes groß gedachter Vampirhorrorfilm BLOOD & SINNERS kombiniert gigantische IMAX-Bilder mit einer intensiven Allegorie auf das Sklavendasein. Dafür gibt’s viele Lobpreisungen, auch wenn die klassischen Genreelemente eher klassisch ausfallen.

OT: Sinners (USA 2025)

Darum geht’s

Mississippi, Anfang der Dreißigerjahre: Nach mehreren Jahren in Chicago kehren die beiden Brüder Smoke und Stack (beide Michael B. Jordan) zurück in ihre Heimatstadt Clarksdale. Hier wollen sie ihr hart verdientes Geld in eine leere Mühle investieren, um darin eine Bar zu eröffnen. Sie eskortieren zahlreiche Weggefährt:innen, um am Abend der Eröffnung die ganz große Party zu feiern. Doch es kommt anders: In der Gegend treiben Vampire ihr Unwesen, die von der Musik des begnadeten Sammie (Miles Caton) wie magisch angezogen werden. Schon bald belagern Remmick (O’Connell) und seine blutsaugende Gefolgschaft das Juke Joints, mit der Hoffnung, doch endlich über die Türschwelle gebeten zu werden…

Kritik

Das kolportierte Budget für Ryan Cooglers Vampirhorror „Blood & Sinners“ liegt – je nach Quelle – bei 90 bis 100 Millionen US-Dollar. Das klingt erst einmal gar nicht so viel. Erst recht nicht, wenn man einen Blick darauf wirft, mit was für (Un-)Summen der Regisseur für Marvel bereits hantieren durfte: Mehr als das Doppelte verschlang sein „Black Panther“, die Fortsetzung gar nochmal 50 Millionen Dollar mehr. Doch berücksichtigt man die Hintergründe beider respektive aller drei Stoffe, dann sind die Kosten für den im Original nur „Sinners“ betitelten Film anders zu werten. Hinter „Black Panther“ 1 und 2 stand nicht nur ein Comicfilmgigant, sondern auch die riesige Fanbase einer bekannten Heldenfigur sowie ihrer zahlreichen Vorgängerfilme aus dem MCU. Hinter „Blood & Sinners“ steht… nichts. Kein Franchise, keine Vorlage und – seien wir einmal ehrlich – mit Ryan Coogler auch kein Name, für den das gemeine Publikum extra ins Kino rennt. Trotzdem nahm der Verleih ebenjene Summen in die Hand, um den Film zu realisieren. Ein enormer Vertrauensvorschuss! Und die sind in erster Linie in eine ganz und gar grandiose Optik geflossen, die diese unkonventionelle Blutsauger-Story visuell zu ungeahnten Dimensionen verhilft.

Der Eröffnungsabend des Juke Joints wird jäh unterbrochen, als sich die beiden Brüder (Michael B. Jordan) plötzlich mit Vampiren herumschlagen müssen.

Als Inspiration für „Blood & Sinners“ nennt der auch für das Drehbuch verantwortliche Ryan Coogler zwei Filme von Robert Rodriguez: Einmal „The Faculty“ aus dem Jahr 1998 und, noch deutlich nächstliegender, „From Dusk Till Dawn“. Mit letztgenanntem Genrebeitrag gelang den Kreativen einst ein Kunststück, das heute, in Zeiten von Social Media, vermutlich kaum noch zu bewerkstelligen wäre. Angepriesen als klassisches Gangster-Roadmovie, wurde das Publikum im Kino von einem beispiellosen, heutzutage hinlänglich bekannten Twist überrollt. Die von den beiden Hauptfiguren besuchte Bar Titty Twister entpuppt sich als Vampirabsteige – und der Film plötzlich als Horrorschocker. So etwas hat man sich im Vorfeld von „Blood & Sinners“ nicht getraut, obwohl es hier dramaturgisch sehr ähnlich vonstatten geht. Stattdessen ließen bereits die Trailer keinen Zweifel daran, dass die in den Dreißigerjahren spielende Südstaaten-Mär irgendwann zu einem Vampirfilm mutiert. Bis zu diesem Punkt dauert es ähnlich lange wie in „From Dusk till Dawn“ – und als zusehende Person fragt man sich irgendwann schon, ob das Marketing einen möglicherweise andersherum veräppelt hat und es vielleicht gar nicht um etwas Übernatürliches geht. Erst einmal stehen nämlich ganz und gar die beiden Zwillingsbrüder Smoke und Stack im Zentrum. Ihre Rückkehr aus Chicago, zurück in ihre Heimatstadt Clarksdale in Mississippi, steht unter dem Wunsch, hier eine eigene Bar zu eröffnen. Über eine Stunde lang folgen wir den zwei Männern auf Abstechern zu alten Bekannten, in Gemischtwarenläden und in die verlassene Mühle, in der noch am Abend des Kaufes die Eröffnung gefeiert werden soll.

