Das schönste Paar

Im Urlaubsparadies vergewaltigt, daheim in Deutschland damit abgeschlossen und von der Vergangenheit plötzlich eingeholt – dieses Schicksal schildert der um keine Provokation verlegene Regisseur Sven Taddicken in seinem mehr als sehenswerten Drama DAS SCHÖNSTE PAAR. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.

Der Plot

Die beiden Lehrer Liv (Luise Heyer) und Malte (Maximilian Brückner) sind ein glückliches Paar, das seinen romantischen Sommerurlaub auf einer Mittelmeerinsel genießt. Als ein plötzlicher Überfall durch drei Jugendliche in einen sexuellen Übergriff mündet, wird ihr bisheriges Leben aus der Bahn geworfen. Zwei Jahre später. Das Paar hat an seiner Beziehung festgehalten und erstaunliche Stärke im Umgang mit dem traumatischen Erlebnis bewiesen. Doch dann begegnet Malte zufällig ihrem Peiniger (Leonard Kunz). Getrieben von der Sehnsucht nach Gerechtigkeit, nimmt er die Verfolgung des Täters auf und setzt damit die gerade zurückgewonnene Stärke, vor allem aber das Vertrauen und die Liebe von Liv aufs Spiel.

Kritik

Rape-and-Revenge-Filme haben trotz ihres fragwürdig verkörperten Frauenbildes eine lange Tradition. Gemein haben diese häufig dem Horrorgenre zugeordneten Geschichten, dass eine von einem oder mehreren Mönnern geschundene Frau vergewaltigt (englisch: rape) wird und sich anschließend erbarmungslos einer nicht minder gewalttätigen Rache (englisch: revenge) hingibt. „Ich spuck auf dein Grab“ aus dem Jahr 1978 ebnete den Weg einer langen Reihe von Trittbrettfahrern, von denen ein Großteil den deutschen Markt gar nicht erst im ungeschnittenen Zustand erreicht hat. Vor nunmehr drei Jahren drehte Berufsprovokateur Paul Verhoeven den Spieß um und inszenierte mit seinem rund um den Erdball gefeierten Thriller „Elle“ eine Art feministischen Rape-and-Revenge-Film, in dem er seine Hauptdarstellerin Isabelle Huppert so brillant abgründig aufspielen ließ wie nie zuvor. Sven Taddicken („Gleissendes Glück“) liefert mit seinem neuesten Werk „Das schönste Paar“ nun ebenfalls so etwas wie einen Gegenentwurf zu „I Spit on your Grave“ und Co., denn er lässt seine Protagonisten – das titelgebende „schönste Paar“ und Opfer einer sexuellen Gewalttat – nach der Konfrontation mit der Möglichkeit einer Rache lange Zeit darüber nachdenken, ob das überhaupt das Richtige ist. Und kommt letztlich zu dem Schluss, das Rachegedanken dieses ohnehin niederschmetternde Szenario noch viel schlimmer machen würden.

Malte (Maximilian Brückner) erkennt in Sascha (Leonard Kunz) seinen Peiniger wieder.

Nicht nur Frauen arbeiten sich seit vielen Kino-Jahrzehnten an ihren Peinigern ab. Natürlich spielen im Rachefilm an sich auch Männer eine nicht unwichtige Rolle. Liam Neeson hat sich beispielsweise über drei Filme lang an den Peinigern von Tochter und Ehefrau gerecht („96 Hours – Taken“) und Gerard Butler mit „Gesetz der Rache“ eine ganz neue Dimension der moralisch-ethischen Fragwürdigkeit innerhalb des Genres erreicht. In „Das schönste Paar“ sind Mann und Frau nun gleichermaßen betroffen. Und auch wenn jeder von ihnen anders mit dieser Situation umgeht (beide verarbeiten die Tat zwar über die Jahre, als Malte einen ihrer Peiniger jedoch wiedersieht, hegt er ganz andere Gefühle als seine Gattin Liv), steht eines doch nie im Mittelpunkt: der Akt der Rache an sich. Stattdessen bleibt der auch für das Drehbuch verantwortliche Sven Taddicken immer ganz nah an seinen Figuren. Was macht die Tat mit ihnen? Wie kommen sie darüber hinweg? Was lösen die neuen Entwicklungen in ihnen aus? Um das, was aus den Entscheidungen und Erkenntnissen folgen könnte, geht es ihm erst in zweiter Instanz. Und so ist „Das schönste Paar“ viel eher die dramatische Bestandsaufnahme einer Ehe, als Rachethriller – es besteht allerdings kein Zweifel, dass sich aus exakt demselben Stoff ein ebensolcher kreieren ließe, wenn man einfach nur die Schwerpunkte anders setzen würde.

