Die Rosenschlacht
Eine Neuauflage von „Der Rosenkrieg“ in zeitgemäßem Gewand: „Meine Braut, ihr Vater und ich“-Regisseur Jay Roach sowie der durch mehrere Yorgos-Lanthimos-Filme in Erscheinung getretene Drehbuchautor Tony McNamara legen mit DIE ROSENSCHLACHT eine gleichermaßen bitterböse wie saukomische Trennungs-Farce vor, die gerade auf der Zielgeraden eine ungeahnte Radikalität offenbart.
Darum geht’s
Ivy (Olivia Colman) und Theo Rose (Benedict Cumberbatch) führen ein Bilderbuch-Leben. Er ist ein erfolgreicher Architekt, sie leitet ein kleines, gemütliches Fischrestaurant an der Küste. Auch die beiden Kinder sind wohlgeraten – was könnte die Ehe der Roses je stören? Zum Beispiel ein harscher beruflicher Rückschlag, den Theo eines Tages über sich ergehen lassen muss. Fortan arbeitslos, kümmert er sich nun um Haushalt und Kinder, während das Lokal seiner Frau plötzlich durch die Decke geht. Nach und nach reißt dieser Rollenwechsel tiefe Gräben ins zuvor so intakte Familienleben, bis die Entscheidung steht: Scheidung. Doch damit ist es nicht getan. Ivy und Theo beginnen, sich bis aufs Blut zu bekriegen und schrecken dabei vor keiner noch so fiesen Gemeinheit zurück…
Kritik
Im 15. Jahrhundert gab es in England einen langen Thronfolgekonflikt zwischen zwei Linien des Königshauses Plantagenet: Auf der einen Seite das Haus York mit einer weißen Rose im Wappenzeichen, auf der anderen das Haus Lancester, dessen Wappen eine rote Rose zierte. Diese von 1455 bis 1485 andauernden Bürgerkriege wurden später als „Wars of the Roses“, oder eben „Rosenkriege“ bezeichnet. Die Wortherkunft des heutzutage vor allem für erbittert ausgefochtene Trennungen und Scheidungen angewendeten Terminus‘ liegt also wesentlich weiter zurück, als man meinen möchte. Denn so richtig in den allgemeinen Sprachgebrauch ging der Begriff „Rosenkrieg“ natürlich erst durch Warren Adlers gleichnamigen Roman sowie seine aus dem Jahr 1989 stammende Verfilmung über. Und genau dieser bekommt jetzt einen neuen Anstrich. Jay Roach, der Regisseur solch gefällig-sympathischer Familienkomödien wie „Meine Braut, ihr Vater und ich“, legt mit „Die Rosenschlacht“ eine zeitgemäße Neuinterpretation vor, die zwar keine solch tiefschwarze Seele vorweisen kann, wie das Original, wohl aber nichts an garstiger Gewitztheit einbüßt. Vor allem dank zwei awardverdächtiger Hauptdarsteller:innen.
Schon die Ausgangslage für den später immer weiter eskalierenden Ehestreit ist in „Die Rosenschlacht“ eine andere als im Original. Damals erkannte Kathleen Turner alias Barbara Rose von heute auf morgen, dass die Gefühle für ihren Gatten schlichtweg erloschen sind. Wenn man so möchte, ließ sich in „Der Rosenkrieg“ also durchaus eine schuldige Person für all das darauf folgende Leid ausmachen. Zumal Regisseur Danny DeVito in seinem Film auch sonst kaum an gutes Haar an seiner weiblichen Hauptfigur zu lassen vermochte. Rückblickend betrachtet ist „Der Rosenkrieg“ regelrecht frauenfeindlich. Umso erfrischender ist es da, wie Drehbuchautor Tony McNamara („The Favourite – Intrigen und Irrsinn“) den Konflikt in „Die Rosenschlacht“ heraufbeschwört. In seinem Film verändern sich nach und nach die Lebensumstände von Ivy und Theo Rose. Definierte er sich vorher über sein Businessman-Dasein und sie sich vorwiegend über ihre Zeit mit den Kindern, werden die beiden vom Schicksal mehr oder weniger gezwungen, sich mit der Zeit neu zu arrangieren. Fortan ist sie die Ernährerin der Familie, während er seiner beruflichen Karriere hinterhertrauert und nebenbei den Haushalt sowie die Kindererziehung schmeißt – und damit mehr und mehr hadert.
