The Change

Jan Komasas THE CHANGE zeigt, wie schleichender politischer Wandel und Radikalisierung ganze Lebenswelten verändern können. Der Film übersetzt globale Spannungen in den familiären Alltag und macht sichtbar, wie Ideologien entstehen, Beziehungen auflösen und gesellschaftliche Brücken abbrechen – eine düstere Dystopie, die erschreckend nah an der Realität liegt.

OT: Anniversary (USA 2025)

Darum geht’s

Ellen (Diane Lane), Professorin an der angesehenen Georgetown University in Washington, D.C., und ihr Ehemann Paul (Kyle Chandler), ein talentierter Chefkoch, feiern ihren 25. Hochzeitstag. Während die Gäste ausgelassen feiern, beschleicht Ellen das Gefühl, die neue Freundin ihres Sohnes schon einmal gesehen zu haben. Tatsächlich entpuppt sich Liz (Phoebe Dynevor) als ehemalige Studentin, die einst wegen ihrer „antidemokratischen Thesen“ von der Universität verwiesen wurde. Nun steht sie an der Spitze der Bewegung „The Change“, die kurz davor ist, einen radikalen gesellschaftlichen Umbruch auszulösen und das politische System der USA ins Wanken zu bringen. Plötzlich sieht sich Ellen gezwungen, nicht nur ihre Familie zusammenzuhalten, sondern auch für die Freiheit und die demokratischen Grundwerte ihres Landes zu kämpfen.

Kritik

Im Zuge der Veröffentlichung seiner Biografie gab der AfD-Mitbegründer Alexander Gauland kürzlich an, aufgrund seiner Mitgliedschaft in der rechtsgerichteten Partei praktisch seinen gesamten Familien- und Freundeskreis verloren zu haben, da es „in Deutschland schwierig sei, befreundet zu sein, wenn man unterschiedliche politische Meinungen hat“. Tatsächlich liest man immer wieder davon, was für einen Einfluss politische Gesinnungen auf zwischenmenschliche Beziehungen haben; Die Coronapandemie und auseinanderdriftende Ansichten zu Impfungen, Ausgangssperren und Co. waren dafür ein gutes Beispiel. „Corpus Christi“-Regisseur Jan Komasa veranschaulicht in seinem neuesten Film „The Change“ nun, dass sich anhand der Zustände in den eigenen vier Wänden die Ernsthaftigkeit der weltpolitischen Lage mindestens genauso gut ablesen lässt, wie an den über Bildschirme flimmernden Nachrichten. Seine Faschismus-Dystopie umfasst fünf Jahre, und spielt in großen Abständen immer an ein und demselben (Hochzeits-)Tag. Das Konzept erinnert an die deutsche Tragikomödie „Feste & Freunde“ – nur dass die heiteren Momente hier ausbleiben und die Figuren mit der Zeit immer weiter in ein finsteres politisches Kapitel rutschen, das von der aktuellen Weltlage leider gar nicht (mehr) so weit entfernt ist.

Paul (Kyle Chandler) und Ellen (Diane Lane) haben zur Silberhochzeit geladen.

Der auch für das Drehbuch verantwortliche Jan Komasa etabliert zunächst das Paar Ellen und Paul als Quasi-Protagonist:innen. Wir lernen die beiden als gleichermaßen liebende wir fürsorgliche Eheleute kennen, die in der Eröffnungsszene zu ihrer Silberhochzeit eingeladen haben. Um sie herum entspinnt sich nach und nach ein bunter Reigen an Familienangehörigen. Vor allem bestehend aus ihren Kindern und deren Partner:innen. Der hier aufgefächerte Strauß an Figuren ist bunt und divers. Dass Ellen ihren Lebensunterhalt (auch) damit verdient, im Fernsehen als progressive Expertin auf ihrem Professur-Fachgebiet aufzutreten, wo sie sich regelmäßig mit konservativen Kritiker:innen anlegt, ist eines von mehreren Details, das die Familie obendrein als linksgerichtet einstuft. Die hellen, lichtdurchfluteten Bilder von Komasas Stamm-Kameramann Piotr Sobocinski Jr. Wiegen einen in Sicherheit. Und sowohl für uns als auch für Ellen wiegt der Schock umso schwerer, als sie feststellen muss, dass ihr Sohn sich in eine Frau verliebt hat, die während ihres Studiums bei Ellen faschistoide Tendenzen gezeigt hat. Dieser Wolf kommt im Schafspelz daher: Liz ist wunderhübsch, trägt Maßkleider, weiß sich zu benehmen und ist – vor allem mit dem Hintergrundwissen um sie – fast schon unangenehm höflich. Insbesondere im Zusammenspiel mit Diane Lane („Justice League“) macht die aus „Bridgerton“ bekannte Liz-Darstellerin Phoebe Dynevor mächtig Eindruck. Ihre Verkörperung der auf der einen Seite mit extremistischem Gedankengut ausgestatteten und auf der anderen Seite so harmlos aussehenden jungen Frau hat etwas Verstörendes – und ihr Lächeln etwas, an dem man sich schneiden kann.

