Bad Trip

Was passiert, wenn man die Story einer Buddy-Roadtrip-Komödie mit Versteckte-Kamera-Streichen kollidieren lässt? Die Netflix-Comedy  BAD TRIP passiert – und enterte damit umgehend die oberen Platzierungen der Netflix-Charts. Ob sich das Anschauen lohnt, verraten wir in unserer Kritik.

OT: Bad Trip (USA 2021)

Der Plot

Chris Carey (Eric André) und Bud Malone (Lil Rel Howery) sind beste Freunde – und große Versager. Als Chris die Chance bekommt, mit seinem High-School-Schwarm Maria Li (Michaela Conlin) anzubändeln, hat er nichts anderes mehr im Sinn – und beschließt daher, aktiver und entschlossener denn je vorzugehen. Dass das jedoch bedeutet, Buds krimineller Schwester Trina (Tiffany Haddish) das Auto zu stehlen und spontan von Florida nach New York City zu fahren, stellt nicht nur Buds Nerven auf die Probe. Sondern auch das seelische sowie körperliche Wohl aller, die dem Chaos-Duo auf seiner Reise begegnen …

Kritik

„Bad Trip“ beginnt damit, dass Eric André („Michael Bolton’s Big, Sexy Valentine’s Day Special“) als Autowäscher arbeitet und völlig erstaunt einem Kunden erzählt, dass gerade seine erste große Liebe aufgekreuzt ist. Er müsse bei ihr Eindruck schinden und sich endlich trauen, sie um ihre Nummer zu bitten – und dann werden seine Klamotten von einem überpowerten Staubsauger verschluckt. Auch wenn die absurde Sekunde, in der Andrés Figur Chris nackt dasteht, pointiert ist: Der Witz der Szene generiert sich deutlich stärker aus dem Danach. Regisseur Kitao Sakurai („The Passage“) fängt Chris‘ verdatterten Kunden ein und lässt das mit versteckter Kamera eingefangene Material in Ruhe laufen, wie er um Worte ringt und sich bemüht, Chris aus seiner misslichen Lage zu helfen.

Tiffany Haddish als kürzlich aus dem Knast geflohene Trina Malone.

Dieser Einstieg repräsentiert trefflich eine der Facetten von „Bad Trip“. Denn viele, und nahezu durchgehend die besten, Szenen dieser Alibiplot-trifft-Streiche-Komödie bestechen dadurch, dass fiese Versteckte-Kamera-Aktionen überraschend empathisch beantwortet werden. Bar-Besucher:innen sorgen sich um einen explosionsartig kotzenden Chris, Passant:innen versuchen einen deftigen Streit zwischen Chris und Bud zu schlichten, die sich frisch aus einem spektakulären Autounfall gerettet haben (!), ein genügsamer, älterer Herr entschuldigt Chris‘ manisches Verhalten mit einem großväterlichen Lächeln… Es ist jedes Mal aufs Neue überraschend, wie freundlich, fürsorglich oder verständnisvoll das uneingeweihte Umfeld reagiert, und Sakurai sowie sein Editing-Team Matthew Kosinski & Sascha Stanton-Craven verstehen es, diese unverfälschten, netten Reaktionen richtig zu dosieren und gegen verdatterte Passant:innen aufzuwiegen. Das absolute Highlight des Films zeigt derweil, wie „The LEGO Movie 2“-Sprecherin Tiffany Haddish im Gefängnislook durch die Straßen huscht und einen mit der Entfernung von Graffiti beauftragten Mann um Komplizenschaft bittet: Dem jungen Mann steht es ins Gesicht geschrieben, wie er mit seinem Gewissen hadert – so sehr, bis es ihm sichtbar körperliches Unbehagen bereitet. Es ist urkomisch, herzlich und fremdschämig, und das steigert sich, sobald ein als Polizist verkleideter (weißer!) Schauspieler den schwarzen (!) Augenzeugen ausfragt. Man könnte diese Szene aus „Bad Trip“ lösen und in einer überambitionierten Stunde des Engagements stundenlang auf ihre Aussagen über verinnerlichte Rassismusängste, Zusammenhalt, Misstrauen in die Polizei und Klassenunterschiede abklopfen. So genial ist sie.