„Auch die Hauptfiguren in ‚Die Rosenschlacht‘ greifen mitunter zu rabiaten Mitteln, um ihrem Gegenüber eines auszuwischen. Doch anstatt auf physische Weise wird sich hier vor allem verbal bekriegt.“
Diese sehr sachte vonstattengehende Veränderung lässt einen als Zuschauer:in hautnah am sukzessiven Zerfall der Rose-Familie teilhaben. Hier geht die Liebe nicht von jetzt auf gleich verloren. Das Entfremden passiert stückweise und schon bald schlägt das Abhandenkommen von aufrichtigem Interesse dem Partner gegenüber in Verachtung über. In „Der Rosenkrieg“ nahm dieses Gefühl bisweilen haarsträubend-boshafte Ausmaße an. Oliver und Barbara Rose ließen kein gutes Haar aneinander, drangsalierten sich gegenseitig bis über sämtliche Schmerz- und Geschmacksgrenzen hinaus. Sogar ihre Haustiere mussten für den aktiv ausgeübten Psychoterror herhalten. Auch die Hauptfiguren in „Die Rosenschlacht“ greifen mitunter zu rabiaten Mitteln, um ihrem Gegenüber eines auszuwischen. Doch anstatt auf physische Weise wird sich hier vor allem verbal bekriegt. Benedict Cumberbatch („The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben“) und Olivia Colman („Paddington in Peru“) schießen messerscharf formulierte Verbal-Pfeile auf den jeweils anderen ab, die mit zunehmender Laufzeit immer häufiger bis ins Mark treffen. Da Ivy und Theo zwei absolut auf Augenhöhe geschriebene Figuren sind, ist dabei selten ein Gewinner oder eine Gewinnerin auszumachen. Stattdessen folgt auf einen Angriff direkt der nächste. Mit ein Faktor, weshalb „Die Rosenschlacht“ ein solch ungemein kurzweiliges Vergnügen darstellt…
… das seinen Unterhaltungswert allerdings längst nicht nur aus den zahlreichen Das machen die doch jetzt nicht wirklich!?-Momenten zieht. „Die Rosenschlacht“ fördert ungemein spaßige Momente zutage. Insbesondere die Spielfreude des Casts ist ansteckend. Gleichwohl besitzt die Geschichte einen starken, emotionalen Kern, ohne den einen das Leinwandgeschehen längst nicht so stark berühren würde. Über eine halbe Stunde nimmt sich Jay Roach Zeit, um die Roses als absolutes Traumpaar zu etablieren. Und zwar nicht im klassisch rosaroten Wir erzählen alles in einer einzigen romantischen Bildmontage-RomCom-Sinne. Das Skript baut die innige Beziehung zwischen Ivy und Theo behutsam und glaubhaft auf. Umso tragischer wird es da, mit ansehen zu müssen, wie sich die einst Liebenden irgendwann bis aufs Blut bekämpfen. Fast wünscht man sich am Ende von „Die Rosenschlacht“ einen Alternate Cut, der uns zeigt, wie harmonisch die Rose-Ehe hätte verlaufen können, wenn sich all die Streitereien doch noch in Wohlgefallen aufgelöst hätten. Doch wie man es bereits vom Original kennt, macht auch die Neuauflage gen Ende hin keine Gefangenen – so radikal enden nur wenige große Studiokomödien heutzutage noch.
„Das Skript baut die innige Beziehung zwischen Ivy und Theo behutsam und glaubhaft auf. Umso tragischer wird es da, mit ansehen zu müssen, wie sich die einst Liebenden irgendwann bis aufs Blut bekämpfen.“
Während sich die Roses theatralisch streiten, stehlen ihnen die zahlreichen Nebencharaktere immer mal wieder die Show. Insbesondere Andy Samberg („Popstar – Never Stop Never Stopping“) und Kate McKinnon („Ghostbusters“) als gleichermaßen unkonventionelles als auch schwer durchschaubares Paar Barry und Amy setzen in den Momenten ihres Auftretens starke humoristische Akzente. Gemeinsam mit Jamie Demetriou („Paddington 2“) und Zoe Chao („Downhill“) nehmen die beiden immer wieder die kommentierende Position des Publikums ein, das sich vermutlich zu gleichen Teilen niemals vorstellen könnte, jemals selbst in solch einer Situation zu sein und sich doch hin und wieder überlegt, zu was für Grausamkeiten man wohl selbst in der Lage wäre. Jedem Ensemblemitglied hat Tony McNamara ganz hervorragende Pointen auf den Leib geschrieben. Es ist also ganz gleich, welche Gemeinheit hier als nächstes aus dem Ärmel geschüttelt wird: die Gewinner des Ganzen sitzen am Ende vor allem im Kinopublikum.
Fazit: „Die Rosenschlacht“ ist eine zeitgemäße Neuausrichtung des Komödienklassikers „Der Rosenkrieg“, die mit einem hervorragenden Ensemble, garstigen Pointen und einer im zeitgenössischen Kino kaum mehr anzutreffenden Kompromisslosigkeit überzeugt.
„Die Rosenschlacht“ ist ab dem 28. August 2025 in den deutschen Kinos zu sehen.



