Captain America: Brave New World
Mit CAPTAIN AMERICA: BRAVE NEW WORLD bläst das Marvel Cinematic Universe zur großen Content-Offensive 2025. Innerhalb eines halben Jahres sollen gleich drei Filme der strauchelnden Comicfilmwelt wieder auf die Beine helfen. Ob dieser erste Kandidat dafür sorgen kann, dass man sich auch auf die anderen beiden freuen wird?
Darum geht’s
Sam Wilson (Anthony Mackie) sieht sich nicht nur mit der Aufgabe konfrontiert, eines neues Avengers-Team aufzustellen. Er ist zudem immer noch dabei, sich in seine neue Rolle als Captain-America-Nachfolger hineinzufinden. Da durchbricht ein Attentat auf den US-Präsidenten Thaddeus Ross (Harrison Ford) seine Grübelei jäh, denn im Zentrum der Ermittlungen steht plötzlich ein alter Freund. Nun liegt es an Sam, die wahren Hintergründe eines großen politischen Komplotts aufzudecken, dessen Strippen alte und neue Feinde ziehen…
Kritik
Nachdem das Marvel Cinematic Universe im vergangenen Jahr pausierte – lediglich „Deadpool & Wolverine“ ließ der Comicriese 2024 über die Leinwände flimmern – ballert das Franchise fortan wieder aus allen Rohren. Und das in einem beeindruckenden Veröffentlichungstakt: Nach „Captain America: Brave New World“ als Auftakt folgt im Mai bereits das Superheldenstelldichein „Thunderbolts“, eh Marvel den filmischen Dreiklang Ende Juli mit „Fantastic Four“ abschließt. Welche dieser drei Produktionen bei den Fans auf den größten Anklang stoßen wird, steht aktuell noch in den Sternen. Fest steht aber, dass „Captain America 4“ zweifelsohne die wichtigste von ihnen darstellt. Denn wie es Presse- und Fanstimmen in den vergangenen Monaten haben durchklingen lassen, herrscht derzeit eine Marvel-Müdigkeit vor, die der neue Cap nun aufbrechen und Lust auf neue MCU-Abenteuer machen könnte. Diese große Verantwortung ist „Brave New World“ jederzeit anzumerken. An vielen Stellen scheint ein nahezu ehrfürchtiger Respekt vor der Aufgabe durch, an Altbewährtes anzuknüpfen und neue Impulse zu setzen, um den Fans auf der einen Seite das zu geben, was sie wollen und auf der anderen Seite (mindestens) ein neues Kapitel aufzuschlagen. Das bremst aus und verhindert vor allem Letzteres.

Sam Wilson alias Captain America (Anthony Mackie) genießt das Ansehen des amtierenden US-Präsidenten Thaddeus Ross (Harrison Ford).
In der ersten längeren Sequenz von „Captain America: Brave New World“ bekommen wir Sam Wilson alias Captain America in voller Aktion zu sehen. Dabei fällt einem als Erstes seine Kostümierung ins Auge: Eine Mischung aus Wilsons altem, mittlerweile deutlich modernisierten Falcon-Anzug und Captain Americas Schild. Schon in der Serie „The Falcon and the Winter Soldier“ bekam man ein Gespür für Wilsons inneren Zwiespalt und die Ehrfurcht vor dem ihm auferlegten Erbe. Ein Rückbesinnen auf seine alte Position war da immer der deutlich bequemere Weg. Seine Suche nach sich selbst respektive seinem neuen Platz im Superheldenuniversum ist auch in „Brave New World“ noch lange nicht abgeschlossen. Dank der gleichermaßen charismatischen wie nachdenklichen Performance von Anthony Mackie („The Woman in the Window“) hebt das „den neuen Cap“ stark von Chris Evans‘ Darstellung ab und verhilft ihm zu einer eigenen Identität. Auch wenn das Skript des fünfköpfigen (!!) Autorenteams dem in „Falcon and the Winter Soldier“ geformten Charakter erst einmal nicht viel Neues hinzuzufügen hat. Der Falcon-Cap-Hybrid-Anzug steht derweil auch für eine gewisse Form der Beliebigkeit: Dieser neue Captain America kann plötzlich irgendwie alles. Auch die Actionszenen stechen nicht durch einen besonderen Stil hervor. So fragt man sich während des Films immer mal wieder, was genau diesen Captain America – gerade als Kämpfer – eigentlich zu Captain America macht. Eine Frage, die auch der Film selbst sich jederzeit zu stellen und doch keine Antwort darauf zu finden scheint.
