The New Mutants

Nach einer äußerst holprigen Entstehungsgeschichte erscheint mit THE NEW MUTANTS doch noch der langersehnte „X-Men“-Ableger in den deutschen Kinos, dessen ungute Vorzeichen sich jedoch nicht vollends bestätigen. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik. 

OT: X-Men: New Mutants (USA 2020)

Der Plot

Rahne Sinclair (Maisie Williams), Illyana Rasputin (Anya Taylor-Joy), Sam Guthrie (Charlie Heaton) und Roberto da Costa (Henry Zaga) sind vier junge Mutanten, die zur psychiatrischen Überwachung in einem isolierten Krankenhaus festgehalten werden. Dr. Cecilia Reyes (Alice Braga) glaubt, dass die Teenager eine Gefahr für sich und die Gesellschaft darstellen. Deshalb behält sie sie immer genau im Blick, während sie ihnen beizubringen versucht, ihre Mutantenkräfte besser zu kontrollieren. Als mit Danielle „Dani“ Moonstar (Blu Hunt) eine weitere Mutantin eingeliefert wird, kommt es zu mysteriösen Erscheinungen. Plötzlich leiden die Patienten des Krankenhauses unter seltsamen Halluzinationen und Flashbacks. Die Situation gerät immer weiter außer Kontrolle, bis die New Mutants gezwungen sind, ihr gegenseitiges Misstrauen zu überwinden. Nur vereint und mit geballten Superkräften haben sie eine Überlebenschance…

Kritik

Die Entstehungsgeschichte von „The New Mutants“ als schwierig zu bezeichnen, trifft es bei dem permanenten Hin und Her, dem sich die Macher während der Produktionsphase ausgesetzt sahen, nicht einmal annähernd. Von Anfang an stand das Projekt, einen im Horrorgenre verorteten „X-Men“-Ableger zu inszenieren, unter keinem guten Stern. Nicht nur wusste das geldgebende Studio 20th Century Fox (heute 20th Century Studios), unter dessen Aufsicht auch der ziemlich brutale „Wolverine“-Abschluss „Logan“ entstanden ist, nach dem Wechsel zum Disneykonzern nicht so recht etwas mit dieser Idee anzufangen. Immerhin sind die Marvel-Filme aus dem Maushaus allesamt deutlich familienfreundlicher inszeniert. Außerdem kamen zuvor Reshoots, später die Flucht vor „X-Men: Dark Phoenix“ und nicht zuletzt die Corona-Krise dazwischen, sodass sich die insgesamt sechs (!) Startterminverschiebungen von „The New Mutants“ in der filmaffinen Internetcommunity irgendwann zu einem Running Gag entwickelten. Dem geht nun allerdings endgültig die Puste aus, denn den Film gibt es wirklich. Und entgegen der unguten Vorzeichen ist er nicht nur überraschend solide geworden, sondern offenbart seine Schwächen an ganz anderen Stellen, als man es bei einer solch holprigen Entstehung erwarten würde.

Illyana Rasputin (Anya Taylor-Joy) ist schon lange in der Klinik eingesperrt.

Im Anbetracht dieser produktionellen Achterbahnfahrt grenzt es schon fast an ein Wunder, dass ein erwartbarer Hauptkritikpunkt im Falle von „The New Mutants“ gar nicht greift: Der Film fühlt sich überraschenderweise wie aus einem Guss an. Von einem eventuell nachträglich stattgefundenen Zurechtbiegen zwecks Rating-Angleichung – PG13 statt R-Rating – sowie Nachdrehs keine Spur. Trotzdem hat man das Gefühl, Regisseur Josh Boone („Das Schicksal ist ein mieser Verräter“) war sich im Vorfeld selbst nicht so ganz sicher, ob er nun in die Vollen gehen, oder es doch besser bei einem eher jugendaffinen Horror belassen soll. So kommt es, dass die Kamera (Peter Deming, „The Cabin in the Woods“) bei Gewaltszenen manchmal wegblendet und insgesamt recht wenig Blut zeigt (was zugegebenermaßen auch daran liegt, dass kaum welches vergossen werden muss), dann aber wieder direkt drauf hält, etwa auf die grässlichen Fratzen der an die Monster aus „Pan’s Labyrinth“ erinnernden Dämonen. Im Gegensatz zu den meisten FSK-12-Blockbustern wirkt es jedoch nie so, als hätten sich die Macher einfach nicht getraut, noch mehr Gewalt zu präsentieren, sondern sich einfach nur den inhaltlichen Gegebenheiten angepasst, um nicht mehr von ihr zu zeigen als nötig. Sprich: Man labt sich nicht an Blut und Brutalitäten, sondern setzt sie ein, wenn sie nötig ist. Und im Anbetracht der sehr reduziert erzählten Story, in der nie die Horroreinschübe, sondern eher das Szenario an sich im Mittelpunkt steht, funktioniert dieser Ansatz unerwartet gut.

