Happily

Der Einen Freud ist der Anderen Leid – in der schwarzen Komödie HAPPILY wird dieses Sprichwort zum Programm, wenn das von Joel McHale und Kerry Bishé verkörperte Ehepaar seine Umwelt mit seiner nie enden wollenden Glückseligkeit in den Wahnsinn treibt. Doch leider kann Regisseur und Autor BenDavid Grabinski das Potenzial seiner Geschichte nicht vollends ausschöpfen. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.

OT: Happily (USA 2021)

Der Plot

Tom (Joel McHale) und Janet (Kerry Bishé) sind seit über 14 Jahren verheiratet. Und doch können die beiden keine Sekunde ohneeinander. Sie sind noch immer so glücklich wie am ersten Tag ihrer Beziehung. Allerdings gefällt dieser Umstand nicht jedem. Als sie feststellen, dass ihre Freunde sich über ihre ständigen öffentlichen Zuneigungsbekundungen ärgern, beginnt das Paar, die Loyalität aller um sie herum in Frage zu stellen. Ein Besuch eines mysteriösen Fremden (Stephen Root), der etwas davon faselt, dass die beiden „nicht normal“ seien, versetzt sie in eine existenzielle Krise, die zu einer Leiche, vielen Fragen und einem sehr angespannten Paarurlaub mit vielen anderen, eigentlich befreundeten Pärchen führt…

Kritik

Jede Person, die schon einmal in einer Beziehung war, weiß, dass die rosarote Phase des Verliebtseins irgendwann einmal vorbei ist. Im besten Fall folgt anschließend eine mit der Zeit sukzessive steigende Zuneigung gegenüber des Partners oder der Partnerin – Liebe eben. Im schlechtesten Fall stellt man nach der anfänglichen Euphorie jedoch fest, dass man so überhaupt nicht zueinander passt. Alltagsproblemen und der Gewöhnung aneinander sei „Dank“. In Liebesfilmen müssen sich Paare nur selten mit den Banalitäten des gemeinsamen Zusammenlebens auseinandersetzen; Eine RomCom endet in der Regel damit, dass sich das Paar kriegt. Sicher gibt es auch zahlreiche Filme über romantisch-zwischenmenschliche Probleme, doch sind diese dann meist ziemlich schwerwiegender Natur, um eine eben nicht von bloßen Banalitäten durchzogene Dramahandlung aufrechtzuerhalten. Und seien wir einmal ehrlich: Wer will denn schon einem seit Jahren miteinander liierten Pärchen beim Mehr-oder-weniger-glücklich-sein zuschauen, wenn man derartige Beobachtungen zur Genüge im eigenen Umfeld (oder gar an sich selbst) anstellen kann? Regisseur und Drehbuchautor BenDavid Grabinski („Are you afraid of the Dark?“) fand diese Lebens- und Liebesphase dagegen umso interessanter – und führt sie für sein Langfilmdebüt „Happily“ ad absurdum. Schade nur, dass seine potenziell richtig düstere Pärchenanalyse ziemlich zahnlos ausfällt.

Ein heißes, erstes Date auf einer Party? Nein, Tom (Joel McHale) und Janet (Kerry Bishé) sind bereits seit 14 Jahren verheiratet.

