Long Shot

Für seine neue Komödie LONG SHOT – UNWAHRSCHEINLICH, ABER NICHT UNMÖGLICH macht Regie-Wundertüte Jonathan Levine aus Charlize Theron und Seth Rogen ein Liebespaar. Und gerade weil diese Idee so absurd ist, gehört der Film zu den bislang lustigsten Filmen des Jahres. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.

Der Plot

Gegensätze ziehen sich ja bekanntlich an und Charlotte Field (Charlize Theron) und Fred Flarsky (Seth Rogen) könnten unterschiedlicher nicht sein: Sie, die Außenministerin der Vereinigten Staaten, intelligent, gebildet und versiert. Er, ein durchaus talentierter Journalist mit leichtem Hang zum Chaotischen. Nichts verbindet die beiden, außer dass sie vor Jahren sein Babysitter und er unsterblich in sie verliebt war. Als die beiden sich nun wiedertreffen, stellt Charlotte ihn spontan als Redenschreiber ein. Stellt sich nur die Frage: Wie schafft man es, als Nerd eine wahnsinnig elegante Frau zu beeindrucken? Und wie gut ist die Idee, ein Verhältnis mit seiner Chefin anzufangen?

Kritik

Regisseur Jonathan Levine hat sich im Laufe seiner Karriere den Ruf erarbeitet, nahezu uneinschätzbar zu sein. Und blickt man einmal auf seine Vita, dann hat das einen guten Grund: Der Filmemacher hat so großartige Werke wie die Tragikomödie „50/50 – Freunde fürs (Über)leben“ und den in Genrekreisen gefeierten Horrorfilm „All the Boys Love Mandy Lane“ inszeniert, aber auch solche Rohrkrepierer wie „Mädelstrip“. Irgendwo dazwischen reihen sich dann auch noch „Warm Bodies“ und „Die highligen drei Könige“ ein; und alle möglichen Serienepisoden und Kurzfilmprojekte. Eine der wenigen Konstanten in seiner Karriere ist Seth Rogen. Dieser spielte nicht nur eine Nebenrolle in „50/50“ und eine Hauptrolle in „Die highligen drei Könige“, sondern ist als Produzent auch hinter den Kulissen ein enger Vertrauter Levines geworden. Diese erfolgreiche Kollaboration trägt nun neue Früchte. „Long Shot“ heißt das neue Baby der zwei Filmemacher, für die Levine ein weiteres Mal auf dem Regiestuhl platznahm und Seth Rogen die Hauptrolle und einen Produzentenposten übernahm. Aus dieser Gemeinschaftsarbeit geht ein Film hervor, der irgendwo zwischen Comedy, Politsatire und zuckersüßer Romanze changiert und aus diesen Zutaten nicht etwa ein heilloses Durcheinander kreiert, sondern ein Film, an dem es einfach überhaupt nichts auszusetzen gibt. „Long Shot“ ist vielleicht sogar Seth Rogens bislang bester Film.

Charlotte Field (Charlize Theron) mit ihren Mitarbeitern Maggie (June Diane Raphael) und Tom (Ravi Patel).

Im Trailer von „Long Shot“ heißt es, die hier präsentierte Liebesgeschichte sei in etwa wie ein vertauschtes „Pretty Woman“ – mit der bildschönen Außenministerin Charlotte Field als Richard Gere und dem nerdigen Journalisten Fred Flarsky in der Position von Julia Roberts. Allein von der Konstellation her funktioniert „Long Shot“ tatsächlich ähnlich; dass sich dieses auf den ersten Blick so unkonventionelle Paar am Ende kriegen wird, weil in der Liebe weder Äußerlichkeiten, noch Klientel oder Stände eine Rolle spielen sollten, ist von Anfang an vorgezeichnet. Letztlich ist dieser „Pretty Woman“-Vergleich aber nur eine Randnotiz, denn wo sich Roberts und Gere in ihrem Liebesfilmklassiker tatsächlich noch gegen Widerstände von außen zur Wehr setzen mussten (woran auch ihre Liebe mehr als einmal zu zerbrechen drohte), sind Flarskys und Fields unterschiedliche Lebensumstände für sie kein wirkliches Problem. Lediglich Charlottes übereifrige PR-Beraterin Maggie (June Diane Raphael) sieht in einer öffentlich ausgelebten Beziehung der beiden Nachteile für Charlottes Umfragewerte. Doch anstatt sich davon beeindrucken zu lassen, legt sie ihrer Mitarbeiterin vor allem nahe, sie nicht weiter mit solchen Eventualitäten zu belasten. Und so ist „Long Shot“ in erster Linie eben doch eine ganz normale Liebesgeschichte, die sich einfach nur in einem außergewöhnlichen Umfeld entwickelt, was die Autoren Dan Sterling („The Interview“) und Liz Hannah („Die Verlegerin“) jedoch nicht mehr hervorheben als nötig. Stattdessen bleiben sie immer ganz nah an der Entwicklung ihrer Figuren. Und ob die sich jetzt im Starbucks um die Ecke kennenlernen, oder bei einem Prominentenempfang, hat auf ihre Gefühle zueinander keinerlei Einfluss.

