Anaconda

Ein ANACONDA-Remake im Jahr 2025 klingt zunächst nach einer dieser Ideen, bei denen man unwillkürlich an kreative Erschöpfung denkt. Doch statt bloßer Nostalgieverwertung schlägt diese Neuauflage einen überraschend selbst reflektierenden Weg ein. Die Riesenschlange wird dabei zur Nebensache – und genau darin liegt die größte Überraschung. 

OT: Anaconda (USA 2025)

Darum geht’s

Doug McCallister (Jack Black) und Ronald „Griff“ Griffen Jr. (Paul Rudd) sind seit ihrer Kindheit beste Freunde, die in einer klassischen Midlife-Crisis stecken. Schon seit Jahren träumen sie davon, ihren absoluten Lieblingsfilm aus der Jugend – den kultigen „Anaconda“ – neu zu drehen. Gemeinsam mit ihren Freunden Claire Simons (Thandiwe Newton), Kenny Trent (Steve Zahn) und weiteren Mitstreitern inklusive ihrer Reiseführerin Ana Almeida (Daniela Melchior) und dem erfahrenen Schlangenführer Santiago Braga (Selton Mello) brechen sie tief in den Amazonas-Dschungel auf, um genau dort ihr eigenes Projekt zu verwirklichen. Was als chaotisches Filmdreh-Abenteuer beginnt, gerät schnell außer Kontrolle: Als durch einen tragischen Unfall die abgerichtete Film-Schlange verstirbt, muss die Crew im Dschungel nach einer neuen suchen – und muss feststellen, dass es hier tatsächlich eine übergroße, echte Anakonda gibt, die die Truppe gnadenlos jagt.

Kritik

In der zweiten Hälfte von „Anaconda“ fällt ein Satz, den sich vermutlich viele im Anbetracht eines auf den ersten Blick doch eher verzichtbar anmutenden „Anaconda“-Remakes gedacht haben dürften: „Denen fällt einfach nichts Neues mehr ein.“ Gesagt wird er von einer jungen Sony-Mitarbeiterin, die im Film die Dreharbeiten eines „Anaconda“-Remakes beaufsichtigt, das parallel zu jenem von Jack Black („Ein Minecraft Film“) und Paul Rudd („Ant-Man and the Wasp“) entsteht. Und es wäre so naheliegend, diesem Aufhänger nun einen Verriss folgen zu lassen, würde die tatsächliche „Anaconda“-Neuauflage wirklich „nichts Neues mehr“ machen. Aber Pustekuchen! Bereits im Anbetracht der Regie-Personalie hätte man darauf kommen können, dass sich der hiermit sein Debüt gebende Regisseur Tom Gormicon mehr einfallen lässt, als mit seinem Film lediglich eine erzählerische sowie technische Anpassung an den Zeitgeist vorzunehmen. Gormican und sein Co-Schreiber Kevin Etten zeichneten nämlich schon für das Skript der Nicolas-Cage-Gaudi „Massive Talent“ verantwortlich. Dass sie für einen neuen „Anaconda“-Film also deutlich mehr Mühen aufwenden, als lediglich das Altbekannte in ein zeitgemäßes Outfit zu kleiden, festigt ihren Status als Hollywoods neue „Meta-Experten“. Dass sich insbesondere Gormican auf diesem eingeschlagenen Pfad am wohlsten fühlt, zeigt sich allerdings nicht nur in den starken Momenten. Denn als Visitenkarte eines Monsterhorror-Regisseurs eignet sich dieser „Anaconda“ ganz bestimmt nicht.

Claire (Thandiwe Newton), Doug (Jack Black) und Griff (Paul Rudd) drehen im Dschungel ein „Anaconda“-Remake.

