Twisters

Wie viel Klimawandel verträgt ein Katastrophenblockbuster wie TWISTERS? Die Antwort darauf beantworten die Macher mit einem „Gar nicht“ – und für manch einen dürfte genau das ein Problem sein. Wie viel Spaß sich mit dem Film trotzdem haben lässt, ist eine höchst individuelle Frage. Gut getrickst ist das Ganze aber allemal. 

OT: Twisters (USA 2024)

Darum geht’s

Kate (Daisy Edgar-Jones) ist Meteorologiestudentin. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Analyse von Wirbelstürmen, denen sie mit ausgeklügelter Technik zu Leibe rücken will. Doch ein Versuch, den sie gemeinsam mit mehreren Kommiliton:innen unternimmt, schlägt fehl und kostet einigen von ihnen das Leben. Viele Jahre später hat Kate dieses Trauma noch immer nicht ganz verarbeitet. Als sie jedoch auf ihren ehemaligen Mitstudenten Javi (Anthony Ramos) trifft, wird ihre Leidenschaft für Tornados wieder entfacht. Mit einem neuen Analysesystem soll den beiden nun endlich das gelingen, was ihnen einst verwehrt blieb. Doch bei dem Versuch, ihr System zu testen, werden die zwei mit Tyler (Glen Powell) konfrontiert. Er und seine Truppe aus selbsternannten Tornado-Wranglern nimmt es ebenfalls regelmäßig mit den Twistern auf – nur eben auf ihre ganz eigene Weise. Als sich ein riesiger Jahrhundertsturm ankündigt, müssen sich die beiden zusammentun, um das Schlimmste zu verhindern…

Kritik

Als „Twister“ 1996 in die Kinos kam, war das Tornadospektakel nahezu überall ein Hit. In Deutschland enterte es Platz drei der Jahrescharts und lockte rund 3,7 Millionen Besucherinnen und Besucher in die Kinos. In den USA reichte es sogar für Platz zwei (hinter „Independence Day“) bei einem Einspiel von über 240.000 Millionen US-Dollar – zum damaligen Zeitpunkt also ein echter Hit. Wo genau der Erfolg herrührt, lässt sich natürlich immer schwer benennen. In diesem Falle dürften vor allem die dato bahnbrechenden Trickeffekte, der generelle Hype um Katastrophenfilme sowie das universell verständliche Thema „Wirbelstürme“ einen Großteil zum Erfolg beigetragen haben. 28 Jahre später sind vor allem zwei dieser Faktoren nach wie vor ein Hitgarant. Natürlich hat man heutzutage viel bessere Möglichkeiten, realistische Twister am Computer zu erzeugen. Außerdem konfrontiert uns die Klimaerwärmung regelmäßig mit Extremwetterphänomenen; Ein Katastrophenfilm über außer Kontrolle geratene Hyperstürme, einhergehend mit extrem realistischen Bildern der darauffolgenden Zerstörung trifft also heute – so zynisch das klingen mag – umso mehr den Nerv des Publikums. Doch apropos Zynismus: Davon offenbart „Twisters“ eine ganze Menge, was dem Spaß am sehr stark inszenierten Spektakel in die Parade fährt.

Kate (Daisy Edgar-Jones) will den Tornados mithilfe einer ausgeklügelten Technik zu Leibe rücken.

Muss ein Wetterkatastrophenfilm aus dem Jahr 2024 unbedingt das Thema Klimawandel aufgreifen? Mit dieser Frage steht und fällt ein Großteil des Vergnügens, das sich an „Twisters“ haben lässt. Wer sie verneint, der dürfte mit der ersten Big-Budget-Regiearbeit von „Shoplifters“-Regisseur Lee Isaac Chung eine Menge Spaß haben. In Sachen „Rückbesinnung auf das, was den ersten Teil so erfolgreich machte“ kann „Twisters“ sogar mit einem Film wie „Top Gun: Maverick“ mithalten, der vor zwei Jahren vor allem dadurch zum Hit wurde, weil er so ziemlich das gemacht hat, womit schon der erste Teil auftrumpfte. Und Chung macht hier keine Gefangenen: Bereits im Prolog – einem schlussendlich fehlschlagenden Uni-Projekt darüber, ob sich Wirbelstürme mit ausgeklügelter Technik auflösen lassen – kommt das Publikum nicht nur in den Genuss eines handwerklich herausragend getricksten Twisters (gedreht wurde übrigens auch mit echten Wirbelstürmen, natürlich aus sicherer Entfernung), der nur einen Vorgeschmack darauf bietet, was in den nächsten zwei Stunden noch alles über die Zuschauerinnen und Zuschauer hinwegfegen wird. Auch das Trauma der von Daisy Edgar-Jones („Der Gesang der Flusskrebse“) gespielten Kate Cooper wird stimmig etabliert. Verlor sie doch im Zuge ebenjenes Experiments gleich mehrere Freund:innen, die nicht schnell genug vor dem Wirbelsturm fliehen konnten. Mit diesen Erlebnissen im Nacken, tritt die Wissenschaftlerin den Twistern mit einem ganz besonderen Respekt entgegen, hat die Faszination für sie dennoch nie verloren.

