From the World of John Wick: Ballerina
Mit über einem Jahr Verzögerung erweist sich das JOHN WICK-Spin-Off BALLERINA trotz schwieriger Produktionshistorie als würdiger Eintrag in das beliebte Actionfranchise. Gewohnt stilvoll gibt sich Hauptdarstellerin Ana de Armas darin brutalen Gefechten und Nahkämpfen hin. Auch alte Bekannte sind mit von der Partie.
Darum geht’s
Die junge Balletttänzerin Eve Macarro (Ana de Armas) muss als kleines Mädchen den gewaltsamen Tod ihres Vaters mit ansehen. Sie findet Zuflucht bei der geheimnisvollen Organisation der Ruska Roma unter der Leitung der resoluten Direktorin (Anjelica Huston). Hier werden junge Waisenmädchen zu knallharten Kämpferinnen ausgebildet. Für Eve die perfekte Möglichkeit, um sich auf ihre grausame Rache vorzubereiten. Als sie eines Tages während eines Auftrags Hinweise auf die Mörder ihres Vaters entdeckt, sagt sich Eve von den Ruska Roma los und hinterlässt im Alleingang eine Schneise der Verwüstung, die sie bis in ein abgeschiedenes, verschneites Bergdorf führt, wo man offenbar schon auf sie gewartet hat…
Kritik
Die Produktionsgeschichte des ersten „John Wick“-Spin-Offs „Ballerina“ verlief, gelinde gesagt, turbulent. Nachdem Len Wiseman („Total Recall“) 2019 für die Regie und Ana de Armas („Eden“) 2022 für die Hauptrolle bestätigt wurden, begannen die Dreharbeiten im November desselben Jahres. Schon im darauffolgenden Februar befand sich der Film in der Postproduktion, mit einem anvisierten Starttermin für Juni 2024. Doch im Oktober 2023 mehrten sich Insider-Gerüchte, der Film würde dato nicht den Ansprüchen des Studios genügen, weshalb der Release um ein ganzes Jahr nach hinten verschoben wurde. Nachdem erste Testvorführungen offenbar vernichtend ausgefallen waren, musste sich „Ballerina“ unter der Leitung von „John Wick“-Mastermind Chad Stahelski umfangreichen Nachdrehs unterziehen, an denen Wiseman selbst offenbar nicht mehr beteiligt war. War zunächst „nur“ von zusätzlichen Actionszenen die Rede, wurde später bekannt, dass weitere Szenen ersetzt oder komplett gestrichen, neue Figuren eingeführt und ein komplett neuer Score der gestandenen „John Wick“-Komponisten Tyler Bates und Joel J. Richard komponiert wurden. Das Ergebnis: Der zweite Anlauf an Testscreenings im Oktober 2024 fiel endlich positiv aus. Zwar dementierte Wiseman selbst die Nachdrehs, doch sowohl das Studio als auch Schauspieler wie Ian McShane widersprachen ihm öffentlich. Ein wahrlich schwieriger Nährboden für einen Film, der zu einem der beliebtesten, modernen Actionfranchises gehört.
Die am Ende alles entscheidende Frage ist aber doch die: Merkt man dem fertigen Produkt seine ruckelige Entstehungsgeschichte an? Und diese lässt sich ganz simpel mit „Nein!“ beantworten, denn ganz egal ob es nun Len Wisemans oder Chad Stahelskis Verdienst ist, „Ballerina“ ist durch und durch ein Film geworden, für den sich das „John Wick“-Universum nicht zu schämen braucht. Der im Deutschen verliehene Zusatztitel „From the World of John Wick“ macht daher nicht nur für die Einordnung eventuell unwissender Zuschauer:innen Sinn, sondern gibt auch die Tonalität und den Stil des Films wider. Dass die „John Wick“-Filme und „Ballerina“ in puncto Handschrift aber auch Hand in Hand gehen müssen, wird deutlich, als erstmals Szenen aus früheren Franchise-Beiträgen zitiert, diesmal allerdings aus einer anderen Perspektive erzählt werden. Das hätte leicht ins Auge gehen, sich billig und unbeholfen anfühlen können. In „Ballerina“ tut es das nicht, im Gegenteil. Fast möchte man meinen, am Set von „John Wick: Kapitel 3“ direkt seien jene Szenen entstanden, die hier für das erste Aufeinandertreffen zwischen der Titelheldin und John Wick eine Rolle spielen. Damit sei auch die (ohnehin von diversen Trailern vorweggenommene) Frage beantwortet, ob das Publikum mit einem Auftritt von Keanu Reeves rechnen kann.
