The Marksman – Der Scharfschütze

Grummeliger, greiser Mann muss sich widerwillig eines Kinders annehmen, um es vor großen Gefahren zu beschützen – der Plot von THE MARKSMAN – DER SCHARFSCHÜTZE klingt altbekannt. Die Charakterisierung von Liam Neeson als alternder Marineoffizier noch mehr. Das Ergebnis dieser bewährten Zutaten ist immerhin solide. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.

OT: The Marksman (USA 2021)

Der Plot

Der ehemalige Marine-Offizier und Scharfschütze Jim Hanson (Liam Neeson) hat sich auf eine abgelegenen Ranch im Grenzgebiet von Arizona zurückgezogen, um hier seinen Lebensabend zu verbringen. Doch diese Pläne durchkreuzt der elfjährige Migrantenjunge Miguel (Jacob Perez), der an der Grenze zusammen mit seiner Mutter Rosa (Teresa Ruiz) an von den Mitgliedern eines brutalen Drogenkartells aufgelesen wird. Bei einer Schießerei kommt Rosa ums Leben. Doch sie kann Jim, der den Angriff miterlebt, in den letzten Sekunden ihres Lebens darum bitten, ihren Sohn zu ihrer Familie nach Chicago und somit in Sicherheit zu bringen. Daraufhin trotzen Jim und Miguel den Strafverfolgungsbehörden und begeben sich auf eine lange und beschwerliche Reise, auf der sich die beiden nach und nach anfreunden. Doch die Attentäter des Kartells haben sich längst an die Fersen des ungleichen Duos geheftet…

Kritik

Schon seit Jahren macht der 1994 für einen Oscar nominierte Liam Neeson (fast) ausschließlich Filme der Kategorie „Kennst du einen, kennst du alle“. Darin schlüpft er als eine Art Nachfolger von Bruce Willis und Co. in die Rolle von Actionhelden um sich, mal mehr, mal weniger widerwillig, als Ein-Mann-Weltenrettungskommando in die Schusslinie zu begeben. Mal muss er um die Welt reisen, um seine Tochter aus den Fängen gemeingefährlicher Kidnapper zu befreien („96 Hours“), ein anderes Mal bekommt er es als aussteigewilliger Bankräuber mit korrupten Cops zu tun („Honest Thief“), die ihm seine mühsam ergaunerte Beute streitig machen wollen. Die Grundzutaten solcher Filme sind immer gleich: Liam Neeson gibt sich auch im hohen Alter noch immer tough und schießwütig (wenngleich man ihm seine knapp 70 Jahre zuletzt schon das ein oder andere Mal angemerkt hat) und bringt das Böse bis Filmende zur Strecke. Und während man einem ähnlich gestrickten Schauspieler wie eben Bruce Willis zuletzt stark anmerkte, dass er „Stirb langsam“-Star die zahlreichen Direct-to-DVD-Produktionen nach ähnlicher Erfolgsformel nur noch des Geldes wegen dreht und mit einer entsprechenden Null-Bock-Visage durch seine Filme stapft, kommen Neesons Filme nicht nur nach wie vor in die Kinos, der gebürtige Ire wirkt darüber hinaus noch immer engagiert. Sein neuestes Engagement „The Marksman – Der Scharfschütze“ schlägt nun allerdings nicht nur in ebenjene Liam-Neeson-Actionfilm-Kerbe, sondern erinnert obendrein stark an einen Oscar-Nominee der diesjährigen Saison: Paul Greengrass‘ „Neues aus der Welt“.

Liam Neeson schlüpft in „The Marksman“ in die Rolle eines Scharfschützen.

Zugegeben: Auch der Anfang des Jahres bei Netflix geparkte Neo-Western mit Tom Hanks und der Oscar-nominierten Helena Zengel in den Hauptrollen erinnerte von seiner Prämisse her an zahlreiche andere Filme. Für das Kino gingen ein alter Mann und ein Kind schon häufig wider Willen eine Zweckgemeinschaft ein, aus der sich mit der Zeit eine Art Freundschaft entwickelte. Von „Léon – Der Profi“ über „Wasabi – Ein Bulle in Japan“ (übrigens beide mit Jean Reno) bis hin zu „Kick-Ass“ hat sich diese Figurenkonstellation schon vielfach – und dem Genre entsprechend variiert – bewährt. Insofern wäre es schon arg vermessen, den „The Marksman“-Autoren Robert Lorenz („Back in the Game“), Danny Kravitz und Chris Charles vorzuwerfen, sich bei der Ausarbeitung ihres Skripts an Greengrass‘ Arbeit bedient zu haben; Die sich ja wiederum ebenfalls von diversen anderen Genrestücken inspirieren ließ. Um die Assoziation kommt man dennoch nicht herum. Zwar spielt „The Marksman“, anders als „Neues aus der Welt“, in der Gegenwart und nicht im Wilden Westen des 19. Jahrhunderts. Gleichwohl geht es in beiden Filmen darum, dass ein gewissenhafter Eigenbrötler nach dem Miterleben einer Straftat dafür Sorge trägt, dass ein zur/zum Waise/n gewordenes Kind in Sicherheit gebracht wird. Und so liegt vor dieser altbekannten Figurenkonstellation ein Roadtrip, auf dem verschiedene Hindernisse das ungleiche Duo nicht nur zusammenschweißen, sondern auch mehr als einmal das Leben der beiden in Gefahr bringen. So weit, so bekannt.

