Nobody Sleeps in the Woods Tonight

Der polnische Slasher NOBODY SLEEPS IN THE WOODS TONIGHT hat sich überraschend in den Netflix-Charts festgekrallt. Wie das wohl passieren konnte und was der VOD-Hit so drauf hat, das verraten wir in unserer Kritik zum Film.

OT: W lesie dzis nie zasnie nikt (PL 2020)

Der Plot

Eine Gruppe technikabhängiger Teenager geht ins Offline-Camp. Fürs Digital Detox. Um sich die Sucht abzugewöhnen. Oder einfach für ein Abenteuer. Manche von ihnen sind sogar zum wiederholten Mal dort. Aber diese Runde des Camps läuft nicht so ab, wie sie sollte: Das gemeinsame Wandern im Wald ohne Zugang zu Smartphones mutiert bald zum Blutbad. Denn im Wald lauert eine tödliche Gefahr, die Jagd auf Teenager macht. Werden wenigstens manche von ihnen ihr entkommen und lernen, was wahre Freundschaft, Liebe und Opferbereitschaft sind?

Kritik

Klassische „Ein Killer ist hinter uns her, lasst uns abhauen“-Slasher haben ihre eingeschworene Fangemeinde – sind aber in der Form, in der sie populär geworden sind, immer schwieriger umzusetzen. Denn während es in den Achtzigerjahren plausibel war, dass eine Horde Jugendlicher wie eine Schar aufgescheuchter Hühner durch den Wald rennt, während ein Maskenmörder sie Stück für Stück aufschlitzt – und während in den Neunzigern Figuren noch als Killer verdächtigt wurden, weil sie ein Handy bei sich trugen – so drängt sich heutzutage zwangsweise ununterbrochen bei solchen Storykonstrukten die Frage auf: „Warum ruft niemand Hilfe?“

Nachts, allein im Wald, ohne Handy, auf den Killer wartend…

Horror-Filmschaffende haben seither drei verschiedene Pfade eingeschlagen, um mit dem Storyproblem Handy umzugehen: Manche versuchten, die Existenz von Handys einfach so lange wie möglich zu ignorieren, oder irgendwelche fadenscheinige Ausreden parat zu halten („Wir sind viel zu weit draußen!“, „Oh nein, unser aller Akkus sind gleichzeitig leer gegangen!“). Diese Lösung stirbt allmählich aus. Andere drehen an der Uhr und lassen ihre Slasher einfach in der Vergangenheit spielen, oder kreieren gar eine eigene, diffuse Ästhetik, die kein konkretes zeitliches Setting zulässt, so dass sie die Frage „Warum zücken nicht einfach alle ihr Handy?“ ins Aus spielen. Und dann gibt es noch die Option, einen plausiblen handlungsimmanenten Grund zu kreieren. Freunde machen „endlich mal ein Wochenende ohne Handy“. Oder die Teile wurden geklaut. Oder sind sehr früh in der Story kaputt gegangen. Oder es geht um ein Anti-Handy-Camp. Diese Digital-Detox-Lösung wird zwar ganz langsam zu ihrem eigenen Slasherklischee, jedoch ist es noch immer die smartere Option als auf eine Kette von Zufällen zu setzen oder den telekommunikativen Elefanten im Raum ganz zu ignorieren.

„Horror-Filmschaffende haben drei verschiedene Pfade eingeschlagen, um mit dem Storyproblem Handy umzugehen: Manche versuchten, die Existenz von Handys einfach so lange wie möglich zu ignorieren, andere drehen an der Uhr und lassen ihre Slasher einfach in der Vergangenheit spielen. Und dann gibt es noch die Option, einen plausiblen handlungsimmanenten Grund zu kreieren.“