In „Happily“ steht ein Ehepaar im Mittelpunkt, das bereits seit 14 Jahren verheiratet, bei dem von Gewöhnungserscheinungen jedoch nichts zu spüren ist. Geschickt spielt BenDavid Grabinski bereits in der aller ersten Szene mit den Erwartungen des Publikums und inszeniert einen Partybesuch seiner Hauptfiguren als leidenschaftlich-erotisches Kennenlernen mit anschließendem Sex auf der Toilette. Selbst wenn man um die Prämisse weiß, kommt man nicht umher, diese Klischeeszene falsch zu deuten. Denn der Auftakt von „Happily“ ist keine Rückblende, die uns zeigen soll, wie sich Tom und Janet einst kennenlernten, sondern einfach nur irgendeine Party, auf der sich das Ehepaar benimmt, als führe es ganz frisch aufeinander ab. „Community“-Star Joel McHale und seine Film-Ehefrau Kerry Bishé, die Serienfans unter anderem aus „Penny Dreadful: City of Angels“ und „Halt and Catch Fire“ kennen dürften, harmonieren als nimmermüdes Liebespärchen hervorragend – und zwar sowohl unter dem Gesichtspunkt, dass die beiden bereits seit Jahren verheiratet sind als auch in der von Anfang an rätselhaft inszenierten Position der für alle Zeit frisch Verliebten. Zu Beginn setzt Grabinski gleich mehrere Momente des Zusammenlebens so in Szene, dass man den Alltagstrott, dem sich die beiden ausgesetzt sehen, förmlich greifen kann und man hinter den strahlenden Gesichtern der beiden zwangsläufig eine Fassade vermutet. Doch der Filmemacher löst sie immer wieder geschickt ins Gegenteilige auf, bis man sich endgültig sicher sein kann: Ja, diese beiden sind nach 14 Jahren Ehe wirklich noch so glücklich wie am ersten Tag.

„Zu Beginn setzt Grabinski gleich mehrere Momente des Zusammenlebens so in Szene, dass man den Alltagstrott, dem sich die beiden ausgesetzt sehen, förmlich greifen kann und man hinter den strahlenden Gesichtern der beiden zwangsläufig eine Fassade vermutet.“

Gleichwohl macht BenDavid Gabinski mit seinem Inszenierungsstil auch von Beginn an deutlich: Die Idylle in „Happily“ ist trügerisch. Und so geht es in dem nur schwer einem einzelnen Genre zuzuordnenden Film (die von iTunes und der Internet Movie Database getroffene Einordnung bei „Comedy“ greift längst nicht weit genug!) nicht darum, die Harmonie zwischen Tom und Janet zu zelebrieren, sondern von Beginn an nach einer Erklärung für ihre nie enden wollende Zufriedenheit zu finden. Das lässt „Happily“ von Anfang an ein wenig zynisch erscheinen; Ein sich selbst nach 14 Jahren noch begehrendes Liebespaar – das kann doch einfach nicht normal sein. Dazu passt auch die Zeichnung des Freundeskreises, der sich am Glück der beiden nicht einfach erfreuen kann, sondern sich nach und nach genervt davon zeigt, dass Tom und Janet so viel glücklicher zu sein scheinen als jede/r Einzelne von ihnen. Zynisch ist das Eine, reizvoll das Andere. Mit seinem minimalistischen, bedrohlich wabernden Score erschafft Komponist Joseph Trapanese („Robin Hood“) eine Atmosphäre allgegenwertiger Anspannung. Der mit Unschärfen und verschiedenen Farbfiltern spielende Kameramann Adam Bricker („Starry Eyes“) unterstreicht das diffuse Gefühl der Bedrohung mit seinen Bildkompositionen. Die audiovisuelle Aufmachung von „Happily“ sorgt sogar für eine geistige Verwandtschaft mit Lorcan Finnegan bitterbös-brillanter Familienidyll-Dekonstruktion „Vivarium“. Selbst zwischen dem einlullenden Hausverkäufer Martin und dem mysteriösen Fremden, der Tom und Janet allerdings keine neue Bleibe andrehen, sondern ihnen ihre Harmonie madig machen will, bestehen gewisse bedrohliche Ähnlichkeiten. Zudem eint ihre Auftritte, dass es sowohl in „Vivarum“ als auch in „Happily“ erst dann so richtig zur Sache geht, nachdem sich die Nebenfiguren bereits aus dem Film verabschiedet haben. Mit dem kleinen Unterschied, dass sich in „Vivarium“ daraufhin eine ungemein unterhaltsame (und doch verdammt fiese) Allegorie auf die Sinnlosigkeit der menschlichen Existenz entspinnt, während die Macher:innen von „Happily“ schlicht nicht zu wissen scheinen, was sie mit ihrer vielversprechenden Ausgangslage nun eigentlich anfangen sollen.