„Es ist jedes Mal aufs Neue überraschend, wie freundlich, fürsorglich oder verständnisvoll das uneingeweihte Umfeld reagiert, und Sakurai sowie sein Editing-Team Matthew Kosinski & Sascha Stanton-Craven verstehen es, diese unverfälschten, netten Reaktionen richtig zu dosieren und gegen verdatterte Passant:innen aufzuwiegen.“

Eine andere Facette von „Bad Trip“ operiert eher unter dem Motto: „Filmlogik, in die reale Welt übertragen“, denn immer wieder drehen sich die Versteckte-Kamera-Streiche darum, dass sich ein lauter, exaltierter Chris wie in einer überzogenen RomCom aufführt – nur, dass halt die Umstehenden aus unserer realen Welt längst nicht so mitgehen wie im Romantikkino: Wenn Chris in einem Smoothie-Shop arbeitet und seine heimliche Liebe vor allen anderen Kund:innen vorlässt, im öffentlichen Personennahverkehr lautstark und pathetisch über sein Liebesleben spricht, oder sonst wie die Ruhe eines Moments für sein „Ich bin der Protagonist einer Liebeskomödie, pflichtet mir bei!“-Gehabe stört, besteht der Humor der Sequenzen daraus, wie der Alibiplot gegen reales, abwehrendes Verhalten knallt.

Eric André und Lil Rel Howery nehmen ahnungslose Menschen auf’s Korn.

Diese Passagen sind ungleichmäßiger gelungen: Manchmal trägt André so dick auf, dass es zu deutlich die erwünschten Reaktionen provoziert, statt dass die Situation aus sich heraus wirkt. Manchmal ist die Versteckte-Kamera-Aktion zu durchsichtig eingefädelt oder gibt einfach nicht genug Witz her, um ihre Laufzeit zu tragen. Aber wenn diese Situationen zünden, geben sie einen süffisanten Kommentar auf Genrekonventionen ab – und im Zusammenspiel damit, wie viel freundlicher die Leute bei einigen der wilderen Streiche reagieren, gestatten sie einen kuriosen, amüsanten Einblick ins menschliche Alltagsverhalten. Wieder andere „Bad Trip“-Strecken sind erzählerisch unelegant in den Alibiplot gehebelte, ihren Witz überreizende Ekelsketche. Bei denen sind zwar die praktischen Effekte bemerkenswert glaubwürdig geraten, jedoch wirken sie in „Bad Trip“ völlig verloren, da sie weder etwas zum erzählerischen roten Faden beitragen, noch zur generellen Humorfarbe des Films. Der Pseudoplot wiederum tut zwar seine Schuldigkeit, um die einzelnen Sketche zu verbinden, doch er kommt bei Weitem nicht an die Aussagekraft des zweiten „Borat“ oder die von den Figuren ausgehende, emotionale Ehrlichkeit von „Jackass präsentiert: Bad Grandpa“ heran.

Außerdem Wichtig: Wer sich „Bad Trip“ anschaut, sollte auf jeden Fall auch beim Abspann dran bleiben, denn dieser gewährt sehenswerte Einblicke in den Entstehungsprozess. So wird ohne falsche Scheu unter anderem offengelegt, dass viele Sketche mehrmals gedreht wurden (und sich das Filmteam die passendsten Reaktionen rausgesucht hat), wie die „Opfer“ auf die Auflösung reagierten, und wie André das Filmteam warnt, wenn ein Streich droht, schiefzugehen.

„Manchmal ist die Versteckte-Kamera-Aktion zu durchsichtig eingefädelt oder gibt einfach nicht genug Witz her, um ihre Laufzeit zu tragen. Aber wenn diese Situationen zünden, geben sie einen süffisanten Kommentar auf Genrekonventionen ab.“

Fazit: „Bad Trip“ ist längst nicht so ambitioniert wie die Versteckte-Kamera-trifft-Comedy-Versuche von Sacha Baron Cohen, und auch nicht so kurios-faszinierend wie „Jackass präsentiert: Bad Grandpa“. Doch einzelne Momente sind so herrlich Voll-auf-die-Zwölf, dass diese Komödie für Fans dieses rar gesehenen Subgenres klar empfehlenswert ist.

„Bad Trip“ ist ab sofort bei Netflix streambar.

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