Sputnik

Der russische Sci-Fi-Horrorthriller SPUTNIK bekam von der FSK zunächst eine Altersfreigabe ab 18 Jahren, doch der Verleih Capelight ging erfolgreich in Berufung. Mehr dazu, und was der Film sonst so drauf hat, verraten wir in unserer Kritik.

OT: Sputnik (RUS 2020)

Der Plot

Niemand weiß, was vorgefallen ist. Aber das Raumschiff Orbita-4 ist mit schweren Schäden in der Sowjetunion abgestürzt. Nur Kommandant Konstantin Veshnyakov (Pyotr Fyodorov) hat überlebt – doch er ist nicht mehr er selbst. Kurzerhand wird er in ein abgelegenes Forschungslabor verfrachtet, wo man ihn untersucht – und feststellt, dass seine Wunden erschreckend schnell heilen. Die taffe Psychologin Tatyana Klimova (Oksana Akinshina) stellt zudem beunruhigende Verhaltensauffälligkeiten bei Konstantin fest. Das Militär, das sie ins Labor verfrachtet hat, zeigt Tatyana daraufhin eine schaurige, sogar monströse Sache – die aber Neugier bei der Psychologin weckt…

Kritik

Das Fantasy Filmfest ist nicht unbedingt ein Tummelplatz für russische Filme, dessen ungeachtet ist es eine verlässliche Anlaufstelle, an der Filminteressierte wenigstens auf so manche beachtenswerte Werke aus Russland hingewiesen werden. Auf dem (coronabedingt verkürzten) Fantasy Filmfest 2020 wurde das russische Kino durch „Sputnik“ vertreten, einen 1983, also in den letzten Atemzügen des Kalten Krieges, spielenden Alien-Horrorfilm. Beim Festivalpublikum hinterließ er durchaus Eindruck – und bei der FSK erst recht! Denn nach dem Fantasy Filmfest legte der Verleih Capelight Pictures die russische „Alien“-Antwort der FSK vor – und bekam eine Altersfreigabe ab 18 Jahren zurück. Diese Entscheidung verwirrte nicht bloß viele Filmfans, die den zwar nicht gerade zimperlichen, aber nach heutigen Gewohnheiten auch keinesfalls auf ab-18-Niveau blutrünstigen Sci-Fi-Horror auf dem Genrefestival gesehen haben. Sondern auch den Verleih, der prompt Revision einberufen und eine Neuprüfung gefordert hat.

Kommandant Konstantin Veshnyakov (Pyotr Fyodorov) hat etwas Grauenvolles gesehen…

Capelight-Geschäftsführer Steffen Gerlach kommentierte dies gegenüber dem Online-Filmmagazin Filmstarts wie folgt: „Eine FSK 18 würde beim Publikum eine andere Erwartungshaltung aufbauen, da hier gegebenenfalls mehr Gewalt und Splatter antizipiert würde als der Film zu bieten hat. In ‚Sputnik‘ stehen die starke Story, hochwertiges Produktionsdesign, Suspense und Atmosphäre im Vordergrund. Nur vereinzelt gibt es eingestreute Gewaltspitzen, die jedoch nie dem Selbstzweck dienen, was man bei einem FSK-18-Titel vermuten könnte.“ Das Prüfgremium in der Revisionsrunde teilte diese Argumentation und gab „Sputnik“ ohne Kürzungen ab 16 Jahren frei. Dass wir diesem Freigabenvorfall hier mehrere Absätze widmen, lässt dennoch tief blicken. Denn die kurze FSK-Irritation ist bereits der spannendste Aspekt an diesem russischen Sci-Fi-Import. Nicht, dass „Sputnik“ ein besonders schwacher Genrevertreter sei – es ist schlicht so, dass seine Stärken nicht prägnant genug wären, dass sich viel digitale Tinte über sie vergießen ließe.

