A Big Bolt Beautiful Journey
In Kogonadas modernem Märchen A BIG BOLT BEAUTIFUL JOURNEY begeben sich Margot Robbie und Colin Farrell auf eine ebenso abenteuerliche wie berührende Reise in ihre eigene Vergangenheit. Das weckt Erinnerungen an Leinwandmusicals alter Schule, aber auch moderne Einflüsse sind erkennbar. Vor allem aber ein Gespür für aufrichtigen Kitsch.
Darum geht’s
David (Colin Farrell) und Sarah (Margot Robbie) geraten durch ein rätselhaftes GPS auf eine fantastische Reise, die sie immer wieder in ihre eigene Vergangenheit führt. Hinter geheimnisvollen Türen begegnen sie alten Erinnerungen, verdrängten Gefühlen und ungelösten Konflikten. Während David sich mit unerfüllten Sehnsüchten auseinandersetzen muss, kämpft Sarah mit Schuld und Verlust. Auf ihrem Weg lernen beide, ihre Vergangenheit zu akzeptieren – und entdecken schließlich, dass sie gemeinsam eine neue Zukunft wagen können.
Kritik
Der 24. Juni 2017: Dieser Tag ist der einzige, an dem man hierzulande die Gelegenheit hatte, das Regiedebüt des südkoreanischen Filmemachers Kogonada ganz offiziell (und sogar auf der großen Leinwand) zu entdecken. An diesem Datum lief „Columbus“ nämlich auf dem Filmfest München – und ward daraufhin nie wieder gesehen. Bis heute ist der Film in Deutschland nicht einmal als VoD-Download zu finden, geschweige denn im Abo einer der zahlreichen Streamingdienste. Wer das gefühlvolle Architekturdrama sehen will, muss also VPN-firm sein und „Columbus“ über einen US-amerikanischen Dienst abrufen. Doch vielleicht wird Kogonadas neuester Film „A Big Bolt Beautiful Journey“ ja ein solch großer Hit, dass „Columbus“ nachträglich doch noch seinen Weg nach Deutschland findet. Wie „After Yang“, Kogonadas zweiter Spielfilm, mit dem der Regisseur seine beeindruckende Stilsicherheit zu unterstreichen wusste; inhaltliche Schwächen hin oder her. Und damit wären wir auch schon beim Thema: Das von „The Menu“-Co-Autor Seth Reiss konzipierte Skript zu „A Big Bolt Beautiful Journey“ fand sich einst auf der Black List wieder. Ebenjener Liste, auf der die vielversprechendsten unverfilmten Drehbücher gesammelt werden. Doch die Geschichte selbst ist gar nicht mal das Stärkste an dem Film. Genau genommen ist die sogar relativ simpel, entfaltet ihre Magie allerdings über ihre audiovisuelle Gestaltung und Kogonadas aufrichtige Faszination für echten Leinwandkitsch.

Sarah (Margot Robbie) und David (Colin Farrell) lernen auf der Reise nicht nur viel über sich selbst, sondern auch übereinander.
Bei der Betrachtung von „A Big Bolt Beautiful Journey“ kommen einem gleich mehrere vergleichbare Filme in den Sinn. Da wären zum einen die zahlreichen Anleihen an große Hollywoodmusicals. Nicht umsonst hängt im Jugendzimmer der von Margot Robbie („Barbie“) gespielten Hauptfigur (und Hardcore-Musical-Fan) ein Filmposter von „Singing in the Rain“, was ein weniger subtiler Hinweis darauf ist, was Kogonada unter anderem zu seiner Inszenierung bewegt hat. Doch sein Spiel mit Farben, Räumen oder auch sehr prominent in Szene gesetzten Utensilien wie etwa knallbunten Regenschirmen erinnert unweigerlich auch an Beiträge „Die Regenschirme von Cherbourg“ oder „La La Land“. Wobei letztgenannter wiederum ja selbst von zahlreichen Musicalklassikern inspiriert ist. „A Big Bolt Beautiful Journey“ kommt auch ohne ein klassisches Musical zu sein ganz und gar verspielt daher. Das unterstreicht der zwischen schwungvoll treibend und beruhigend hypnotisch changierende Score. Komponist Joe Hisaishi war unter anderem für die Musikuntermalung solcher Anime-Klassiker wie „Chihiros Reise ins Zauberland“ oder „Ponyo“ verantwortlich. Sein Stil passt auch deshalb so gut zu „A Big Bolt Beautiful Journey“, weil der Film – sowohl von der Machart als auch inhaltlich – hervorragenden Anime-Stoff abgeben würde; Und das nicht bloß, weil mit „Suzume“ ja gerade erst ein solcher ins Kino kam, in dem es ebenfalls um geheimnisvolle Türen ging.