„Auf ihrer Tour durch Mississippi lernen wir derweil nicht nur zahlreiche, später noch wichtige Nebenfiguren kennen, sondern bekommen auch einen eindringlichen Blick auf die dato vorherrschenden Verhältnisse zwischen Schwarz und Weiß präsentiert.“

Der Enthusiasmus der zwei Brüder, die Michael B. Jordon („Creed – Rocky’s Legacy“) in eher geringen Nuancen unterschiedlich verkörpert, ist ansteckend. Doch so ganz traut man den beiden Hauptfiguren nicht über den Weg. Auf frischer Tat ertappte Autodiebe werden schon mal über den Haufen geschossen. Eine Schlange mit bloßer Hand getötet. Und die Sex-Tipps an ihren kleinen Cousin Sammie fallen derart derbe aus, dass man sie heutzutage wohl nur noch im Locker Room von sich geben könnte. Das Herzblut für ihre Pläne scheint dennoch jederzeit durch. Auf ihrer Tour durch Mississippi lernen wir derweil nicht nur zahlreiche, später noch wichtige Nebenfiguren kennen, sondern bekommen auch einen eindringlichen Blick auf die dato vorherrschenden Verhältnisse zwischen Schwarz und Weiß präsentiert, in einer Zeit, in der die Sklaverei gerade erst abgeschafft wurde. Panoramaaufnahmen von (quasi „freien“) Sklavinnen und Sklaven, die in sengender Hitze ihr Dasein auf Baustellen oder Baumwollfeldern fristen, sind allgegenwertig. Kleine Details wie etwa verschiedene Währungen, mit denen die Zwangsarbeiter:innen später in der Bar bezahlen wollen, intensivieren den Eindruck, Coogler habe sich vor der Verwirklichung seines Skripts intensiv mit der Thematik befasst. Auch der von sämtlichen Charakteren an den Tag gelegte Südstaatenslang könnte authentischer nicht sein.

Die charmante Mary (Hailee Steinfeld) lässt sich vom Vampir-Anführer Remmick (Jack O’Connell) um den Finger wickeln.