„Dass wir diesem Freigabenvorfall hier mehrere Absätze widmen, lässt tief blicken. Denn die kurze FSK-Irritation ist bereits der spannendste Aspekt an diesem russischen Sci-Fi-Import.“

So holt das Drehbuch von Oleg Malovichko und Andrei Zolotarev thematisch wenig aus seinem zeitlichen Setting 1983 raus. Zwar ließe sich mit viel Willen und Mühe in die Geschichte eines Russen, der nach einer Mission verändert in sein Heimatland zurückkehrt und so sein Umfeld verängstigt, aber durch das, was er nun in sich trägt, auch gestärkt wird, eine politische Parabel lesen: Konstantin Veshnyakov sah über den Tellerrand von Mütterchen Russland hinaus, verinnerlichte abweichende Vorstellungen, und gilt daher als Bedrohung, obwohl er keinen Schaden davongetragen hat – und manche wollen ihren eigenen Vorteil daraus gewinnen, was eine potentiell noch größere Gefahr für das Land bedeuten könnte. Was sich aber in großen Zügen irgendwie auf die politideologischen Auseinandersetzungen des West- und Ostblocks im Kalten Krieg anwenden lässt, gerät im laufenden Film mit den rein funktionalen Dialogen und einigen hölzernen, ungelenk eingefädelten Plot-Enthüllungen in Konflikt. Die thematischen Parallelen sind vielleicht als Spurenelemente in „Sputnik“ enthalten, doch in allererster Linie ist Egor Abramenkos Regiearbeit ein geradliniger Sci-Fi-Thriller über eine Forschungsstation in potenzieller, überwältigender Gefahr, der B-Movie-Plotpunkte mit fähigerem ästhetischen Sinn umsetzt.

Es ist nicht von dieser Welt…

Abramenko schafft mit einer sich langsam entfaltenden Erzählweise und sich geschliffen zuspitzenden Sequenzen, in denen sich nach und nach innere oder äußere (manchmal sogar innere und äußere) Bedrohungen für die Figuren anbahnen, kühle Suspense. Das Produktionsdesign erweckt gekonnt eine staubige, karge Ostblock-Militärstimmung und Maxim Zhukovs Kameraarbeit lässt zwar manchmal Potential liegen, trotzdem fängt sie das Geschehen effizient und stimmungsvoll ein. Oleg Karpachevs Filmmusik wiederum ist nicht nur richtig schön kräftig abgemischt, sondern obendrein sehr einprägsam und schafft eine basslastige Klangtapete für das Mischmasch aus figurenbasierter, atmosphärischer und blutiger Spannung. Auf Darstellerseite gibt es dagegen nicht viel zu sagen: Während Pyotr Fyodorov in der Kosmonautenrolle blass bleibt, gibt Oksana Akinshina eine solide Performance als taffe Psychologin, deren empathische und kompromisslose Seite miteinander ringen. Sobald der Film seine klaustrophobische Grundstimmung zurücklässt, um mehr digitalen Splatter zu zelebrieren, lässt aufgrund des abflauenden Skripts jedoch auch ihr Spiel nach. Und der Rest des Casts besteht aus Abziehbildchen und Kanonenfutter, weshalb das solide inszenierte, härtere Finale seine emotionale Kraft nicht voll entfalten kann.

„Abramenko schafft mit einer sich langsam entfaltenden Erzählweise und sich geschliffen zuspitzenden Sequenzen, in denen sich nach und nach innere oder äußere Bedrohungen für die Figuren anbahnen, kühle Suspense.“

Fazit: Solange „Sputnik“ auf langsam brodelnde Thrills setzt, ist dieser russische Alien-Film gut umgesetztes, solide geschriebenes Genrekino. Sobald die Gewaltspitzen in höherer Taktung kommen, zerfasert der Stoff leider.

„Sputnik“ ist ab dem 4. Dezember auf DVD und Blu-ray Disc erhältlich.

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