8mm – Acht Millimeter

Mit einem Drehbuch von „Sieben“-Autor Andrew Kevin Walker und inszeniert von „Nicht auflegen!“-Regisseur Joel Schumacher gibt der beklemmende Psychothriller 8 MM – ACHT MILLIMETER einen abscheulichen Blick auf die dunkelsten Randgebiete der modernen Gesellschaft Preis. Mit einem wahrlich brillant aufgelegten Nicolas Cage in der Hauptrolle steht die Abrechnung mit der Hardcore-Porno-Industrie, die sich augenscheinlich mehr als deutlich an „Sieben“ orientiert, eben jenem Vorbild in nichts nach, zeigt vor allem im Finale jedoch kleinere Schwächen. Welche das sind, lest Ihr in meiner neusten Kritik. 

Der Plot

Tom Welles (Nicolas Cage), Privatdetektiv, liebender Ehemann und Familienvater erhält von einer reichen Dame (Myra Carter) den Auftrag, die Echtheit eines Videobandes zu überprüfen. Laut ihren Angaben fand sie eben jenes Band nach dem Tod ihres Mannes im Safe des gemeinsamen Anwesens und ist erschüttert von dem Inhalt. Das Videomaterial zeigt offenbar den Mord an einer jungen Frau, die von ihrem Peiniger zunächst gefoltert und anschließend umgebracht wird. Schockiert wendet sich die Frau an Welles, in der Hoffnung, dieser könne ihr mitteilen, dass es sich bei dem Super8-Video lediglich um eine gestellte Szenerie handele.

Welles begibt sich auf die Suche nach der Herkunft des Bandes und findet relativ schnell den Namen und die ehemalige Adresse des Mädchens heraus, das auf dem Band ermordet zu werden scheint. Doch schnell verliert sich ihre Spur und Tom muss sich in die dunkelsten Randgebiete Hollywoods begeben. Im amerikanischen Untergrund werden Geschäfte mir Hardcore-Filmen gemacht, die ihre Spitze in Snuff-Movies finden: Videomaterial, das angeblich echte Gewalt, Morde und Verbrechen dokumentiert. Um sich in diesen dunklen Gefilden zurechtzufinden, freundet Welles sich mit Max (Joaquin Phoenix) an. Einem Mitarbeiter eines Erotik-Geschäftes, der sich in der SM-, Bondage- und Snuff-Szene bestens auskennt. Doch je näher das Duo der Entstehung des Videobandes kommt, desto näher scheinen sich die beiden an ein Wespennest zu begeben. Was hat es mit dem dubiosen Snuff-Mythos auf sich?

„Wenn du dich mit dem Teufel einlässt, verändert sich nicht der Teufel. Der Teufel verändert dich!“

Kritik

Um sich einer Kritik von „8mm – Acht Millimeter“ anzunehmen, sollte man vorab mit sich ausmachen, was man von diesem Thriller erwartet, bzw. erwartet hat. Ausschließlich die Tatsache, den Film in der FSK-18-Abteilung des Elektronikkonzerns, der mit einem Planeten wirbt gefunden zu haben, sagt bei Weitem noch nichts über den Gewaltgehalt aus. Selbst der Vergleich mit „Sieben“ reicht nur ansatzweise, um den Thriller in irgendeiner Form einzuordnen. Schlussendlich steht er aber doch für sich ganz allein und ist – zumindest aktuell – mit kaum einem Film zu vergleichen. Und genau das hatte ich auch erwartet. Düstere Thrillerunterhaltung ohne Horror- oder Erotikeinschlag. Wer sich also so etwas erhoffte – so viel vorab – wird enttäuscht.

„8mm“ befasst sich mit der modernen Legende der Snuff-Movies, die auch 13 Jahre nach der Entstehung des Films immer noch aktuell ist. In Zeiten, in denen Jugendliche ihre Gewalteskapaden mit der Handykamera aufnehmen, um sich an den vielen YouTube-Kommentaren zu ergötzen, scheint die Aufzeichnung eines realen Mordes nur noch einen Katzensprung von der Wirklichkeit entfernt. Jedoch scheint bereits die filmische Aufbereitung der Thematik aus dem Jahr 1999 erschreckend nah an der Realität. Wenngleich es ziemlich deutlich ist, dass man sich – hätte man diesen Streifen heute gedreht – sicherlich mehr getraut hätte, was die optische Gewalt angeht. In dieser Beziehung hält sich „Acht Millimeter“ auffällig zurück.

