Der Medicus II
Darum geht’s
Der englische Arzt Rob Cole (Tom Payne) und seine Gefolgschaft kehren nach ihrer Flucht aus Isfahan zurück in Robs alte Heimat London, um dort ihr im Orient erworbenes medizinisches Wissen anzuwenden. In der Metropole stoßen sie zunächst auf Ablehnung und Misstrauen seitens der Eliten. Trotzdem eröffnen sie auf eigene Faust eine kleine Arztpraxis, in der sie die Dorfgemeinschaft behandeln. Doch schon bald werden sie ungewollt in die politischen Intrigen des ortsansässigen Königshauses verwickelt. Als der König (Liam Cunningham) Rob bittet, dessen angeblich vom Teufel besessene Tochter Ilene (Aine Rose Daly) zu behandeln, eröffnet sich für den Mediziner ein neues Aufgabenfeld: die Auseinandersetzung mit der menschlichen Psyche. Zwischen dem Kampf um das Leben seiner Patient:innen, dem Ringen um Anerkennung und dem Einfluss am Hof muss er sich behaupten und seine Fähigkeiten unter Beweis stellen
Kritik
Mit 764 Kopien war „Der Medicus“ 2013 einer der Filme, die hierzulande die breiteste Kinoauswertung erhielten. Nur „Der Hobbit – Smaugs Einöde“ (874), „Die Eiskönigin“ (791) und „Die Schlümpfe 2“ (818) konnten dieses Ergebnis noch übertreffen. Im Anbetracht dieser breitentauglichen Konkurrenz mag die sich an eine deutlich spitzere Zielgruppe richtende Literaturverfilmung ein wenig fehl am Platz wirken. Aber wenn man einmal darüber nachdenkt, ergibt es total Sinn, dass Philipp Stölzls Mammutprojekt derart viele Kinosäle bespielen durfte. Und wäre „Fack ju Göhte“ nicht gewesen, wäre „Der Medicus“ sogar der erfolgreichste deutsche Film seines Jahrgangs geworden. Schließlich bringt das 32 Millionen US-Dollar teure Projekt gleich mehrere Arten von Kinogenuss zusammen. Die sonst eher für gängiges Popcornkino typischen Hochglanzbilder machen sich im Multiplex perfekt. Die Vorlage dagegen mitsamt ihrer zahlreichen Kenner:innen (allein hierzulande verkaufte sich das Buch über 6 Millionen Mal) findet auch gut im Programmkino um die Ecke ihren Platz. Kurzum: „Der Medicus“ entwickelte sich zu so etwas wie einem „Blockbuster unter den Arthouse-Filmen“. Mit knapp 3,7 Millionen Besucher:innen als Endergebnis. Dass man da irgendwann mal ein Sequel ins Auge fassen würde, war erst recht mit dem Blick auf die Romanvorlage klar. Von der gibt es nämlich gleich zwei Fortsetzungen.
„Der Medicus“ thematisierte auf Basis der Romanvorlage den Werdegang des jungen Rob Cole, der an der Seite eines Baders erste Berührungspunkte mit Gesundheilung sammelte und sich anschließend in die Lehre des titelgebenden Medicus‘ begibt. Das macht „Der Medicus“ nicht bloß zu einem Drama über die emotionale sowie charakterliche Reifung eines Mannes, der sich mithilfe einer ganz besonderen Gabe zu einem der gefragtesten Heiler seines Landes emporschwingt. „Der Medicus“ gibt auch einen Einblick in die Erfindung der modernen Medizin. Vom heutzutage wohl eher der Scharlatanerie bezichtigten Bader bis hin zur Entwicklung der klassischen Schulmedizin: Auch wenn der Film sich natürlich eher wie ein geraffter Abriss denn wie eine dokumentarisch-detaillierte Abhandlung anfühlt, bekommt man in „Der Medicus“ ein gutes Gespür dafür, wie sich das Ärztewesen in seinen Anfängen entwickelt haben muss. Insbesondere die Darstellung des Hochmittelalters gefiel zudem nicht nur mit Detailreichtum und Opulenz, sondern auch durch seine Authentizität. Man mochte glauben, dass sich all das – dramaturgische Zuspitzungen hin oder her – vielleicht mal so ähnlich abgespielt haben könnte, ganz gleich, wie fiktional die Vorlage auch sein mag.