Den Bruch zwischen der Aufstiegsstory zweier schwarzer (Gangster-)Brüder zu Zeiten des Sklavenhandels und der Vampirgeschichte markiert eine grandiose Plansequenz, kurz nach der Bar-Eröffnung. Wie wir zu Beginn von „Blood & Sinners“ erfahren, soll es solch talentierter Musiker geben, dass es ihnen mit ihrer Musik möglich sei, die Grenze zwischen Leben und Tod zu überwinden – und die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft miteinander zu vereinen. Wie genau das aussieht, bebildert Ryan Coogler kongenial. Wie schwerelos wirbelt die von der „Black Panther“-Cinematografin Autumn Durald Arkapaw geführte Kamera durch die Menschenmenge auf der Tanzfläche, die plötzlich von immer mehr aus der Zeit gefallenen „Gästen“ bevölkert wird. Hier verschmelzen unterschiedliche Tanz- und Musikstile zu einem eigenständigen Beat, die Leinwand wird zur Party, bis die Hütte – im wahrsten Sinne des Wortes – in Flammen aufgeht. In den gigantischen IMAX-Bildern – „Blood & Sinners“ ist nach „Nope“ erst der zweite, im IMAX-Format gedrehte Horrorfilm – sieht all das einfach nur grandios aus; Und ohne erkennbare Computereffekte realisiert. Dafür mit Schützenhilfe von Christopher Nolan und seiner Frau Emma Thomas. Auch die vorwiegend vom Blues inspirierte Musik (Ludwig Göransson, „Oppenheimer“) markiert einen gewichtigen Teil des audiovisuellen Erlebnisses. Auf dieser Ebene ist „Blood & Sinners“ ganz groß gedachtes Multiplex-Kino.

„Wo die inhaltliche Allegorie des Vampirs- auf das Sklavendasein der Geschichte eine ungeahnte – und im wahrsten Sinne des Wortes: bissige – Tiefe verleiht, fällt die Horroraction eher konventionell aus.“

Wenn nach über einer Stunde schließlich die Vampire auf die Leinwand treten, geschieht dies mit größtmöglichem Understatement. Denn wie jeder halbwegs kundige Blutsauger-Fan weiß, müssen die übernatürlichen Wesen erst einmal über die Türschwelle gebeten werden, ehe sie eintreten können. Bis es so weit ist, entspinnt sich auf der Leinwand ein intensives Katz-und-Maus-Spiel, das seinen Reiz aus dieser ganz besonderen Belagerungssituation heraus entwickelt. Denn eigentlich könnten die Brüder und ihre Gäste bis zum Sonnenaufgang sicher sein. Doch die von Remmick (Jack O’Connell, „Back to Black“) angeführte Vampirtruppe wird nicht nur immer größer, sondern ist auch der emotionalen Manipulation mächtig. Insofern wundert es nicht, dass „Blood & Sinners“ zwangsläufig auf das große Massaker hinauslaufen muss, das zudem – insbesondere für einen Film dieser Größenordnung – ziemlich blutig ausfällt. Doch wo die inhaltliche Allegorie des Vampirs- auf das Sklavendasein der Geschichte eine ungeahnte – und im wahrsten Sinne des Wortes: bissige – Tiefe verleiht, fällt die Horroraction eher konventionell aus. Die Bilder bleiben groß, die Atmosphäre dicht. Doch wenn „Blood & Sinners“ auf Horrorebene mit Kreativität punkten kann, dann eher in solchen Momenten wie einer irischen Tanzeinlage, mit der die Vampire die Zeit bis zum Eintritt in die Spelunke totschlagen. Auch Hailee Steinfeld („Bumblebee“) hinterlässt als verführerische Blutsaugerin einen bleibenden Eindruck. Am Ende wird man sich bei „Blood & Sinners“ vor allem daran erinnern, dass es Ryan Coogler gelungen ist, das Genre inhaltlich neu zu denken, ohne der Inszenierung der bekannten Horrormotive allzu viele neue Facetten hinzuzufügen.

Mit seiner Gitarre kann Sammie (Miles Caton) die Grenzen zwischen Leben und Tod sprengen.

Fazit: Der spürbar von „From Dusk Till Dawn“ inspirierte Vampirfilm „Blood & Sinners“ ist eine groß gedachte Allegorie auf das Sklavendasein, die Ryan Coogler in gigantomanischen IMAX-Bildern auf die Leinwand bringt. Auch wenn ausgerechnet der Horrorpart eher klassisch ausfällt, katapultiert das ganze Drumherum den Film in ungeahnte (Story-)Dimensionen.

„Blood & Sinners“ ist ab dem 17. April 2025 in den deutschen Kinos zu sehen.

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