Was hat es mit dem mysteriösen Fremden (Stephen Root) auf sich?

Wenngleich die Frage, ob Toms und Janets Dauerverliebtheit normal ist oder aber von einem „Defekt“ herrührt (was „Happily“ wiederum in Sci-Fi-Gefilden verorten würde), wird zwar in der ersten Filmhälfte klar ausformuliert, die Beantwortung derselben spielt im weiteren Verlauf jedoch kaum mehr eine Rolle. Muss sie auch gar nicht, denn BenDavid Grabinski ist sichtbar an etwas ganz Anderem gelegen. Fortan widmet er sich der Gegenüberstellung von Tom und Janet sowie ihren zahlreichen befreundeten Pärchen, mit denen sie in der zweiten Filmhälfte einen Kurzurlaub in einem luxuriösen Anwesen verbringen. Das Entlarven von aufrechterhaltenen Fassaden und vorgespieltem Glück sowie die Analyse dessen, was ein Ehepaar nun eigentlich wirklich glücklich macht, drängt sich zu jeder Sekunde von „Happily“ auf. Gleichwohl führt Grabinski all diese Ansätze zu keinem Ende. Die allesamt mit unterschiedlichen (Ehe-)Problemen belasteten Pärchen in „Happily“ bleiben in ihrer Zeichnung viel zu oberflächlich, um tatsächlich Interesse für ihre Situation zu schüren. Sogar die Dynamik zwischen Tom und Janet beginnt mit der Zeit unter dem heraufbeschworenen Versuchsanordnungsdasein des Films zu leiden. Ganz so, als brächte das Skript sämtliche Elemente seiner filmischen Beziehungsstudie in Position, nur um das eigentliche Spiel gar nicht erst zu beginnen. Insbesondere das zahlreiche erzählerische Leerstellen aufweisende Finale erweist sich als ganz und gar unbefriedigend. Hier bleibt nicht bloß der Subtext auf der Strecke, sondern gleich die ganze Handlung.

„Das Entlarven von aufrechterhaltenen Fassaden und vorgespieltem Glück sowie die Analyse dessen, was ein Ehepaar nun eigentlich wirklich glücklich macht, drängt sich zu jeder Sekunde von „Happily“ auf. Gleichwohl führt Grabinski all diese Ansätze zu keinem Ende.“

Während es Joel McHale und Kerry Bishé immerhin weitestgehend gelingt, die Drehbuchschwächen mit ihrer stimmigen Chemie zu kaschieren, haben ihre Kolleg:innen die undankbare Aufgabe, Figuren zu verkörpern, die von der Ausarbeitung her bloßen Karikaturen entsprechen (die Femme Fatale, die Toughe, der Loser…), aber nicht als solche inszeniert werden. „Happily“ wird nie absurd genug, um mit überhöhten Figuren-Performances zu funktionieren, sondern krankt stattdessen daran, dass die Macher:innen sie im luftleeren Raum agieren lassen. Und so entsteht der Eindruck, Grabinski wüsste nicht bloß nichts mit seiner Geschichte, sondern noch weniger mit den Figuren anzufangen – dabei wären die ersten 20 Minuten von „Happily“ ein perfekter, fies-witziger Kurzfilm, der der angestrebten Pärchenanalyse wesentlich mehr hinzuzufügen hat als die 70 Minuten, die dem noch folgen.

Fazit: Eine hervorragende Idee ernüchternd umgesetzt: Langfilmdebütant BenDavid Grabinski gelingt es leider nicht, das Potenzial seiner bitterbösen Ehe-Analyse über die volle Laufzeit auszuschöpfen und lässt am Ende zahlreiche Fragezeichen offen und angebissene Handlungsstränge liegen. Trotzdem dürfte es spannend sein, Grabinskis Werdegang weiterzuverfolgen. Insbesondere in der audiovisuellen Gestaltung offenbart sich ein Potenzial, das den Newcomer noch als Genrefilmer auszeichnen könnte.

„Happily“ ist ab sofort auf US-amerikanischen Streamingportalen abrufbar.

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