Natürlich steht in „Long Shot“ vor allem die Liebelei der beiden Hauptfiguren im Mittelpunkt. Doch Jonathan Levine, der ohnehin gern damit spielt, nur bedingt miteinander zusammenpassende Genres miteinander zu kombinieren, belässt es nicht dabei, sondern präsentiert mit seinem nunmehr siebten Spielfilm auch einen Rundumschlag gegen die (nicht nur US-amerikanische) Politik, den damit einhergehenden Wandel im Journalismus (Stichwort: Fake News) und einfach einen generellen Blick hinter die Kulissen der Reichen und Mächtigen. Und obwohl „Long Shot“ im Vergleich zu bisherigen Seth-Rogen-Produktionen eine etwas geringere Gagdichte hat – einfach, weil der erzählerische Background sonst nicht richtig zur Geltung käme – ist die Trefferquote im Hinblick auf die Pointen doch enorm. Das beginnt beim amtierenden Präsidenten der Vereinigten Staaten. In einer Zeit, in der die größte Witzfigur ja sogar in der Realität diesen Posten bekleidet, ist es nahezu unmöglich, das in einem Film noch zu übertreffen. Jonathan Levine tut es, indem sein Machtinhaber ursprünglich mal TV-Star war, hier den Präsidenten spielte, es nun tatsächlich ist, aber nach einigen Monaten in der echten Politik nun unbedingt zum Film will – auch wenn das nur sehr wenigen Leuten gelungen ist, wie Fred Flarsky zu bedenken gibt. Kleine Randnotiz: Dieser Sprung gelang bekanntermaßen Seth Rogen tatsächlich. Auch die weiteren Nebenfiguren rangieren wahlweise knapp an der Karikatur, oder sind eine; und dabei beobachteten die Autoren so treffsicher die Eigenheiten deren Vorbilder, dass jede einzelne von ihnen glaubhaft funktioniert. June Diane Raphael („Der Sex Pakt“) und Ravi Patel („Transformers“) mimen mit großer Freude Charlotte Fields Berater, die allzu oft einen deutlich höheren Ehrgeiz an den Tag legen, als es selbst in ihrer Position gewünscht ist. O’Shea Jackson Jr. („Straight Outta Compton“) hat als Flarskys bester Freund Lance einige der besten Sprüche auf seiner Seite und der durch Make-Up kaum als er selbst zu erkennende Andy Serkis („Planet der Affen: Survival“) als widerlich-abgekartetes Medienmogul Parker Wenbley vereint in seiner Figur alles Ätzende, was man an Menschen aus seinem Donald-Trump-Dunstkreis so hassenswert findet.

Charlotte und Fred (Seth Rogen) kennen sich seit Jahren und verlieben sich ineinander.

Seit der #MeToo-Bewegung hat in der Filmindustrie ein Umdenken stattgefunden. Nicht nur im Bereich der das Thema behandelnden Dokumentationen, auch beim Dreh von Spielfilmen wird vermehrt auf eine gleichberechtigte Verteilung weiblicher und männlicher (Haupt-)Rollen geachtet. Hinter den Kulissen nimmt die Verpflichtung weiblicher Filmemacher ebenfalls zu. Seth Rogen gehörte dank Arbeiten an Filmen wie „Bad Neighbors 2“ längst zu den Pionieren auf diesem Gebiet und ist für das Zusammenspiel mit der hinreißenden (und hinreißend komischen) Charlize Theron („Atomic Blonde“) nun der perfekte Partner, um als gleichermaßen uneitler wie ehrlicher Journalist um die Gunst seiner ehemaligen Klassenkameraden zu buhlen. Die beiden agieren in „Long Shot“ jederzeit auf Augenhöhe. Die zentrale, das Geschehen beeinflussende Figur bleibt allerdings Charlotte. Immer wieder genehmigt sich das Skript dabei subtile Verweise in Richtung ihrer (heute leider immer noch) außergewöhnlichen Position. Sie muss härter arbeiten, um den gleichen Respekt für ihre Arbeit zu bekommen, wie ihre männlichen Kollegen. In Fernsehsendungen wird darüber spekuliert, ob Frauen ein so hohes Amt überhaupt bekleiden können. Und wenn sich eine Frau einen emotionalen Ausraster in der Öffentlichkeit erlaubt, dann ist sie allenfalls hysterisch, während Männer durch das nachdrückliche Unterstreichen ihres Standpunktes an Ansehen gewinnen und für besonders ehrgeizig gehalten werden. Das macht „Long Shot“ ohne den permanenten erhobenen Zeigefinger ganz nebenbei auch noch zu einem herausragenden Zeitdokument; damit läuft Jonathan Levine zwar Gefahr, dass sein Film irgendwann an Aktualität verliert. Jetzt zu diesem Zeitpunkt ist „Long Shot“ allerdings ein Film, der nicht nur Spaß macht und romantisch ist, sondern auch noch verdammt clever.

Fazit: „Long Shot“ ist smart, witzig, romantisch und von vorn bis hinten liebenswert. Derzeit gibt es keinen Film, nach dem man das Kino mit einem besseren Gefühl verlässt, als diese hochcharmante Mischung aus Comedy, Lovestory und Politsatire – und Seth Rogen und Charlize Theron haben eine Chemie miteinander, vor der man niederknien möchte.

„Long Shot – Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich“ ist ab dem 20. Juni bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.

Ein Kommentar

  • Hallo Antje,
    ich hätte eine kleine Frage zu dem Film. Kann die deutsche Version mit der O-Ton Version mithalten oder geht doch viel verloren?
    Auf jeden Fall schon mal ein großes Lob für diese tolle Seite und die sehr aussagefähigen Kritiken 🙂
    Gruß Chris

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