Womit wir auch schon beim für viele sicherlich größten Kritikpunkt wären: Ein „Anaconda“-Remake, das mehr Hollywood-Meta-Film und Buddy-Comedy ist denn ein waschechter Monster-Schocker – wer soll sich denn mit sowas zufriedengeben? Und tatsächlich sei „Anaconda“ an dieser Stelle eher weniger jenen Leuten empfohlen, die bei ihren Remakes keine Lust auf große Experimente haben. Wer sich – vermutlich mit großer Nostalgie-Brille auf der Nase und Bock auf aufrichtigen B-Movie-Trash – anschauen will, wie eine Riesenschlange im Amazonas Jagd auf eine ahnungslose Dokumentarfilm-Crew macht, dem sei an dieser Stelle einfach das geradlinige Original ans Herz gelegt. Bei der Kritik kam das zwar alles andere als gut an, aber der kommerzielle Erfolg und eine eingeschworene Fangemeinde haben aus dem J.Lo- und Ice-Cube-Vehikel einen kleinen Kult gemacht. Die Grundzutaten des 2025er-„Anaconda“ sind zwar ähnlich: Wieder sind wir im Amazonas, wieder verfolgen wir eine Filmcrew und wieder wird ebendiese zur Beute einer übergroßen Riesenschlange, doch der Schwerpunkt liegt ganz woanders. Mehr noch: Die erwartbare Schlange-jagt-Menschen-Action gibt’s erst in den Schlussminuten in voller Bandbreite zu sehen. Davor setzt das Auftauchen des gigantischen Reptils nur vereinzelte Genre-Akzente, nimmt den Fokus allerdings nicht vom Wesentlichen.

„Gerade mit einer Affinität zu Meta-Comedy und einer Grundsympathie gegenüber Jack Black und Paul Rudd – vor allem im Doppel – kann man an der ersten Hälfte von ‚Anaconda‘ eine Menge Spaß haben.“

Für Gormican und Etten liegt dieser klar auf den beiden Hauptfiguren Doug und Ronald. Und zwar sowohl in ihrer Funktion als beste Freunde als auch in ihren Rollen als Regisseur und Schauspieler. Ihre in der Promo-Phase des Films getätigten Aussagen darüber, wie sehr Jack Black und Paul Rudd den Original-„Anaconda“ mögen und respektieren, glaubt man im Angesicht ihrer leidenschaftlichen Performances sofort. Die Rollen sind ihnen auf den Leib geschrieben. Blacks Doug ist ein unter seinen Möglichkeiten bleibender Filmemacher, der seinen Lebensunterhalt mit dem Drehen leidenschaftsloser Hochzeitsvideos verdient. Paul Rudds Griff ist ein mittlerweile erfolgloser Schauspieler, dessen größter Triumph einst eine Nebenrolle in vier Folgen „S.W.A.T.“ war. Doch die ausbleibende Anerkennung machen sie mit ihrer Passion für das Medium Film wieder wett. Vor allem die erste Hälfte von „Anaconda“ steht ganz im Zeichen der aufopferungsvollen Dreharbeiten (gedreht wurde hauptsächlich in den tropischen Regenwäldern im australischen Queensland) sowie der vorherrschenden „Wir machen das jetzt wirklich“-Stimmung. Gerade mit einer Affinität zu Meta-Comedy und einer Grundsympathie gegenüber Black und Rudd – vor allem im Doppel – kann man an der ersten Hälfte von „Anaconda“ eine Menge Spaß haben.

Die Flucht vor der Riesenschlang zwingt die beiden Freunde schon mal in ein Golf Cart. 

Ausgebremst wird diese in den besten Momenten wunderschön zügellose Hommage an das Filmemachen und insbesondere an den Original-„Anaconda“ zunächst von einem nicht notwendigen Subplot. Eine Nebenhandlung rund um illegale Goldgräber nimmt zwar nicht so viel Raum ein, dass es den Fluss vollends zerstört. Aber gerade deshalb wäre es ein Leichtes gewesen, sich einfach gleich von ihr zu trennen. Die dazugehörenden Momente wirken nicht bloß ziellos, sie sorgen obendrein für etwas, was „Anaconda“ ansonsten clever umschifft: die Reproduktion von Klischees und Tropes, über die sich eigentlich lustig gemacht werden soll. Ebenfalls wie aus einem anderen Drehbuchentwurf wirken eine Handvoll Szenen, die einen deutlich derb-alberneren Tonfall an den Tag legen als der Rest des Films. Wenn ein Spinnenbiss dazu führt, dass Jack Black von einem Crewmitglied angepinkelt werden muss, oder er mit einem Schweinekadaver auf dem Rücken über ein freies Feld gejagt wird, dann ist das nicht subversiv oder clever, sondern einfach nur platt und – wie in der Pinkelszene – eher peinlich. In solchen Momenten verkauft sich „Anaconda“ klar unter Wert. Und es ist ganz allein dem kollektiven Spaß des Casts zu verdanken, dass man sich nicht vor Fremdscham im Kinosessel windet. Wobei hier sicher auch die eigene Schmerzgrenze für Pipikaka- und Gaga-Humor eine ganz entscheidende Rolle spielt.