„Muss ein Wetterkatastrophenfilm aus dem Jahr 2024 unbedingt das Thema Klimawandel aufgreifen? Mit dieser Frage steht und fällt ein Großteil des Vergnügens, das sich an ‚Twisters‘ haben lässt.“

Diese rudimentäre Charakterzeichnung reicht aus, um über weite Strecken mit Kate mitzufiebern. Gleichwohl verleiht ihr Schicksal dem Film eine Ernsthaftigkeit, die „Twisters“ schlussendlich nicht einlösen kann. Überflieger Glen Powell („A Killer Romance“) scheint parallel dazu nämlich in einem völlig anderen Film mitzuspielen. Seine Figur des selbsternannten Tornado-Wranglers Tyler Owens ist ein selbstverliebter, um keinen Spruch verlegener Haudegen, dessen Auftritte stets mit einem Country- oder Rockbeat untermalt werden. Seine selbstbewusst-arrogante Attitüde, gepaart mit einem großen Mundwerk und einer unbändigen Faszination für Wirbelstürme verkörpert Powell mit einer angemessenen Portion Wahnsinn, gleichwohl nie vollständig unsympathisch, eher verschmitzt. Seinem Tyler zuzusehen, macht einfach Spaß, während Kates gleichermaßen analytische als auch durch ihr Trauma beeinflusste Art dem vermutlich als kühner Gegenpart gegenüberstehen soll. Leider kollidieren diese beiden Tonfälle: Einerseits soll man mit den Tornado-Wranglern mitgehen und ihre halsbrecherischen „Wir fahren in einen Twister hinein“-Eskapaden fasziniert verfolgen. Andererseits werden wir von Kate immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt – was funktionieren würde…

Tyler (Glenn Powell) schart eine ganze Gruppe an Tornado-Wranglern um sich, mit denen er schon mal in das Herz der Wirbelstürme hineinfährt.

… wenn da nicht das Problem mit ebenjenem Zynismus wäre. Als pure Zerstörungsorgie macht „Twisters“ tatsächlich eine Menge Spaß. Zumal zwischen den einzelnen Tornado-Auftritten meist nur wenige Minuten vergehen. Mann muss also nicht auf den einen Mega-Sturm warten, sondern bekommt bis zum ekstatischen Finale genug nicht weniger beeindruckende Wirbelstürme zu sehen, damit der Filmtitel auch hält, was er verspricht. Doch der große, fade Beigeschmack stellt sich ein, wenn man auf die eingangs gestellte Frage zum Thema Klimawandel eben nicht mit „Nein!“ antwortet, sondern sehr wohl der Meinung ist, dass gerade so ein Film das Thema nicht aussparen darf. Mit regelrecht waghalsiger Geschicklichkeit umschifft Drehbuchautor Mark L. Smith („The Revenant – Der Rückkehrer“) die Thematik, ganz so, als wolle er mit dem tatsächlichen Ernst der Lage Niemanden verprellen. Dabei sprechen insbesondere die Bilder der Verwüstungsschneisen, die jeder einzelne Twister hinterlässt, eine allzu deutliche Sprache. Doch nicht nur fällt schon allein das Wort „Klimaerwärmung“ respektive „Klimawandel“ zu keinem Moment, geschweige denn nimmt irgendwelche politische Dimensionen an. Die schlussendlich aus dem Hut gezauberte Technik, mit der sich die Tornados im Film tatsächlich stoppen lassen, ist in ihrer Simplizität ein Schlag in die Magengrube all jener, die sich aufopferungsvoll mit der Klimakrise auseinandersetzen. Im wahren Leben lässt sich diese, den Status Quo berücksichtigend, nicht mehr aufhalten. In „Twisters“ dagegen gibt es sehr wohl eine Lösung, die jedoch längst nicht als Utopie, sondern im Film als Wahrheit verkauft wird.

„Mit regelrecht waghalsiger Geschicklichkeit umschifft Drehbuchautor Mark L. Smith die das Thema Klimawandel, ganz so, als wolle er mit dem tatsächlichen Ernst der Lage Niemanden verprellen.“

Fazit: Wer nicht darauf besteht, dass ein Film von 2024 über Extremwetterphänomene den Klimawandel benennt, der dürfte an „Twisters“ einen Heidenspaß haben. Der Katastrophenactioner ist grandios getrickst, spannend und temporeich. Wem die vollständige Aussparung des Themas bei so einem Film dagegen reichlich zynisch vorkommt, sollte indes von einem Kinobesuch absehen.

„Twisters“ ist ab dem 18. Juli 2024 in den deutschen Kinos zu sehen.

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