Der Schrecken, den der Thriller verbreitet, geht hauptsächlich von der dunklen, vor allem beklemmenden Atmosphäre aus und von der Tatsache, dass einem die Thematik (sofern man nicht gänzlich von dieser abgeschreckt, oder gar abgestoßen wird) erschreckend realistisch vorkommt. Gerade dieser Realismus ist es, der einem im Laufe der guten zwei Stunden immer weiter die Kehle zuschnürt und es schafft, eine Atmosphäre aufzubauen, die einen zum aufmerksamen Dranbleiben bewegt. In dunklen Bildern, die in bereits erwähnter „Sieben“-Manier daherkommen, bewegt sich „8mm – Acht Millimeter“ äußerst ruhig durch die Handlung. Der Plot besteht vor allem in den ersten eineinhalb Stunden fast ausschließlich aus detaillierter Ermittlungsarbeit, wie man sie aus (guten!) Crimestories kennt und gleichzeitig aus dem konzentrierten Beobachten der Szenerie. All dies geschieht unter Zuhilfenahme von viel Dialog. Erst in der letzten halben Stunde nimmt der Streifen an Tempo auf und mündet in kompromisslose Gewalt – eingebettet in eine Rachethematik, die bei vielen Kritikern dieses Films auf Unverständnis stieß. Meine Wenigkeit hingegen sieht in der Wahl dieses Showdowns die einzig konsequente Lösung, um den Film (für mich) zufriedenstellend zu beenden. Doch auch hier zeigt der Streifen an sich wenig. Gewaltspitzen werden nicht gezeigt, sondern bleiben der Fantasie des Zuschauers überlassen. Dies wäre zu heutiger Zeit sicherlich anders, da moderne Klassiker wie „Saw“ und sämtliche Filme die er nach sich zog gezeigt haben, dass der Trend wieder zur offensichtlichen Gewalt geht. Gleichzeitig konnten Filme wie „Drive“, der in punkto Gewalt ähnlich wie „8mm – Acht Millimeter“ funktioniert beweisen, dass das anspruchsvolle Publikum einen derartigen Umgang mit Gewalt zu schätzen weiß.

Doch auch wenn das Ende insgesamt überzeugt, so hat es insofern kleine Schwächen, als dass die hollywoodtypischen Verfolgungsjagden schlicht und ergreifend nicht ganz in die allgemeine Stimmung von „8mm“ passen wollen. Der Sprung von ruhiger Psychothriller-Unterhaltung zu blanker Gewalt hätte als 180 Grad-Wendung perfekt als alleiniger Aufrüttelungsmoment in den Plot gepasst – gepaart mit 0 8/15-Raserei begibt sich der Thriller stellenweise auf Action-Terrain, das er nicht gebraucht hätte. Im Großen und Ganzen ist es jedoch nicht so sehr störend, dass diese Szenen den Film derart runterziehen würden, dass der Gesamteindruck darunter leidet.

Das eigentliche Hauptaugenmerk liegt jedoch weniger auf der Gewalt, denn auf dem Umgang mit der Bondage- und SM-Szene. Hierbei lag es dem Regisseur Joel Schumacher („Die Jury“, „Das Phantom der Oper“) jedoch – entgegen vieler Meinungen von Protestlern – fern, diese Szene mit dem illegalen Gewaltfilm-Milieu gleichzustellen. Stattdessen überspitzt Schumacher die Thematik und wiegt dies damit wieder auf, in vielerlei Hinsicht die Beweggründe und Sichten der zum Täter erklärten Figuren zu beobachten. Zwar ist der Regisseur immer noch weit davon entfernt, dem Zuschauer selbst die Entscheidung über Pro- und Antagonist zu überlassen, dennoch lässt er in vielerlei Hinsicht Spielraum für Interpretation und sogar nachvollziehbare Handlungen. Es ist allerdings ein schmaler Grat, auf welchem sich diese Art des Umgangs mit den Figuren bewegt. Die Figuren werden nicht per se als „Das Böse“ dargestellt, sondern erhalten von Schumacher die Möglichkeit, sich zu erklären. Dies schockiert besonders in der Endphase, verurteilt jedoch nicht. Somit ist jedwede Form der Kritik dessen, dass der Filmemacher die SM- und Bondage-Szene verurteile, hinfällig. Einzig die Szene, die sich mit dem  Snuff-Film direkt befasst, wird für verabscheuungswürdig erklärt und rechtfertigt sogar Rache in der übelsten Form.