„Dass bis hierhin noch kaum ein Wort zur eigentlich nicht unwichtigen Schlangenaction gefallen ist, gibt Aufschluss über die erzählerischen Schwerpunkte. Genauso wie die Tatsache, dass kein offiziell vom Verleih freigegebenes Szenenbild existiert, auf dem die Schlange überhaupt zu sehen ist.“

Das schlagende Herz von „Anaconda“ sind zwar Paul Rudd und Jack Black. Doch auch in den größeren Nebenrollen punktet das Ensemble mit Sympathie und Spielfreude. Vor allem Selton Mello („Für immer hier“) als nicht ganz zurechnungsfähiger Schlangenfan sorgt für einige der größten Lacher des Films. Und nicht nur deshalb, weil seine Bandbreite zwischen emotionalem Oscar-Contender und Hollywood-Quatsch schlichtweg unglaublich ist. Mit seiner Figur trifft er exakt den Humor des Films: liebevoll-parodistisch, albern und ein kleines bisschen schrullig. Thandiwe Newton („Reminiscence“) als Ronalds Vielleicht-vielleicht-auch-nicht-Love-Interest blickt mit liebevollem Blick auf die hie und da durchschimmernden Kleinkind-Attitüden ihrer Freunde und funktioniert durchaus als Identifikationsfigur mit dem Publikum. Der aktuell in der Disney+-Serie „Chad Powers“ zu sehende Steve Zahn komplettiert das Quintett in Form eines wandelnden Trunkenbold-Klischees – aber immerhin einem mit enormem Gag-Timinggespür. Dass bis hierhin noch kaum ein Wort zur eigentlich nicht unwichtigen Schlangenaction gefallen ist, gibt Aufschluss über die erzählerischen Schwerpunkte. Genauso wie die Tatsache, dass kein offiziell vom Verleih freigegebenes Szenenbild existiert, auf dem die Schlange überhaupt zu sehen ist. In dem 2025er-„Anaconda“ geht es nämlich kaum um das solide getrickste CGI-Reptil, sodass auch die damit einhergehenden Actionszenen nahezu vernachlässigbar sind. Geschweige denn der ohnehin nicht vorhandene Gewaltgrad. Den Kinosaal verlässt man hier mit dem Gedanken, wie toll es ist, Freunde mit derselben Leidenschaft zu haben. Und nicht, indem man sich an die dahinschlängelnde Monster-Schlange erinnert, das im Finale immerhin effektvoll in Fetzen gerissen wird.

Mit totem Wildschwein auf dem Rücken, muss Doug vor der Schlange flüchten.

Fazit: Insgesamt ist „Anaconda“ weniger klassischer Monsterfilm als verspielte Meta-Buddy-Komödie, die ihre größte Stärke aus der spürbaren Leidenschaft fürs Filmemachen und der Chemie zwischen Jack Black und Paul Rudd zieht. Der Mut zur Neuinterpretation zahlt sich häufig aus, wird jedoch durch unnötige Nebenhandlungen und teils plumpen Humor ausgebremst. Wer ein nostalgisches Schlangen-Schocker-Remake erwartet, dürfte enttäuscht sein. Als selbstironische Hommage mit Herz und Charme funktioniert der Film hingegen erstaunlich gut.

„Anaconda“ ist ab dem 25. Dezember 2025 in den deutschen Kinos zu sehen.

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