In „Der Medicus II“ steht immer noch Rob Cole im Fokus. Und einmal mehr versieht ihn der Schauspieler Tom Payne („Horizon“) mit Charme und Wärme. Vor allem den schwerwiegenden Verlust seiner Ehefrau und Mutter seines Kindes verkörpert Payne mit voller Hingabe. Sein Rob Cole ist tief im Inneren gebrochen, doch sein Wunsch, Menschen zu helfen, hält ihn am Leben. Dahingehend lebt seine Performance in „Der Medicus II“ mehr noch als Teil eins von Ambivalenzen und Brüchen. Tom Payne und Rob Cole wachsen im Film zu gleichen Teilen aneinander. Genauso wächst um ihn herum das thematische Portfolio. Anstatt sich nur mit körperlicher Versehrtheit zu befassen, konzentriert sich „Der Medicus II“ nun primär auf die geistige Gesundheit. So gesehen kommt die Verfilmung zu einem absolut perfekten Zeitpunkt. Wächst in der Gesellschaft doch nach und nach die Akzeptanz psychischer Krankheiten, da sich immer mehr Menschen zu ihren Problemen und den damit einhergehenden Therapien bekennen. Was läge also näher, als sich in „Der Medicus II“ nun auch auf der Leinwand mit den Ursprüngen der Geistesmedizin zu befassen? Mit einer Zeit, in der man Geisteskranken nicht mit Medikamenten und Psychotherapien helfen konnte respektive wollte, sondern sie stattdessen auf einer abgelegenen Insel sich selbst überließ?
Während Philipp Stölzl („Ich war noch niemals in New York“) mit einer bemerkenswerten Tendenz zur Perfektion inszeniert, haben die Drehbuchautor:innen Caroline Bruckner und Stewart Harcourt eine nicht minder komplexe Aufgabe zu schultern. Auf der einen Seite müssen sie aus Authentizitätsgründen den damaligen Zustand abbilden; Und psychisch kranke Menschen so zeigen, wie sie von der Gesellschaft einst gesehen wurden. Trotzdem gilt es, mit dem heutigen Wissen die allzu platten Klischees zu umschiffen. Etwas, was dem Film leider nicht immer gelingt. Wenn hier eine Gruppe Geisteskranker durch die engen Gassen der Stadt getrieben wird, wird lautstark geschrien, ein Mann gebärt sich wie ein Hund, der von einem anderen Menschen an der Leine geführt wird, und auf der eingangs erwähnten Insel erinnern die Zurückgelassenen eher an Zombies als an Menschen. Anstatt auf die größtmögliche Abweichung von der Gesellschaftsnorm zu setzen, hätte ein deutlich größerer Reiz darin bestanden, auf Detailbeobachtung zu setzen. Nicht jede:r, der dato als geisteskrank und dadurch ausstoßungswürdig abgestempelt wurde, war auch direkt ein wandelndes Klischee. Insofern hinterlassen diese Szenen schon einen leichten Beigeschmack. Feinfühligkeit sieht jedenfalls anders aus.
Doch Drehbuch und Regie können diese Schwachpunkte weitestgehend ausgleichen. Immer wieder betont „Der Medicus II“ den unbedingten Willen des Protagonisten, für Aufklärung zu sorgen und die Menschheit in ihrem Gesundheitswissen auf die nächste Stufe zu bringen. Aus Rob Cole sprühen Herzblut und Leidenschaft, was sich direkt auf den Film überträgt. Da ist es umso bedauerlicher, dass der Film in der zweiten Hälfte den Schwerpunkt von der Medizinthematik nimmt. Stattdessen wird aus der Geschichte eine Art „Game of Thrones“ im echten Mittelalter, wo plötzlich Ränkespiele und Intrigen eine zentrale Rolle einnehmen. Das führt sogar dazu, dass die Hauptfigur aus ihrer Profession gerissen wird und einen Teil der Laufzeit hinter Gittern verbringen muss. Dieser Teil des Films, der sich um die skrupellose Königsgattin Mercia und ihre Allmachtsfantasien dreht, ist für sich genommen packend. Nicht zuletzt, weil „Jerks“-Star Emily Cox ihre Rolle so richtig schön ätzend anlegt. Doch es nimmt die Aufmerksamkeit vom eigentlichen Thema: der Medizin. Insofern sollte man sich am besten schon im Vorfeld darauf einstellen, mit einem Kinoticket für „Der Medicus II“ nicht nur eine, sondern gleich zwei Geschichten erzählt zu bekommen, die leider bis zuletzt nicht vollends stimmig zusammenfinden.

Dank der Behandlung durch Rob Cole kann der König (Liam Cunningham) endlich wieder genesen vor sein Volk treten.
Fazit: „Der Medicus II“ überzeugt erneut durch seine opulente Inszenierung, die authentische Darstellung des Mittelalters und die leidenschaftliche Performance von Tom Payne, der den Protagonisten mit viel Charme und Tiefe prägt. Schwächen zeigen sich jedoch in der Darstellung psychischer Erkrankungen, die teilweise auf Klischees setzt, sowie in der zweiten Filmhälfte, in der Intrigen und Machtspiele die medizinische Thematik in den Hintergrund drängen. Insgesamt bleibt der Film ein sehenswertes, wenn auch nicht vollkommen stimmiges Drama, das historische Medizin und menschliche Schicksale solide verbindet.
„Der Medicus II“ ist ab dem 25. Dezember 2025 in den deutschen Kinos zu sehen.


