Konklave
Nach dem Schützengraben kommt die KONKLAVE: „Im Westen nichts Neues“-Regisseur Edward Berger blickt in seinem neuesten Film hinter die Kulissen einer fiktionalisierten Papstwahl und kombiniert dieses altehrwürdige Setting mit soapesken Ränkespielen, die den unkonventionellen Thriller zu einem der spannendsten Filme des Jahres machen.
Darum geht’s
Nach dem Tod des Papstes muss dessen Position schnellstmöglich neu besetzt werden. Zur sogenannten Konklave kommen Geistliche aus aller Welt im Vatikan zusammen, um sich dem langwierigen Wahlprozess auszusetzen. Jeder kann sich aufstellen – aber erst mit einer Zweidrittelmehrheit hat man die Wahl für sich entschieden. Einer von ihnen ist Kardinal Lawrence (Ralph Fiennes), der zwar gute Aussichten auf den Papstposten hat, hinter den Kulissen jedoch miterlebt, dass längst nicht jeder das ist, was er vorgibt zu sein. Gemeinsam mit seinem Freund und Kollegen Kardinal Bellini (Stanley Tucci) verfolgt er nicht nur seine extrovertierten Gegner auf Stimmenfang, sondern stellt obendrein Nachforschungen an, die manch einen Anwärter zu Fall bringen könnten…
Kritik
Vom „Die Limo“-Werbespot über deutsche TV-Produktionen wie „Mutter muss weg“ hin zum vierfach oscarprämierten Kriegsepos „Im Westen nichts Neues“: Der Erfolgsweg von Regisseur Edward Berger ist beispiellos. Und mit dem Durchmarsch bei den Academy Awards im vergangenen Jahr dürften dem gebürtigen Wolfsburger in Hollywood auch so ziemlich alle Türen (und Streamingdienste) offen gestanden haben. Das macht sich in erster Linie bei der Besetzung seines neuesten Films „Konklave“ bemerkbar. Hier spielen solch große Namen wie Ralph Fiennes („The Menu“), Stanley Tucci („The King’s Man – The Beginning“), John Lithgow („Daddy’s Home 2“) und Isabella Rossellini („Cat Person“) in den Haupt- und Nebenrollen auf – und zwar genauso groß, wie es ihre Namen vermuten lassen. Nach dem bild- und soundgewaltigen „Im Westen nichts Neues“ setzt Berger für seinen Folgefilm nicht etwa einen drauf, sondern erweckt fast den Eindruck, mit „Konklave“ unbedingt beweisen zu wollen, dass er nicht nur das große, sondern auch das kleine Drama beherrscht. Sein Film – übrigens trotz des deutlich beschränkteren Settings nicht weniger visuell berauschend – handelt von einem streng bürokratischen Akt: der Papstwahl. Doch wie zum Teufel soll sich hieraus ein mitreißendes Stück Kino entwickeln?
Die Antwort lautet: Indem ihm das Drehbuchautorenduo aus Peter Straughan („Der Distelfink“) und Robert Harris („Der Spion“) ein Skript zur Hand gibt, in dem dem altehrwürdig-opulenten Setting ebenjener Papstwahl eine soapeske Dramaturgie gegenüberstellt wird. Zwar hangelt sich Berger am in regelmäßigen Abständen gezeigten Wahlverfahren entlang, das die sich stets im Wandel befindlichen Gesinnungen der einzelnen Wähler widerspiegelt. Doch viel interessanter ist alles, was sich um dieses per se staubtrockene Wahlverfahren herum abspielt. Und hier geht „Konklave“ in die Vollen. Aus der Perspektive des angesehenen Kardinals Lawrence erleben wir all die großen und kleinen Einflüsse, die ihren Anteil am Wahlausgang haben. Eine Banalität wie ein falsches Wort zur falschen Zeit kann da ebenso seine Auswirkungen auf die nächste gegebene Stimme haben, wie ein waschechter Skandal. Und aufgrund der schieren Menge an unvorhersehbaren Vorkommnissen, die während der sich über mehrere Tage hinter verschlossenen Türen abspielenden Prozedur zutage treten, hat man immer wieder den Eindruck, hier eher einer Seifenoper denn einer getragenen Studie des Katholizismus beizuwohnen.