„Im Anbetracht der produktionellen Achterbahnfahrt grenzt es schon fast an ein Wunder, dass ein erwartbarer Hauptkritikpunkt im Falle von „The New Mutants“ gar nicht greift: Der Film fühlt sich überraschenderweise wie aus einem Guss an.“

„The New Mutants“ ist anders als das Gros aktueller Superheldenfilme lange Zeit kein Effektspektakel, sondern eher sowas wie ein inoffizieller Nachfolger von M. Night Shyamalans „Glass“. Auch darin geht es um Superhelden, die in einer psychiatrischen Anstalt gefangen sind, damit die Außenwelt nichts von ihren außerweltlichen Kräften mitbekommt. Es wird viel geredet und dabei sowohl von den Protagonisten als auch der in der Klinik angestellten Dr. Cecilia Reyes viele Fragen aufgeworfen, deren Antworten nach und nach das Puzzle zusammensetzen, das sich Filmrealität nennt. Wer was kann und warum, das ergründet das Drehbuchautorenteam aus Josh Boone und Knate Lee („The Stand: Das letzte Gefecht“) allerdings nur oberflächlich. Er liefert zwar genügend Informationen, um Interesse für ein eventuelles Sequel zu schüren (angelegt war die „New Mutants“-Saga ursprünglich mal als Trilogie), im Falle der Figurenzeichnung genügt das allerdings nicht. Während es Spaß macht, die Kräfte der einzelnen Superhelden nach und nach zu entdecken, hält sich Boone mit den Hintergründen seiner Charaktere so sehr zurück, dass es schwerfällt, mit ihnen selbst mitzufiebern, anstatt einfach nur neugierig zu sein, welche Mutantentricks die Gang noch so in ihrem Köcher hat. Sollte es also tatsächlich noch zu einer Fortsetzung kommen, benötigt das Skript unbedingt mehr Fleisch, an dem sich Anya Taylor-Joy („Split“), Charlie Heaton („Shut in“), Maisie Williams („Game of Thrones“) und Co. abarbeiten können. Die Nachwuchsdarsteller geben sich zwar allesamt Mühe, glaubhaft an ihren Kräften zu verzweifeln, doch so völlig ohne Background lassen sich ihre Charaktere rasch auf Stereotypen und Spleens reduzieren. Etwa wenn Anya Taylor-Joys Illyana mit einer Handpuppe kommuniziert oder sich zwischen ihr und dem Neuzugang Danielle ein klischeehafter Bitchfight entspinnt, den man in jedem High-School-Film längst überzeugender gesehen hat.

Rahne (Maisie Williams), Sam (Charlie Heaton) und Roberto (Henry Zaga) versuchen, Danielle (Blu Hunt) zu helfen.

So gut es „The New Mutants“ tut, dass sich Josh Boone lange auf die ruhig-bedrohliche Interaktion der Figuren sowie das bedrohliche, da undurchdringbare Anstaltsetting verlässt, so sehr schadet es dem Film, dass der Regisseur und sein Team gen Ende einknicken. Sie opfern die unheilvolle Atmosphäre dem hysterischen Effektspektakel – und das sieht dann noch nicht mal besonders gut aus. Die die Hauptfiguren immer mal wieder heimsuchenden Visionen ihrer tiefsten Ängste, manifestiert in kruden Horrorgestalten, sehen bis dahin deutlich besser aus; und hören sich ganz nebenbei auch besser an. Dem „Smiling Face“-Monster lieh in der Originalfassung nämlich niemand Geringeres als Schockrocker Marilyn Manson seine Stimme. Das große Getöse, in dem sich die Mutanten in verschiedene Fantasiewelten flüchten, in Flammen aufgehen oder übergroße CGI-Wesen zur Strecke bringen müssen, mag zwar irgendwo die Erwartungen an einen modernen Superheldenfilm erfüllen. Doch dadurch verspielt „The New Mutants“ eben auch, dass er sich aus diesem Blockbustereinerlei abhebt – indem er sich eben nicht als ein solcher präsentiert, was er die inszenatorisch gelungene erste Stunde sehr wohl tut. Selten lässt es sich genauer bestimmen, an welchen Stellschrauben die Macher hätten drehen müssen, um einen insgesamt  deutlich besseren Film abzuliefern.

„Im Finale opfern die Macher die unheilvolle Atmosphäre dem hysterischen Effektspektakel – und das sieht dann noch nicht mal besonders gut aus.“

Ob „The New Mutants“ eine Fortsetzung erhalten wird, steht aktuell noch in den Sternen. Abhängig ist das natürlich in erster Linie davon, wie sich der Film an den Kinokassen präsentiert. Und selbst für Corona-Verhältnisse sieht es an dieser Front düster aus. Sollte die Geschichte der neuen Mutantengeneration jedoch nicht fortgeführt werden, würde dies den Eindruck von „The New Mutants“ noch einmal schmälern. Der Film ist so klar als Auftakt einer Reihe angelegt, dass das offene Ende einfach nicht zufriedenstellt. Und da die Verbindungen zum „X-Men“-Universum auch keinerlei Rolle spielen – im Deutschen wurden die Marvel-Mutanten ja sogar aus dem Titel entfernt – lässt sich der Film auch nur schwer ins bisherige X-Men-Universum einordnen. Die Zeit wird zeigen, wie stark dieser Schwachpunkt zu werten ist.

Fazit: So schwierig die Produktionsgeschichte von „The New Mutants“, so überraschend solide präsentiert sich nun das Ergebnis. Allerdings könnte der für ein junges Erwachsenenpublikum angenehm gruselige Superheldenfilm noch deutlich besser sein, hätten sich die Macher nicht auf ein allzu generisches und noch dazu mehr schlecht als recht aussehendes Spektakelfinale verlassen.

„The New Mutants“ ist ab dem 10. September bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.

Ein Kommentar

  • Komme gerade aus dem Kino heim: Was für ein Riesenschmarrn. Eine total stinklangweilige Teenie-Story, mit miesen Effekten und nur unsympathischen Figuren. Von den acht Leuten im Kino sind außer mir nur drei bis zum Ende geblieben. Dagegen war ja sogar Dark Phoenix ein Meisterwerk. Ist traurig, dass die X-Men-Reihe mit dieser Katastrophe beendet wird. Aber vielleicht ist es besser so? Ich kucke mir jetzt zum Ausgleich schnell nochmal Logan auf Blue-Ray an.

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