Anders als noch in seinem letzten Film – der Romanverfilmung „Gleissendes Glück“, einer Art „Hardcore-Porno des gesprochenen Wortes“ – belässt es Sven Taddicken diesmal allerdings nicht bloß in Andeutungen und Ausformulierungen. Schon die ersten beiden Szenen beeindrucken aufgrund ihrer visuellen Gegensätzlichkeit: Da sehen wir auf der einen Seite das Paar beim leidenschaftlichen Sex am Strand einer öffentlichen, aber verlassenen Bucht und auf der anderen Seite, wie die Peiniger aus der schönsten Nebensache der Welt die ultimative Waffe kreieren. Wir sehen, wie der von Leonard Kunz („A Cure for Wellness“) eiskalt verkörperte Anführer Sascha und seine Freunde das Paar erst erpressen, dann körperlich werden und schließlich beide Eheleute vor den Augen des jeweils anderen missbrauchen. Ästhetisch ist das nie und Kamerafrau Daniela Knapp (führte auch schon bei „Gleissendes Glück“ die Kamera“) legt den Fokus ganz bewusst auf die erlittenen Qualen von Liv und Malte, dessen erlittene Demütigungen sie für das weitere Leben prägen werden. Umso interessanter ist es allerdings, wie das Ehepaar im weiteren Verlauf der Geschichte mit der Situation umgeht und vor allem aneinander festhält. Wie gesagt: „Das schönste Paar“ ist in erster Linie Bestandsaufnahme einer Ehe und damit vor allem eine Liebesgeschichte.

Liv (Luise Heyer) und Malte sind sich uneins darüber, wie sie mit den neuen Erkenntnissen verfahren sollen.

Wie Liv und Malte nach nur zwei Jahren vollständig mit diesem Schicksalsschlag abgeschlossen haben und selbst im näheren Umfeld an ihrer „Wir sind damit im Reinen!“-Aussage festhalten, mag zwar nicht ganz so provokativ wirken, wie die Michèles „Mir ist das alles scheißegal!“-Attitüde im bereits zitierten „Elle“; dafür ist „Das schönste Paar“ dann doch deutlich geerdeter und die für ihre Rolle für den deutschen Filmpreis nominierte Luise Heyer („Einmal bitte alles“) sowie ihr Schauspielkollege Maximilian Brückner („Spieltrieb“) agieren sowohl miteinander als auch mit ihren Mitmenschen wesentlich unaufgeregter. Darüber hinaus brechen sich im Zusammenspiel zwischen den Protagonisten immer wieder kleine Gesten Bahn, aus denen hervorgeht, dass vieles dessen, was Liv und Malte nach außen preisgeben, nur Fassade ist. Maltes Jagd nach ihrem Vergewaltiger, deren Ausgang wir an dieser Stelle nicht verraten möchten, spielt da nur eine untergeordnete Rolle, obwohl Sven Taddicken auch für diesen Handlungsstrang starke Bilder findet. Wenn Malte etwa über viele Stunden an einem Bahnhof wartet, nur in der Hoffnung, er könnte Sascha wieder über den Weg laufen, stellt man sich gemeinsam mit dem verzweifelten Mann mit jeder Minute mehr die Frage, was eigentlich passieren würde, wenn die beiden plötzlich aufeinander treffen. Genauso hängt natürlich über allem der Vergleich mit einem selbst: Was würde ich tun, wäre ich in einer solchen Situation? Sven Taddicken gibt hier noch nicht mal eine Tendenz vor, beobachtet seine Figuren stattdessen eher wie Versuchsobjekte und schaut, wann die Situation eskaliert. Das kennen wir beispielsweise aus den Filmen eines Yorgos Lanthimos, nur das Taddicken über alledem die Emotionalität der Thematik nie außer Acht lässt.

Fazit: Regisseur Sven Taddicken gelingt mit „Das schönste Paar“ der schwierige Spagat zwischen aufrichtiger Liebesgeschichte, Traumadrama und unterschwelligem Thriller, der das Thema sexueller Missbrauch einmal aus ganz anderer Sicht beleuchtet.

„Das schönste Paar“ ist ab dem 2. Mai in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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