Der polnische Slasher „Nobody Sleeps in the Woods Tonight“ hat sich für die Digital-Detox-Abzweigung entschieden – sonst aber mutet das, was Autor und Regisseur Bartosz M. Kowalski („Playground“) und die ebenfalls am Drehbuch mitwirkenden Jan Kwiecinski und Mirella Zaradkiewicz hier auftischen ganz nach (Retro-)Hommage an. Denn „Nobody Sleeps in the Woods Tonight“ hakt pflichtbewusst eine Referenz (oder aber eine abgekupferte Nummer) nach der anderen ab. Das „Camp mitten im Wald“-Setting kennt man unter anderem aus „Freitag der 13.“ und „Blutiger Sommer – Das Camp des Grauens“. Eine Nebenfigur merkt an, dass die Geschehnisse frappierend an Horrorfilme erinnern – und bald darauf werden „die sechs Todsünden eines Horrorfilms“ aufgelistet, die deinen sicheren Tod bedeuten. „Scream“ lässt grüßen. Einzelne Kills in „Nobody Sleeps in the Woods Tonight“ sind direkte Kopien ikonischer Tötungen aus „Freitag, der 13.“- oder „Wrong Turn“-Filmen. Und (um über den Tellerrand zu schauen) aus „Fargo“. Es gibt eine aus dem Nichts kommende Szene mit einem langen, ulkigen Polizistenmonolog – als Abwandlung der Polizistenszenen aus „Das letzte Haus links“. Und damit ist die Kopierparty noch lange nicht zu Ende.

Dieses Wesen hat es auf die Teens abgesehen.

Es wird im Auge der Betrachtenden liegen, was davon zu halten ist. Kowalski vermischt seine Vorbilder nicht so virtuos mit eigenen Ideen, wie es Referenzenmeister wie Quentin Tarantino, Edgar Wright, Wes Anderson oder Paul Thomas Anderson tun. Und genauso wenig ist „Nobody Sleeps in the Woods Tonight“ ein augenzwinkernder, selbstironischer Horror-Partyfilm wie etwa der herrlich süffisante „You Might Be the Killer“. Das werden die Einen faul nennen, die Anderen freuen sich, mal wieder einen Slasher-Rücksturz zu erleben, der weder auf einem hohen Ross reitet, noch rumblödelt. Und immerhin ist seine Killer-Backstory durchaus außergewöhnlich. Dessen ungeachtet: Was „Nobody Sleeps in the Woods Tonight“ vor allem macht, ist Lust auf seine Vorbilder zu wecken. Wenn man sie denn kennt – wenn man sie nicht kennt, bleibt dagegen ein geradliniger Teenie-Slasher, der wenig herausstechende Merkmale hat und somit alles in allem nicht lange in Erinnerung bleibt. Darüber hinaus fühlt er sich selbst mit einer Länge von etwas mehr als 100 Minuten bereits überdehnt – im Mittelteil tritt er nämlich zu sehr auf der Stelle.

„Was „Nobody Sleeps in the Woods Tonight“ vor allem macht, ist Lust auf seine Vorbilder zu wecken. Wenn man sie denn kennt. „enn man sie nicht kennt, bleibt ein geradliniger Teenie-Slasher, der wenig herausstechende Merkmale hat und somit alles in allem nicht lange in Erinnerung bleibt.“

Das heißt aber nicht, dass „Nobody Sleeps in the Woods Tonight“ gar keine Qualitäten hat. So ist Kowalskis Regieführung gefällig, die polierte Kameraarbeit durchaus ansehnlich und die Kills, wenn schon nicht originell, wenigstens schön derb. „Derbheit“ scheint mittlerweile für polnische Netflix-Filme zum guten Ton zu gehören („Plagi Breslau“ und „365 Days“ lassen grüßen!). Zudem sind die Figuren zwar nicht besonders facettenreich, aber wenigstens weitestgehend sympathisch, was das Mitleiden erleichtert. Wenn ein nicht geouteter Schwuler sein Herz ausschüttet oder wir zwei Freunde im ausgedehnten Todeskampf leiden sehen, macht es sich emotional bezahlt, dass „Nobody Sleeps in the Woods Tonight“ seine Teenies nicht als reines Kanonenfutter aufgereiht hat. Die angedeutete Fortsetzung darf also, muss aber nicht kommen.

Fazit: Netflix‘ Sammlung derber polnischer Filme wird um einen weiteren Eintrag ergänzt. „Nobody Sleeps in the Woods Tonight“ ist zwar weder so kühn wie „Plagi Breslau“, noch so „WTF?!“ wie „365 Days“, aber dafür ein geradliniger, altmodischer Slasher. Die Kills sind zwar oft geklaut, aber auch fast immer gut und drastisch in Szene gesetzt. Horrorware von der Stange, aber hübsch anzuschauen.

„Nobody Sleeps in the Woods Tonight“ ist ab sofort bei Netflix streambar.

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