After Passion

Eine Fanfiction über One-Direction-Frontsänger Harry Styles wurde zum Bestseller und nun zur zahmen Teenieromanze, die dennoch ein Konzept für Körperlichkeit hat. Ob das gut geht, verraten wir in unserer Kritik zu AFTER PASSION.

Der Plot

Erstsemesterstudentin Tessa Young (Josephine Langford) ist klug, hübsch, kreuzbrav und führt eine scheue Beziehung mit ihrem Sandkastenfreund Noah (Dylan Arnold). Ihre alleinerziehende Mutter Carol (Selma Blair) ist stolz, aber auch besorgt, denn Tessa wurde im Studierendenwohnheim in ein Zimmer mit dem schon länger studierenden Partymädel Steph (Khadijha Red Thunder) gesteckt. Während sich Carol den Kopf zerbricht, ob Steph ihre Tochter verderben wird, wirbelt eine ganz andere Person das Leben des Mauerblümchens durcheinander: Der unverschämte sowie unverschämt gut aussehende Brite Hardin Scott (Hero Fiennes-Tiffin), der Tessa im Englischkurs mit seiner vorlauten und rotzigen Attitüde zur Weißglut bringt. Und dennoch spürt Tessa eine unerklärliche Anziehung zum rätselhaften Bad Guy …

Kritik

Es gehört mittlerweile zum popkulturellen Allgemeinwissen: Die „Fifty Shades of Grey“-Reihe begann einst als erotische „Twilight“-Fanfiction, die aufgrund ihres großen Onlineerfolgs zwecks Kommerzialisierbarkeit von ihrer Vorlage losgelöst wurde. Diese Entstehungsgeschichte deckt sich zu großen Teilen mit der Entstehung der „After“-Romanreihe, deren erster Teil „After Passion“ nun fürs Kino adaptiert wurde: Anna Todd veröffentlichte 2013 auf der vor allem für ihr riesiges Aufgebot an Fanfitction bekannten Online-Plattform das erste Kapitel zu „A Harry Styles Fan Fiction“, einer Geschichte, in der eine Unschuld vom Lande während ihres ersten Collegesemesters den One-Direction-Frontsänger Harry Styles kennenlernt und von ihm verführt wird. Todd traf einen Nerv bei der Userschaft Wattpads und wurde von positiven Kommentaren überrannt. Die Fanfiction wurde mit jedem neuen Kapitel immer beliebter, erhielt den Originaltitel „After“ und wurde zu einem absoluten Renner. Über 1,5 Milliarden Mal wurde „After“ bei Wattpad bislang gelesen. Und auch die Buchfassung, in der nicht mehr Harry Styles sondern der vollauf fiktive Hardin Scott als Verführung auf zwei Beinen auftritt, wurde zu einem riesigen Erfolg. Deutschland ist einer der größten Märkte für „After Passion“, wie die erotisch angehauchte Teenieromanze hierzulande betitelt wurde – und so überrascht es nicht, dass in Deutschland nicht ein kleiner Verleih die Kinoadaption des Stoffes veröffentlicht (wie praktisch überall sonst), sondern immerhin Constantin Film.

Die brave Schülerin Tessa (Josephine Langford) liebt es zu lesen.

Ob dem Verleih ein großer Erfolg ins Haus steht, bleibt jedoch abzuwarten, denn der „After Passion“-Film ist nicht der pikante Ausflug ins Erotikkino, den etwa das an „9 ½ Wochen“ angelehnte Poster suggeriert. Stattdessen ist es ein, was das Gezeigte angeht, scheuer Teenie-Liebesfilm, der trotzdem das Körperliche der ersten sexuellen Beziehung thematisiert. Somit zielt es Jenny Gages Regiearbeit auf ein eng abgestecktes Zielpublikum ab – älteren Teenies wird er zu zahm sein, ein zu junges Publikum wird sich hingegen mangels Identifikationsmöglichkeiten langweilen. Doch für ihre kleine Kernzielgruppe hat sich Gage durchaus ins Zeug gelegt. So zeigt Gage in ihren dialogarmen Szenen in einer im Hollywood-Kino selten gesehenen Ausführlichkeit, wie sich die sinnlichen und sexuellen Erfahrungen der zu Beginn ihrer Collegezeit noch durch und durch unerfahrenen Tessa sukzessive wandeln. Während sie eingangs noch zurückscheut, wann immer sich ein leidenschaftlicher Kuss andeutet, obwohl ihre Lippen bereits beben, ist sie später schon etwas forscher und nicht weiter allein die reagierende (und alles ausbremsende) Partie.

Ganz plausibel zeigt „After Passion“ nonverbalen Fortschritt darin, wie diese pubertierende und Hals über Kopf verknallte, doch auch vorsichtige und jungfräuliche Erstsemesterstudentin mit ihrer Lust umgeht: Während sie sich nach mehreren Treffen in Unterwäsche küssen, wird sie forscher – dann jedoch, bevor es zu ernst wird, legt sie sich neben ihn, schmiegt sich an ihn und blickt ihn glühend an. In einem Genre, in dem erste Erfahrungen dieser Art üblicherweise entweder in schnelle Kameraablenden münden oder alternativ mit einem flotten Pop- oder Rocksong unterlegt werden und sich als hektische Sache darstellen, ist es schön zu sehen, eine langsamere, Bände über die Figuren sprechende, ausgefeilte Progression zu sehen. Obwohl Gage und die Kameramänner Tom Betterton und Adam Silver die Liebenden in einer vorteilhaften Lichtgebung inszenieren, mit einer kuscheligen Schattigkeit, durch die sich dennoch kräftige Lichtakzente kämpfen, um die Konturen und die porentief reine Haut der Darsteller zu umschmeicheln, bleibt all dies in der Bildsprache sanft: Gage zeigt sehr wenig Haut, überlässt sehr viel der Fantasie des (potentiell) wissenden Publikums, etwa, wenn Hardins Hand nach dem Schwimmen von Tessas Bauch langsam in Richtung des obersten Beckenknochens wandert. Selbst dann schneidet Gage frühzeitig weg, hin auf Tessas freudiges Gesicht.

