Ein verborgenes Leben

Trotz jeweils großen Hollywood-Star-Aufgebots waren die letzten Filme von „Tree of Life“-Regisseur Terrence Malick alles andere als Mainstream. Inwiefern sich EIN VERBORGENES LEBEN von ihnen unterscheidet und ob das eine gute Sache ist, verraten wir in unserer Kritik.

Der Plot

Franz Jägerstätter (August Diehl) und seine Frau Fani (Valerie Pachner) bewirtschaften einen kleinen Bauernhof im oberösterreichischen Bergdorf St. Radegund. Der Anschluss ihres Landes an das Deutsche Reich (1938) hat zunächst kaum Auswirkungen auf den Alltag des Ehepaares, das mit seinen drei kleinen Töchtern ein einfaches, von harter Arbeit bestimmtes, aber glückliches Leben führt. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs beginnt sich indes auch in dem Provinzstädtchen vieles zu verändern. Wiederholt eckt Franz mit seiner Ablehnung von Hitlers menschenverachtender Politik an; speziell bei Bürgermeister Kraus (Karl Markovics), einem strammen Nazi. Als Franz und alle anderen, kampffähigen Männer der Gegend zur Wehrmacht einberufen werden, wendet sich der strenggläubige Katholik zunächst an seinen lokalen Pfarrer (Tobias Moretti), danach sogar an den Bischof (Michael Nyqvist). Schnell muss er allerdings einsehen, dass er bei seinem Plan, aus Gewissensgründen den Dienst an der Waffe zu verweigern, außer ein paar warmen Worten, keinen kirchlichen Beistand erhält. Franz realisiert, bereits seine Verneinung des üblichen Treueschwurs auf den Führer wird eine Verhaftung und in letzter Instanz die Hinrichtung zur Folge haben. Dennoch bleibt er standhaft. Während er zunächst in Enns, dann in Berlin einsitzt und auf die Verhandlung vor Richter Lueben (Bruno Ganz) wartet, wird seine Familie von der Dorfgemeinschaft ausgegrenzt und immer dreister und gewalttätiger schikaniert. Doch Fani steht zu ihrem Mann, der entschlossen ist zu tun, was er für richtig hält…

Kritik

Malick-Kennern wird schnell auffallen, dass „Ein verborgenes Leben“ deutlich strukturierter, weniger experimentell anmutet als die letzten Werke des dreifach für den Oscar nominierten, zudem mit dem Goldenen Bären und der Palme d’Or, den Hauptpreisen der Festspiele von Berlin und Cannes, ausgezeichneten Filmemachers. Fans reinen Popcorn-Kinos dürfte dieses Biopic-Drama über den in seiner Heimat posthum verehrten und 2007 von der katholischen Kirche selig gesprochenen Franz Jägerstätter (1907-1943) zwar sperrig und mäandernd vorkommen. Trotzdem handelt es sich hier um die mit Abstand zugänglichste Arbeit Malicks seit dem Abenteuerstreifen „The New World“.

„Ein verborgenes Leben“ spielt unter anderem vor Südtiroler Kulisse.

Das verwundert, obgleich fast drei Stunden Laufzeit, nicht wirklich. Hat die Regie-Legende bei den in Südtirol, der Oberlausitz, im Berliner Kammergericht, den Babelsberger Studios sowie vor Ort in und um St. Radegund stattgefundenen Dreharbeiten doch erstmals seit 2005 wieder mit einem Skript inklusive vorgegebenen Plot- und Dialogsegmenten gearbeitet. Was diesen Aspekt betrifft, steht das zunächst wunderschön, schwelgerisch und meditativ, schließlich sehr karge, passend brutal anmutende zu Sehende im klaren Gegensatz zu „The Tree of Life“, „To the Wonder“, „Knight of Cups“ und „Song to Song“. Bei denen gab Malick lediglich vage Szenarien vor, auf deren Grundlage er seine Schauspieler samt des Kamerateams dann unter seiner Leitung improvisieren ließ. Er drehte jeweils Unmengen von Material und bastelte daraus erst bei ausgedehnter Tüftelei am Schneidetisch eine meist nur sehr vage Story zusammen.

Obwohl „Ein verborgenes Leben“ keine Gefechte zwischen Soldaten zeigt, sollte man hier von einem Kriegsfilm reden. Die Bedrohung, der Terror durch den Feind sind für den Zuschauer jederzeit spürbar. Den großen Kampf trägt ein einzelner Mann mit, so scheint es ihm und bald auch dem Publikum, dem Rest der Welt aus. Zudem ringt er mit seinem Gewissen, mit sich selbst, seinem Leben und seiner Liebe zu seiner Familie. August Diehl ist brillant. Der deutsche Schauspieler („Der junge Karl Marx“) fasziniert mit einer hochemotionalen, dabei immens intelligenten Darstellung seiner Figur, die nicht viel spricht (die meiste Zeit hören wir Jägerstätters Gedanken oder seine Briefe in die Heimat im Voice-over), aber sehr viel sagt. Schon als sich der Protagonist noch in Freiheit befindet, sieht man ihm, seinen Augen, seiner Gestik, seiner ganzen Haltung jederzeit an, wie es in und an ihm arbeitet; welch unfassbare Qualen er durchlebt und wie er trotzdem beschließt, seinen Prinzipien, seiner Überzeugung und seinem Herzen treu zu bleiben. Koste es, was es wolle.

Franz Jägerstätter, gespielt von August Diehl.

Wie bei Malick üblich stand eine Riesenriege von bekannten und talentierten, dieses Mal allerdings ausschließlich europäischen Akteuren vor der Kamera. So sind neben den in der Inhaltsangabe genannten Namen renommierte Mimen wie Jürgen Prochnow („Das Boot“), Alexander Fehling („Gut gegen Nordwind“), Franz Rogowski („Fikkefuchs“), Waldemar Kobus („Der Hauptmann“) oder der belgische Star Matthias Schoenaerts („Der Geschmack von Rost und Knochen“) dabei. Sie alle haben vielleicht nicht die ausführlichsten Auftritte, wichtig für den Fort- beziehungsweise Ausgang des Ganzen ist aber jeder einzelne von ihnen. Die meist handgehaltene Kamera fängt nicht nur die Schönheit und Unschuld der majestätischen Alpenlandschaft ein, sondern geht auch immer wieder sehr nah an die Gesichter heran und ermöglicht uns dabei, fast in die Figuren hineinzuschauen. Die Schauspieler sind sich dessen offenbar bewusst und lassen es zu, zeigen authentische Gefühle – ob diese nun positiver oder abgrundtief negativer Natur sind. Das Ergebnis ist ein mitnehmendes, auf gewisse Weise durchaus erschöpfendes und deprimierendes Erlebnis. Darauf sollte man als Zuschauer eingestellt sein. Dann ist das sich Fallenlassen in die von Malick erschaffene Welt noch berührender, noch befriedigender.

Fazit: Terrence Malick kehrt mit einem ergreifenden Märtyrer-Biopic zum Geschichten erzählen zurück, ohne dabei den von ihm gewohnten Rausch der Bilder hintenanzustellen. Wer bereit ist, sich darauf einzulassen, wird mit einem visuell, vor allem aber emotional atemberaubenden Kino-Erlebnis belohnt.

„Ein verborgenes Leben“ ist ab dem 30. Januar in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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