Cats

Wenige Stunden vor der Premiere der Musical-Verfilmung CATS wurde der Film erst fertig. Regisseur Tom Hooper zeigt sich zufrieden. Doch bereits die gewöhnungsbedürftigen Trailer warfen ihre Schatten voraus. Bestätigt das Endergebnis nun die Befürchtungen? Das und mehr verraten wir in unserer Kritik.

Der Plot

Die junge hübsche Katze Victoria (Francesca Hayward) wird eines nachts von ihren Herrchen auf Londons Straßen ausgesetzt. Nach anfänglicher Skepsis nehmen sie die Jellicle-Katzen unter ihre Fittiche. Eine Bande von Streunern, die zu einer eingeschworenen Gemeinschaft zusammengewachsen ist. Die Jellicle-Cats sind es auch, die einmal jährlich einen großen Ball abhalten, auf dem die weise, lebenserfahrene Alt-Deuteronimus (Judi Dench) eine Katze auswählt, um ein neues Leben zu beginnen. Jede von ihnen möchte es sein: Von der faulen, aber musikalischen Jenny Fleckenreich (Rebel Wilson) über den magischen Zauberkater Mister Mistoffelees (Laurie Davidson) bis hin zum verfressenen Bustopher Jones (James Corden). Die von den Jellicle-Katzen verstoßene Grizabella (Jennifer Hudson) dagegen hält sich derweil aus all dem Trubel raus, obwohl sie eigentlich am meisten zu erzählen hätte…

Kritik

Als vor einem knappen halben Jahr der erste Trailer zu Tom Hoopers „Cats“ das Internet enterte, hielten die belustigten bis schockierten User mit ihren Stimmen nicht lange hinterm Berg. Und man kann es ihnen nicht verübeln: Die Idee, Andrew Lloyd Webbers weltberühmtes Bühnenmusical, in dessen Mittelpunkt eine Bande von Straßenkatzen steht, mit echten Menschen in computeranimierten (!) Katzenkostümen zu verfilmen, ist mindestens risikoreich wenn nicht gar völlig bescheuert. Die Hoffnung darauf, dass es sich bei der ersten Vorschau nur um eine Art Arbeitsfassung handelte, machte der einige Monate später erschienene zweite Trailer mit exakt derselben Optik zunichte. Was aber viel schlimmer ist: Auch der fertige Film, der gerade mal wenige Stunden vor der Weltpremiere in New York von seinem Regisseur Tom Hooper („Les Misérables“) zu Ende geschnitten wurde, bestätigt – zumindest auf visueller Ebene – sämtliche Befürchtungen. Im Laufe des 100 Minuten langen Musicals, das sich eng an der Bühnenvorlage (die wiederum auf einem Gedichtband von T.S. Eliot basiert) orientiert, ist man als Zuschauer viel zu sehr damit beschäftigt, die mindestens fragwürdige Optik, in der einem die zu jeder Zeit künstlich wirkenden Menschen-Katzen-Hybriden ins Auge springen, zu verarbeiten. Doch Überraschung: Die sind optisch gar nicht das größte Problem an „Cats“. Und Überraschung zwei: Die zu erwartende 100-Prozent-Katastrophe ist „Cats“ gar nicht geworden. Sondern eher eine 60-Prozent-Katastrophe, aus der ein richtig guter Film hätte werden können, sähe er einfach drei Nummern besser aus.

Francesca Hayward gibt ihr Schauspieldebüt als Neuankömmlich Victoria.

Als High-Concept-Musical mit singenden Katzen in einem menschenlosen London steht „Cats“ von Beginn an eigentlich auf einem recht solide gebauten Gerüst. Das ist natürlich auch der Vorlage geschuldet, die man als Zuschauer entweder mag oder nicht; wer bereits bei dem Gedanken an die Bühnenshow (oder Musicals generell) ins Schaudern gerät, den wird auch „Cats“ nicht davon überzeugen, dem Genre doch noch einmal eine Chance zu geben; im Gegenteil. Wer hingegen bereits mit Webbers Stück vertraut ist, hat wohl am ehesten auch etwas von der Filminterpretation. Wenngleich die beiden musicalerprobten Drehbuchautoren Tom Hooper und Lee Hall („Rocketman“) einen Song und mehrere reine Tanzszenen aus der Vorlage ersatzlos streichen (nicht umsonst dauert die Bühnenshow knapp zweieinhalb, der Film noch nicht einmal zwei Stunden) und einen komplett neuen Song im Film untergebracht haben – sicher auch, um eine Chance bei der anstehenden Award-Season zu haben – atmet der „Cats“-Film spürbar die Luft des Original-Musicals. Auch wenn man sich an die tonale Neuausrichtung einiger Instrumentals gewöhnen muss. Hier und da meinen die es mit der Modernisierung der Stücke nämlich deutlich zu gut, wenn man sich plötzlich eher wie auf der Kirmes als im Musical fühlt. Zum Glück beschränkt sich das auf lediglich zwei Songs; die restlichen bleiben davon verschont.