„Vor der altbekannten Figurenkonstellation liegt ein Roadtrip, auf dem verschiedene Hindernisse das ungleiche Duo nicht nur zusammenschweißen, sondern auch mehr als einmal das Leben der beiden in Gefahr bringen. So weit, so bekannt.“

Allzu sehr variiert Regisseur und Co-Autor Robert Lorenz ebendiese Prämisse nicht, sondern geht stattdessen für knapp 110 Filmminuten auf Nummer sicher. „The Marksman – Der Scharfschütze“ lässt sich dramaturgisch von Beginn an auszählen. Von der knappen Einführung von Protagonist Jim als raubeinigem Eigenbrötler über die oberflächliche Charakterisierung der Schurken, über die man nicht mehr erfährt, als dass sie Mitglieder eines mexikanischen Drogenkartells sind und daher genau so aussehen und handeln, wie man sich solche Leute eben vorstellt, bis hin zu detaillierten Storybeats im weiteren Verlauf dieses gefährlichen Roadtrips (inklusive Hotelaufenthalt, bei dem sich Jim und sein Schützling durch lange, intime Gespräche freundschaftlich näher kommen), verläuft „The Marksman“ die meiste Zeit über in absehbaren Bahnen. Gleichwohl gefällt der Umgang mit einem besonderes elementaren Bestandteil einer solchen Geschichte: die Verbindung zwischen Jim und Miguel. Anders als schon oft gesehen, zeigt sich der ehemalige Marineoffizier, seiner harten Schale zum Trotz, nämlich längst nicht so widerwillig gegenüber seinem Schützling, wie man es von einer solchen Geschichte gewohnt ist. Stattdessen lässt Jim von Anfang an durchscheinen, wie gewissenhaft er mit dieser Situation umgehen und dem hilflosen Miguel zur Seite stehen möchte. Entsprechend angenehm ist es dann auch, dass die weitere Interaktion zwischen den beiden Figuren nicht davon geprägt ist, dass die beiden bemüht Gegensätze überwinden müssen, um sich näherzukommen. Es geht vielmehr darum, dass die zwei einander ganz authentisch kennenlernen, um gewisse naturgegebenen Distanzen – resultierend aus dem unterschiedlichen Alter und der verschiedenen Lebensumstände – zu überwinden.

Jim hat nur eine Aufgabe: den Waisenjungen Miguel (Jacob Perez) sicher nach Hause bringen.

Durch die lebensechte Interaktion zwischen Liam Neeson und Newcomer Jacob Perez gefallen vor allem jene Szenen, in denen „The Marksman“ das freundschaftliche Zusammenwachsen der beiden abbildet. Doch leider machen diese Sequenzen nur einen Bruchteil der gesamten Laufzeit aus. Schließlich ist der Film (auch) ein weiterer Eintrag in Liam Neesons Actionfilmvita. Auf ihrem Roadtrip von Arizona nach Chicago wird Jim daher mehrmals als das gefordert, was er vor seiner Zeit als Pensionär war: als Scharfschütze. Doch wer sich davon besonders kreative Actionszenen erhofft, die aufgrund von Jims Profession anders ausfallen als üblich, der könnte enttäuscht werden. Stattdessen sieht man den Protagonisten hier eben vor allem mit einem Gewehr, anstatt – wie sonst üblich – mit einem Revolver um sich ballern. Ansonsten ist der Aufbau der mal aus Verfolgungsjagden, mal aus Shoot-Outs und den altbewährten Erpresserszenarien besteht, weitestgehend unspektakulär. Oder besser: routiniert. Denn der fehlenden Varianz zum Trotz, überzeugt „The Marksman“ mit gelungenem Handwerk. Kameramann Mark Patten („Silence“) und sein Editor Luis Carballer („The Infiltrator“) sorgen selbst in den hektischsten Szenen für die notwendige Übersicht. Auch der sparsame Einsatz von Computereffekten verleiht den im Großen und Ganzen sehr knackigen Actionszenen eine ansprechende Haptik. Unter den vielen vergleichbaren Liam-Neeson-Vehikeln der letzten Jahre gab es mit Sicherheit schon abwechslungsreichere Kandidaten, aber auch genügend, die deutlich schlechter inszeniert waren.

„Unter den vielen vergleichbaren Liam-Neeson-Vehikeln der letzten Jahre gab es mit Sicherheit schon abwechslungsreichere Kandidaten, aber auch genügend, die deutlich schlechter inszeniert waren.“

Fazit: „The Marksman – Der Scharfschütze“ kombiniert altbekannte Action- respektive Liam-Neeson-Filmmotive. Das Ergebnis ist ein grundsolider Mix aus ansehnlich inszeniertem Gut-gegen-Böse-Thriller und sympathischem „Zwei-Fremde-werden-zu-Freunden“-Roadmovie.

„The Marksman – Der Scharfschütze“ soll noch in diesem Jahr in die deutschen Kinos kommen.

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