Hero Fiennes Tiffin als Bad Boy Hardin Scott.

Will man etwas polemisch sein, könnte man glatt argumentieren, „After Passion“ könnte sogar eine noch niedrigere FSK-Freigabe als eine Zwölfer tragen, da Gages Inszenierung durchweg davon lebt, dass sich das Publikum vorstellt, was gerade passieren könnte – völlig unschuldige Gemüter könnten problemlos von reinen Schmuse- und Kitzelsessions ausgehen. Doch so scheu „After Passion“ auch inszeniert sein mag, ist er aber keinesfalls naiv. Unter anderem praktiziert er, was Hunderte von Teenieromanzen vor ihm nicht praktizierten: Safer Sex – auch wenn das Wort „Kondom“ nicht fällt und man die Kondompackung, die geöffnet wird, aufgrund dessen, wie wenig Gage von ihr zeigt, auch nur als solche erkennt, wenn man weiß, wie diese Packungen üblicherweise aussehen. Dennoch: Der vorbildliche Gedanke zählt, und er beweist, dass ein Stückchen Realität die filmisch-romantische Fantasie keineswegs zerstört. Allerdings versagt „After Passion“ an anderen Stellen in Sachen Glaubwürdigkeit: Die Nebenfiguren sind extrem grobschlächtig gezeichnet, sei es Tessas schluffiger und hyperlangweiliger Freund Noah, die einer Karikatur gleichende College-Partymaus Steph oder ihr schroffer Freundeskreis, der sich in aufgesetzten Dialogen unterhält. Auch Hardin Scott spricht oftmals in hölzernen, übertriebenen Sätzen, was dadurch erschwert wird, dass Fiennes-Tiffin ein wenig überzeugender Mime ist, der selbst keck-augenzwinkernde Dialoge mit tumber Geradlinigkeit aus sich herauszwängt.

Daher muss Josephine Langford, die Schwester der „Tote Mädchen lügen nicht“-Entdeckung Katherine Langford, nahezu im Alleingang die zwischen anziehender Faszination und abstoßender Widersprüchlichkeit schwankende Beziehung Tessas zu Hardin verkaufen. Und das gelingt ihr sogar! Langford hat eine beeindruckende, natürliche Leinwandpräsenz und vermittelt das süße Unschuldige an ihrer Rolle genauso problemlos wie ihren Frust über Hardins Bad-Boy-Attitüde und ihre hormonoelle Erregung, wann immer er sie bezirzt. Nicht zuletzt dank Langfords einnehmender Performance wollen wir fast schon hoffen, dass „After Passion“ seinen Schwächen zum Trotz Erfolg hat – heimlich träumen wir bereits von einer ähnlichen Qualitätskurve wie bei den beschämend begonnenen, ansehnlich geendeten „Fifty Shades of Grey“-Filmen. Und wenn „After Passion“ doch allein stehen sollte, so hat der Film wenigstens ein prägnanteres Ende als einige andere erfolglose Franchise-Starter.

Noah (Dylan Arnold) und Tessa sind seit Sandkastentagen Freunde und ein Paar.

Fazit: Scheues Prickeln, statt erotischer Explizität: Die Teenieromanze „After Passion“ ist harmloser, als das Marketing suggeriert, und hat zudem mit grobschlächtigen Dialogen zu kämpfen. Aber Josephine Langfords Schauspiel und Gages Inszenierung der wortarmen Passagen machen diese Bestselleradaption für ihre Kernzielgruppe dennoch sehenswert.

„After Passion“ ist ab dem 11. April bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.

Ein Kommentar

  • das Fan-Fiction Niveau merkt man dem Film in jedem Dialog deutlich an („Hardin ist kompliziert“ „Ja aber mir gegenüber ist er anders!“!). Er ist nichts anders als „Love Story“ auf Schulaufsatz-Level. Die Dialoge sind unglaublich platt, und bei aller Nachvollziehbarkeit der Rollen in diesem Millieu, dieses Coming of Age von College Girls, wie sie sich von ihrer Mutter und Freund daheim loseisen und neue Bekanntschaften und Liebschaften knüpfen, bleiben die Figuren unglaublich seicht. Diese Anmaßung, Tess und Hardin mit Elisabeth Bennett und Mr. Darcy aus „Stolz und Vorurteil“ zu vergleichen, tut weh. Weder mit denen noch mit irgendwem anders im Film kann man sich identifizieren. Es bleibt eine Liasion wie zig andere unter Studierende halt.
    Positiv hervorzuheben ist, dass die Umsetzung, also Regie, Kamera, Schnitt, Score und Musik guter moderner Standard sind. Das rettet dem Film einiges an Punkten!
    Daher 7/10 Punkte

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