Die aufwändigen Tanzchoreographien machen optisch noch am meisten her. Immer dann, wenn die Showeinlagen aus der Ferne und die Bewegungen der Schauspielerinnen und Schauspieler als Interpretation von Katzen und nicht als direkte Verkörperung der Tiere wahrgenommen werden, macht „Cats“ auch auf der Leinwand etwas her. Problematisch wird es dagegen immer dann, wenn die Kamera im Close-Up an die Akteure heran geht. Dann wirken die Performer mit CGi-Katzenfell wie ein Face-Swap-Unfall, der sogar so weit geht, dass man bisweilen nicht mehr das tatsächlich animierte Katzenfell, sondern die menschlichen Gesichter für künstlich hält. Doch auch hier lassen sich Abstufungen machen: Lässt sich der Verschmelzung aus Stubentiger und Mensch bei Rebel Wilson („Pitch Perfect“), James Cordon („Into the Woods“), Jennifer Hudson („Sandy Wrexler“) und insbesondere dem darstellerisch ohnehin desaströsen Jason Derulo absolut nichts Positives abgewinnen, funktioniert dieser Effekt bei den beiden Newcomern Naoimh Morgan und Danny Collins alias Rumpleteazer und Mungojerry zeitweise sogar überraschend gut. Doch auch sie können – allem Glamour zum Trotz – nicht gegen ein noch viel größeres Designproblem von „Cats“ anspielen: die Kulissen. Gedreht wurde zwar an echten Sets, doch durch die viel zu starke und direkte Ausleuchtung sowie die sich permanent ändernden Größenmaßstäbe – mal sind die Katzen in etwa so groß wie Menschen, ein anderes Mal nur wenige Zentimeter hoch – lässt es sich in die Katzenperspektive nicht dauerhaft hineindenken. Das wohl perfekte Beispiel dafür ist die Performance in einem Zug und anschließend auf den Gleisen einer Eisenbahn, die die Inkonsequenz im Weltendesign auf perfide Weise perfekt illustriert.

Die Katzenwelt hinkt optisch stark an den verwendeten Maßstäben; mal sind die Katzen riesig, mal winzig.

Derweil veranschaulicht vor allem der Inhalt von „Cats“, weshalb der Stoff – zumindest in der hier dargebrachten Ausführung – dann doch eher auf die Bühne und nicht auf die Leinwand gehört. So komplett ohne dramaturgischen Bogen benötigt es eben schon die Faszination für aufwändige Kostüme und Tanz- sowie Singdarbietungen, um darüber hinwegzusehen, dass die Geschichte inhaltlich so gut wie nichts hergibt. Das beginnt schon bei der von Beginn an auserkorenen Hauptfigur: Die von der professionellen Balletttänzerin Francesca Hayward verkörperte Victoria ist es, auf die von Beginn an das größte Scheinwerferlicht fällt; als Neuankömmling unter den Jellicle-Katzen entdeckt das Publikum ihre neue Heimat zwar durch ihre Augen, an einer Charakterentwicklung, geschweige denn an ihrem Schicksal ist das Skript allerdings überhaupt nicht interessiert. Tom Hooper und Lee Hall genügt es, sie bei sämtlichen Performances einfach nur immer irgendwie dabei zu haben – und sie hier und da einen Teil der Songs – mal eine ganze Strophe, mal nur ein einziges Wort – singen zu lassen. Die eigentlich spannendste Figur, die ausgestoßene Grizabelle, die mit „Memory“ auch den immerhin gesanglichen Höhepunkt zum Film beisteuern darf, wird dagegen zur Nebenfigur degradiert. Ein Problem, das die Macher direkt aus der Bühnenvorlage übernommen haben, obwohl sie die Möglichkeit gehabt hätten, den Film dramaturgisch in ganz neue, individuelle Bahnen zu lenken.

Fazit: Tom Hooper und seine Crew halten sich bei ihrer Filmversion von „Cats“ nah an der Bühnenvorlage auf. Das dürfte Fans gefallen, auch wenn das bedeutet, dass sie die inhaltlichen Schwächen eins zu eins übernommen haben. Das große Problem des Films ist die Optik. Bei Aufnahmen von weiter weg lässt sich aufgrund der hochwertigen Tanz- und Gesangsperformances darüber hinwegsehen. Doch durch die vielen Nahaufnahmen von menschlichen Gesichtern in CGI-Katzenkostümen im Zusammenspiel mit der künstlichen, munter zwischen den Perspektiven hin- und herspringenden Welt wirkt all das hier die meiste Zeit über arg befremdlich.

„Cats“ ist ab dem 26. Dezember in den deutschen Kinos zu sehen.

4 Kommentare

  • Liebe Frau Wessels,

    ich habe Francesca Hayward einmal in London tanzen sehen. Da war sie phantastisch. Was für eine talentierte, sympathische und wunderschöne Frau. Seit dem wartete ich darauf, daß sie die Chance bekäme in einem großen Kinofilm dabei zu sein. Trotz der von ihnen hier bestimmt zurecht genannten negativen Aspekte, werde ich mir Cats anschauen. Wegen ihr.

    Bernd Zurch aus Frankfurt a. M.

  • Kein Wunder, dass die Kritik so negativ ausfällt. Wenn sogar der Trailer erwähnt wird (wen interessiert der Trailer in einer Filmkritik?), liegt es ja auf der Hand, dass Frau Wessels schon mit Vorurteilen ins Kino gegangen ist und den Film schlecht finden wollte. Schade.

    • Sie haben aber schon gelesen, dass ich den Trailer in meinem Text erwähne, weil er in den sozialen Netzwerken Debatten auslöste und nicht, weil ich anhand des Trailers Schlüsse aus dem Film ziehe!?

  • Günter Knorr

    Mit fast allem, was sie sagt, hat Frau Wessels recht. Sie ist, an der internationalen Kritik gemessen, eher noch milde. Hinzu kommt, daß Webber ein weit überschätzter Komponist ist. Dennoch bin ich froh, daß der Ende der 80er Jahre zwischen Spielberg und Webber geplante Zeichentrickfilm nicht zustande kam (Entwürfe dafür haben den Film noch beeinflußt). Denn die Kombination von Eliot, Webber und der großzügigen optischen Ausstattung haben einen sehr respektablen Film ergeben; Hayward ist nicht „irgendwie dabei“, sondern ein Katalysator für das Geschehen, weshalb ihr Schicksal oder ihr Charakter nicht viel Bedeutung hat.

Und was sagst Du dazu?