„Wenn sich Eve mit einem Flammenwerfer (!) durch ein von Gegnern verseuchtes, österreichisches Bergdorf kämpft, wird es auch im Kinosaal plötzlich ganz heiß. Es kam lange nicht mehr vor, aber der Ausruf ‚Sowas habt ihr noch nie gesehen!‘ hat hier durchaus seine Daseinsberechtigung.“
„Ballerina“ ist zwar ausdrücklich kein reiner „John Wick“-Film, das Stelldichein des gebrochenen Actionhelden fällt hier allerdings doch um Einiges umfangreicher aus, als man es zunächst gedacht hätte. Im ersten Drittel wird seine Existenz etabliert und die Geschehnisse in „Ballerina“ zwischen „John Wick 3“ und „John Wick 4“ verortet. Im finalen Drittel kommt Wick schließlich auch körperlich zum Einsatz, wenngleich er die Hauptbühne ganz Ana de Armas überlässt. Die teilt als Eve mächtig aus und steht ihren zahlreichen männlichen Genrekollegen in Nichts nach. Auch wenn man sich bei ihren und den Trainingsmethoden ihrer Mitstreiterinnen hin und wieder fragt, weshalb doch immer wieder daran appelliert wird, die Vorzüge der Weiblichkeit in den Kampfstil miteinzubeziehen. Am Ende wird doch wieder vor allem (und gewohnt brutal!) geprügelt, geschlitzt und sich mit allerhand zweckentfremdeten Utensilien durch die Gegner gekämpft. Eines davon markiert nicht nur den Höhepunkt von „Ballerina“, sondern gehört auch zu den Highlights der gesamten Reihe: Wenn sich Eve mit einem Flammenwerfer (!) durch ein von Gegnern verseuchtes, österreichisches Bergdorf kämpft, wird es auch im Kinosaal plötzlich ganz heiß. Es kam lange nicht mehr vor, aber der Ausruf „Sowas habt ihr noch nie gesehen!“ hat hier durchaus seine Daseinsberechtigung.

Im Continental-Hotel wird Eve bereits von zwei alten Bekannten erwartet: Chambon (Lance Reddick) und Winston (Ian McShane).
Auch abseits davon punktet „Ballerina“ mit zahlreichen spannenden Actionsetpieces. Der schon an „John Wick: Kapitel 4“ beteiligte Drehbuchautor Shay Hatten fügt der „John-Wick-Unterwelt“ vielleicht nicht unbedingt neue Facetten hinzu, denkt die Ausmaße seines Filmuniversums aber immer noch weiter. Nach „Ballerina“ glaubt man sofort, dass es wirklich in jedem Land (mindestens) ein Continental-Hotel geben muss. Eines stylischer als das andere. Apropos Style: Ganz gleich, ob Len Wiseman nun die Visualität eines Chad Stahelski kongenial kopiert hat, oder Stahelski selbst maßgeblich an der Optik von „Ballerina“ beteiligt war: Mit seinen starken Kontrasten, den allgegenwärtigen Neon-Farben und den rasanten, nie unübersichtlichen Kamerafahrten fügt sich das Spin-Off ebenfalls hervorragend in den bisherigen Kanon ein. Vermutlich dürfte man mit einem durch den Tod von Ehefrau und Hundewelpe gebeutelten Helden – erst recht, wenn er von Keanu Reeves gespielt wird – immer noch ein wenig mehr mitfühlen als mit einer Frau, die als Kind „nur“ den Tod ihres Vaters mitansehen musste. Leider versäumt es das Skript zudem, Eve noch ein wenig mehr Hintergrund zu verpassen. Ein im finalen Drittel aus dem Hut gezauberter Twist ob ihres familiären Hintergrunds verpufft daher auch im Nichts. Doch eigentlich waren an den „John Wick“-Filmen ja immer die Mythologie und die Welt spannender als die darin agierenden Figuren.
„Mit seinen starken Kontrasten, den allgegenwärtigen Neon-Farben und den rasanten, nie unübersichtlichen Kamerafahrten fügt sich das Spin-Off ebenfalls hervorragend in den bisherigen Kanon ein.“
Eine davon ist in „Ballerina“ das letzte Mal auf der großen Leinwand zu sehen – und veranschaulicht noch einmal, mit was für einer zeitlichen Verzögerung der Filmrelease nun daherkommt. So ist der bereits 2023 verstorbene Lance Reddick hier ein aller letztes Mal in seiner Rolle des höflichen Concierges Charon zu sehen und erinnert uns mit seinem kurzen Auftritt noch einmal daran, dass er in weiteren Filmen der Reihe schmerzlich vermisst werden wird. Iain McShane („Hellboy“) und Anjelica Huston („The French Dispatch“) geben sich ebenfalls in kurzen Auftritten die Ehre. Auch ihren gewohnt soliden, sich voll und ganz im „John-Wick-Modus“ befindenden Performances ist es zu verdanken, dass sich „Ballerina“ so gut in die bisherige Reihe einfügt. Es wird spannend sein, ob Ana de Armas von den Fans des Franchises ebenso herzlich empfangen wird, wie einst Keanu Reeves.
Fazit: „Ballerina“ trägt seinen Beititel „From the World of John Wick“ nicht umsonst. Sowohl in Sachen Style als auch in Puncto Härte steht das Spin-Off mit Ana de Armas ihren großen Vorbildern in (fast) nichts nach und ergänzt das beliebte Actionfranchise um einen weiteren spannenden und durch und durch unterhaltsamen Eintrag.
„From the World of John Wick: Ballerina“ ist ab dem 5. Juni 2025 in den deutschen Kinos zu sehen.