„Dreimal wird es noch zu einem Zeitsprung kommen. Jeweils mit einem Jahr Abstand. Die sich zuspitzenden Zustände skizziert Komasa weniger anhand konkreter politischer Diskussionen, sondern mithilfe privater Ereignisse, die stark von den um sich greifenden Zuständen eingefärbt sind.“

Jan Komasa macht von Anfang an keinen Hehl aus seinem Anliegen. Was bisweilen zur Folge hat, dass „The Change“ alles andere als subtil ist. Um die sukzessive Faschisierung der Vereinigten Staaten – so wie sie hier vorkommen – zu veranschaulichen, wählt der Filmemacher große Erzählabstände. Der erste Sprung umfasst zwei Jahre. Gesprächsfetzen und News-Auszüge auf dem Fernsehschirm geben Aufschluss über den politischen Status Quo, an dem man sich die Ereignisse der letzten 24 Monate leicht zusammenreimen kann: Aus Liz‘ Manifest ist eine Bewegung geworden, aus der Bewegung eine politische Strömung und aus dieser ein Paradigmenwechsel. Dreimal wird es noch zu einem Zeitsprung kommen. Jeweils mit einem Jahr Abstand. Die sich zuspitzenden Zustände skizziert Komasa weniger anhand konkreter politischer Diskussionen, sondern mithilfe privater Ereignisse, die stark von den um sich greifenden Zuständen eingefärbt sind. In einer besonders ergreifenden Szene gesteht etwa eine der Figuren ihrem Ehemann eine Abtreibung infolge allzu großer Angst vor der Zukunft. Szenen wie diese können hier nicht bloß aufgrund der schauspielerischen Leistungen eine ungemeine Wucht entfalten. Sie ziehen die nicht selten auch abstrakt wirkende Politik auf eine private Ebene der Figuren, die Komasa im Vorfeld als liebenswert-kantig und mit starken Meinungen versehen etabliert hat. Je weiter „The Change“ voranschreitet, desto krasser werden die tonalen Brüche. Irgendwann gibt es nur noch den Wechsel zwischen Schweigen und Schreien, die ruhigen Gespräche verstummen nach und nach…

Phoebe Dynevor spielt die Rolle der Liz verstörend gut.

… und erinnern damit unweigerlich an aktuelle politische Diskussionskulturen, in der gefühlt nur noch die lauten Meinungen dominieren. Im weiteren Verlauf des Films wird aus „The Change“ mehr und mehr eine Dystopie, die in ihrer inszenatorischen Direktheit unter Zuhilfenahme von bewusster Überspitzung Erinnerungen an die Netflix-Serie „Black Mirror“ wach werden lässt. Auch das Ensemble stellt sich voll und ganz in den Dienst der dramatischen Geschichte und spielt dazu passend groß und präsent auf. Jan Komasa hat keinen Film der Zwischentöne gemacht, sondern formuliert klar, präzise und auf den Punkt – und ganz ohne Subtext. Das hier durchgespielte Szenario endet schließlich auf einer durch und durch bitteren Note, die sich in ihrer Konsequenz wie ein Schlag in die Magengrube anfühlt. Hier zeichnet es sich besonders aus, dass der Regisseur und Autor immer den direkten Weg geht, kein Blatt vor den Mund nimmt und mit seiner Meinung nicht hinterm Berg hält. Doch „The Change“ ist keine populistische Meinungsmache. Anstatt seinem Publikum ein vermeintliches Richtig und Falsch vorzukauen, geht es Jan Komasa vielmehr darum, Abläufe des gesellschaftlichen Wandels zu demonstrieren und sie auf Familiendynamiken anzuwenden. Dass sich das hier alles so beklemmend-realistisch anfühlt, ganz gleich, was für krasse, vermeintlich abgehobene Bilder der Film entwirft, liegt schlussendlich vor allem daran, dass nichts in „The Change“ so dystopisch wirkt, wie es das eigentlich sollte. Am Ende hinterlässt der Film in einem vor allem ein großes „Fuck!“.

„Das hier durchgespielte Szenario endet schließlich auf einer durch und durch bitteren Note, die sich in ihrer Konsequenz wie ein Schlag in die Magengrube anfühlt. Hier zeichnet es sich besonders aus, dass der Regisseur und Autor immer den direkten Weg geht, kein Blatt vor den Mund nimmt und mit seiner Meinung nicht hinterm Berg hält.“

Fazit: Mit „The Change“ zeichnet Jan Komasa ein kompromissloses Gesellschaftsporträt, das die politischen Spannungen unserer Zeit in den Mikrokosmos einer Familie überträgt. In seiner schonungslosen Zuspitzung erinnert der Film an „Black Mirror“ – eine düstere Zukunftsvision, die viel über die Gegenwart verrät. Ohne Zwischentöne, aber mit großer Wucht zeigt Komasa, wie Extremismus schleichend in den Alltag dringt. „The Change“ ist ein lauter Weckruf über Verantwortung, Schweigen und die Zerbrechlichkeit gesellschaftlicher Bindungen.

„The Change“ ist ab dem 6. November 2025 in den deutschen Kinos zu sehen.

Und was sagst Du dazu?