„Die kühle Inszenierung, die getragenen Dialoge und die permanente Anspannung ob einer lange Zeit im Unklaren bleibenden Bedrohung erinnern an den begrüßenswerten Politthriller-Ansatz eines ‚The Return of the First Avenger‘, mit Anleihen an Filme wie ‚Die drei Tage des Condor‘.“
„Captain America: Brave New World“ macht viele Fässer auf. Sowohl inhaltlicher als auch tonaler Natur. Regisseur Julius Onah („The Cloverfield Paradox“) stemmt augenscheinlich gleich mehrere Filme auf einmal, schafft es aber nicht, sie zu einer großen Einheit zusammenzuführen. Am meisten überzeugt der Plot rund um den eigentlichen Konflikt, in dessen Zentrum Präsident Thaddeus Ross steht. Die kühle Inszenierung, die getragenen Dialoge und die permanente Anspannung ob einer lange Zeit im Unklaren bleibenden Bedrohung erinnern an den begrüßenswerten Politthriller-Ansatz eines „The Return of the First Avenger“, mit Anleihen an Filme wie „Die drei Tage des Condor“. Harrison Ford („Indiana Jones und das Rad des Schicksals“) mimt, als Nachfolger des verstorbenen William Hurt, das Polit-Oberhaupt mit stoischer Miene im Wahren um seine Autorität, während er versucht, nach Außen Sicherheit und Kontrolle über die Ereignisse zu vermitteln. Als Red Hulk – der, für Fans enttäuschend, erst ganz zum Schluss eine kurze Rolle spielt – wirkt er dagegen noch etwas unbeholfen. Ganz so, als müsse er sich als gestandener Schauspieler erst daran gewöhnen, eine monströse Kreatur im Motion-Capture-Verfahren darzustellen. Mit dem Red Hulk bringt „Brave New World“ eine von gleich mehreren neuen, für die MCU-Zukunft sicher noch wichtigen Figuren aufs Parkett. Der in der zweiten Hälfte enttarnte Schurke, dessen Identität aus Spoilergründen nicht verraten werden soll, offenbart – gerade als Fanliebling – Potenzial. Dank ihm besitzt der eigentlich relativ kleine Konflikt, der ausnahmsweise mal nicht auf weltweite Zerstörung oder auf die Erde herabfallende Städte setzt, immer noch genügend Wumms, um als Bedrohung zu funktionieren.
Neben dem typischen Gut-gegen-Böse-Kampf geht es in „Captain America: Brave New World“ vor allem um das In Stellung Bringen späterer Figuren. Das Zusammenspiel zwischen Anthony Mackie und Danny Ramirez („Assassination Nation“) als Captain America und zukünftiger Falcon besitzt gewisse komödiantische Anleihen, dank derer man zu Ramirez‘ Joaquin Torres leicht Zugang findet. Darüber hinaus bleibt Ramirez in seiner Performance blass und muss sich seinen Platz als zukünftiges Avengers-Mitglied erst noch verdienen. Generell sind die Avengers einmal mehr allgegenwertig. Nicht nur soll Sam Wilson die Superheldentruppe wieder zusammentrommeln. „Brave New World“ greift darüber hinaus mehrere lose Handlungsfäden früherer Filme („Der unglaubliche Hulk“, „Eternals“) auf, was allerdings primär wie eine Verlegenheitslösung wirkt, um die erzählerischen Dimensionen des MCU noch einmal zu betonen. Und es füllt erzählerische Längen aus, die „Brave New World“ zweifelsohne hat – und das bei einer, für MCU-Verhältnisse, so übersichtlichen Laufzeit von nicht einmal zwei Stunden. Beim Rhythmus des Films orientiert sich Julius Onah sehr deutlich an der typischen Marvel-Formel, fährt den Humor allerdings weitestgehend herunter. „Captain America 4“ gehört definitiv zu den ernsteren Einträgen ins Marvel Cinematic Universe.
„Die Avengers sind einmal mehr allgegenwertig. Nicht nur soll Sam Wilson die Superheldentruppe wieder zusammentrommeln. ‚Brave New World‘ greift darüber hinaus mehrere lose Handlungsfäden früherer Filme auf, was allerdings primär wie eine Verlegenheitslösung wirkt.“
Diesen Eindruck bestärken auch die zahlreichen, sehr rau inszenierten Actionsequenzen. Sie sind auf das Wesentliche konzentriert, kommen ohne inszenatorischen Schnickschnack aus, haben dadurch aber auch kaum Wiedererkennungswert. Vor allem wenn wieder einmal der überdeutliche Einsatz von Greenscreen durchschimmert, verliert die Szenerie ihre Bedrohung – mit einem Schlussfight vor der Kulisse einer von Kirschblütenbäumen gesäumten Straße als unansehnliches Lowlight. Anstatt von derart miesen Trickeffekten hätte man von Carl Lumbly als Isaiah Bradley dagegen gerne mehr gesehen. Nicht nur, weil seine Chemie mit Anthony Mackie so gut ist. Seine Figur ist auch die mit Abstand spannendste in „Brave New World“. Sein Schicksal reißt mit, Lumblys Performance überzeugt und er verhilft dem Film zur dringend notwendigen Gravitas, für die alles um ihn herum nur bedingt sorgen kann. Schade, dass ausgerechnet er handlungsbedingt nur so wenig zu tun bekommt.
Fazit: Für den Film, der das MCU nach einem Jahr Pause wieder in die Spur bringen soll, hat „Captain America: Brave New World“ überraschend wenig Wiedererkennungswert. Vermutlich deshalb, weil der Film von Anfang bis Ende so verzweifelt nach einer Identität sucht, wie Sam Wilson nach seiner Bestimmung. Jedes einzelne Handlungselement hat zwar seine Vorzüge, aber zu einer großen Einheit wird das alles nicht. Dafür beweist sich Anthony Mackie mit Charme und Selbstbewusstsein als „neuer Captain America“.
„Captain America: Brave New World“ ist ab dem 13. Februar 2025 in den deutschen Kinos zu sehen.