„Aufgrund der schieren Menge an unvorhersehbaren Vorkommnissen, die während der sich über mehrere Tage hinter verschlossenen Türen abspielenden Prozedur zutage treten, hat man immer wieder den Eindruck, hier eher einer Seifenoper denn einer getragenen Studie des Katholizismus beizuwohnen.“
Doch was dadurch auf den ersten Blick nach Oberflächlichkeit und Banalitäten klingt, erweist sich im Kern als der Reiz an „Konklave“. Denn auch wenn der Film vor allem über seine großen dramaturgischen Ausschläge nach oben und unten funktioniert, ist das hier Gezeigte doch auch ein stimmiger Kommentar auf die Bigotterie des Glaubens. Nicht etwa, weil „Konklave“ die hinlänglich bekannten Kontroversen innerhalb der (katholischen) Kirche mit all ihren Widersprüchen sowie veralteten Wertevorstellungen wiederkäut – das haben schon genügend andere Filme getan. Viel interessanter und auch nahbarer gehen die Macher:innen hier vor, indem sie dem kirchlichen Stellenwert der Papstanwärter nur in Nebensätzen Beachtung schenken und sie ansonsten zu letztlich austauschbaren Darstellern machen. In „Konklave“ werden aus den Predigern von Macht besessene Menschen, die jedoch vor allem darauf angewiesen sind, was ihre Mitstreiter von ihnen halten. Hier steht jeder zur Wahl – aber jeder muss auch seine Stimme abgeben. Das macht nicht nur das Wahlverfahren so interessant, weil sich ja theoretisch jeder selbst wählen könnte (die Entscheidung fällt aber erst ab einer Zweidrittel-Mehrheit). Jeder von ihnen geht auf Stimmenfang, biedert sich an und nutzt jedes noch so kleine Versäumnis der Konkurrenz, um stattdessen für sich Werbung zu machen.

…für die sich Kardinal Lawrence (Ralph Fiennes) und Kardinal Bellini (Stanley Tucci) zur Wahl stellen.
Diese Ränkespiele allein wären schon interessant. Doch anstatt Kleinigkeiten wie unterschiedliche Ansichten zur Auslegung des Katholizismus oder Bestechungsgerüchte zum Zünglein an der Waage zu machen, fährt Edward Berger hier ganz groß auf. Der soapeske Anstrich wird mit der Zeit immer dichter (und durchaus plakativ davon begleitet, dass sich vor den verschlossenen Toren der Kapelle Terroristen mit Bomben in Stellung bringen). Etwa wenn die durchaus absurde Hintergrundgeschichte eines der Papstanwärter im letzten Drittel enthüllt wird, was den Wahlausgang in einem völlig neuen Licht darstellt. Spätestens wenn Kardinal Lawrence im wahrsten Sinne des Wortes das Siegel bricht und ins Schlafgemach des verstorbenen Papstes „einbricht“, um nach Beweisen für die Unwählbarkeit eines der Anwärter zu suchen, begreift man „Konklave“ nicht als die trockene Abbildung der titelgebenden Konklave, sondern als unterhaltsame Veranschaulichung dessen was passiert, wenn sich ein Haufen Männer einander anbiedert, um an einen hohen beruflichen Posten zu gelangen. Dafür müsste gar nicht zwingend eine Papstwahl den Hintergrund bilden – aber eine Vorstandsitzung in einer x-beliebigen Firma böte nun mal nicht halb so viel Potenzial für Exzentrik und das ganz große Drama…
„Die Ränkespiele allein wären schon interessant. Doch anstatt Kleinigkeiten wie unterschiedliche Ansichten zur Auslegung des Katholizismus oder Bestechungsgerüchte zum Zünglein an der Waage zu machen, fährt Edward Berger hier ganz groß auf.“
… das Edward Berger obendrein wieder einmal ganz hervorragend bebildert. Die riesigen Säle und endlosen Gänge der Kapelle betonen den altehrwürdigen Anstrich des Settings, das Kameramann Stéphane Fontaine hier auf den Spuren von Roger Deakins einfängt. Dass Fontaine unter anderem auch für die Kinematografie von „Jackie“ verantwortlich zeichnete, passt wie die Faust aufs Auge. Im Zusammenspiel mit dem simplen, eine stete Unruhe in den Film bringenden Score (Volker Bertelmann, „Im Westen nichts Neues“) wird aus „Konklave“ ein waschechter Thriller, dessen kontinuierlich ansteigende Spannungen sich in zwei Szenen entladen. Die eine führt die Bedrohung von außerhalb der Mauern sowie die dichte Atmosphäre innerhalb der Kapelle kongenial zusammen. Bei der anderen handelt es sich um einen Monolog, den eine der sich als sukzessive immer wichtiger herausstellenden Figuren voller Inbrunst vorträgt und damit die Quintessenz der Wahl sowie des Films hervorragend zusammenfasst. Auch wenn dieser Moment – wie so viele andere – nicht gerade von Subtilität geprägt ist, ist doch jeder Satz hier so punktgenau formuliert, wie das Spiel des Ensembles ebenfalls auf den Punkt ist. Wenngleich Ralph Fiennes und Stanley Tucci noch die größten Rollen einnehmen, drängen sich die beiden nie in den Vordergrund und bereiten einer langsamen Verschiebung der priorisierten Darsteller den Weg. Und vielleicht wartet auf einen von ihnen ja aus genau diesem Grund auch die nächste Oscar-Nominierung.
Fazit: Große Gesten, die eine Papstwahl zu einem hochspannenden Thriller machen: Mit „Konklave“ beweist Regisseur Edward Berger, dass er nach „Im Westen nichts Neues“ nicht nur das bildgewaltige Epos beherrscht, sondern auch intime Ränkespiele, für die die Verantwortlichen jedoch nicht minder opulent auffahren.
„Konklave“ ist ab dem 21. November 2024 in den deutschen Kinos zu sehen.