„Neben den ganz offensichtlich fantastischen Elementen wirkt auch alles andere im Film immer leicht entrückt. Von den Dialogen über die Ausgestaltung der Kulissen bis hin zu dem, was David und Sarah auf ihre Odyssee widerfährt.“
Neben diversen Musicals als Inspirationsquelle hat „A Big Bolt Beautiful Journey“ viel von solch träumerischen Filmreisen wie „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“ oder der erst in diesem Jahr erschienene Stephen-King-Verfilmung „The Life of Chuck“. Neben den ganz offensichtlich fantastischen Elementen wie etwa der skurrilen Autovermietung, über die die beiden Hauptfiguren zu ihrer magischen Reise in die Vergangenheit antreten, wirkt auch alles andere im Film immer leicht entrückt. Von den Dialogen über die Ausgestaltung der Kulissen bis hin zu dem, was David und Sarah auf ihre Odyssee widerfährt. In einer Szene sitzen die beiden auf einer Anhöhe und beobachten den Erdball wie aus der Weltraumperspektive – hier greift Kogonada ganz tief in die Symbolkiste und lässt den Realitätsanspruch dafür vollends fallen. Für andere Stationen wiederum bleibt er voll und ganz in der Wirklichkeit verhaftet. Selbst eine Musicalsequenz an Davids alter Schule behält einen betont realistischen Anstrich, da Davids Gesangsperformance im Rahmen einer Schulveranstaltung stattfindet, also auch von allen Umstehenden als gezielte Gesangs- und Tanznummer wahrgenommen wird. So kollidiert in „A Big Bolt Beautiful Journey“ immer wieder die gefühlige Überhöhung mit echter, ergo greifbarer Emotion. Und ein schmerzhaftes Trennungsgespräch wird nicht etwa plötzlich angenehmer, nur weil David diesmal die rationale Sarah mit dabei hat. Immer wieder stellt der Film die Wahrnehmung der beiden Hauptfiguren infrage – und zeigt auf, woher das Phänomen der Verklärung rührt, wie uns vergangene Traumata bis in die Gegenwart beeinflussen und bleibt am Ende doch immer versöhnlich. So etwas wie analytischen Biss findet man in „A Big Bolt Beautiful Journey“ dagegen eher selten. Dafür ist der Film letztlich zu sehr in seiner Märchenhaftigkeit verwurzelt.

Doch werden die beiden am Ende wirklich zueinander finden, obwohl sie doch so unterschiedliche Vorstellungen von der Liebe haben?
Doch „A Big Bolt Beautiful Journey“ ist auch ein Film über die Liebe – oder gibt zumindest vor, das zu sein. Für eine klassische Hollywoodromanze ist die Chemie zwischen Sarah und David von Anfang an zu wankelmütig. Oder direkter: Dass wir hier einer großen Liebe beim sich Entwickeln und Wachsen zuschauen, kommt nie so recht durch. Margot Robbie und Colin Farrell („The Batman“) legen ihre Figuren gar derart eigenbrötlerisch an, dass es der Geschichte tatsächlich gutgetan hätte, auf der Zielgeraden einen bittersüßen Ton anzuschlagen wie einst Damien Chazelles „La La Land“. Es wirkt ein wenig forciert, wie das hier im Zentrum stehende Reisepärchen wider Willen nach und nach Gefühle füreinander entdeckt, wo der Film doch eigentlich ganz gut darin ist, gerade die unterschiedlichen Beziehungsansichten der beiden so gut zur Geltung zu bringen. Am Ende von „A Big Bolt Beautiful Journey“ hat man jedenfalls kaum das Gefühl, dass David und Sarah noch lange nach dem Rollen des Abspannes ein Paar sein könnten. Doch auch das zahlt darauf ein, was Kogonada hier macht: Er erzählt eine Geschichte über die Versöhnung mit sich selbst und der eigenen Vergangenheit. Am Ende könnte sich jede der Figuren selbst genug sein, doch zu einem modernen Märchen gehört vielleicht auch die Erkenntnis, dass man zusammen stärker ist als alleine. Das ist – wie auch sonst so vieles im Film – keine tiefschürfende Einsicht. Vieles in „A Big Bolt Beautiful Journey“ ist mitunter so direkt formuliert, dass es den poetischen Ansätzen der Geschichte im Wege steht. Trotzdem hat man am Ende eine äußerst gute Zeit – eine gewisse Toleranz für kitschig-verspieltes Kino vorausgesetzt. Und die Hoffnung, dass auch das eigene Leben ein Happy End haben könnte.
„Am Ende des Films hat man jedenfalls kaum das Gefühl, dass David und Sarah noch lange nach dem Rollen des Abspannes ein Paar sein könnten. Doch auch das zahlt darauf ein, was Kogonada hier macht: Er erzählt eine Geschichte über die Versöhnung mit sich selbst und der eigenen Vergangenheit.“
Fazit: A Big Bolt Beautiful Journey ist weniger wegen seiner Handlung als vielmehr durch seine visuelle Poesie, seine märchenhafte Leichtigkeit und den kunstvollen Umgang mit Farben, Musik und Symbolen bemerkenswert. Der Film pendelt bewusst zwischen Realität und Überhöhung, zwischen Emotion und Kitsch – und entfaltet genau darin seinen besonderen Zauber. Auch wenn die Liebesgeschichte nicht restlos überzeugt und inhaltlich manches eher schlicht bleibt, gelingt es Kogonada, eine träumerische Kinoerfahrung zu schaffen, die das Publikum emotional mitnimmt.
„A Big Bolt Beautiful Journey“ ist ab dem 2. Oktober 2025 in den deutschen Kinos zu sehen.
