Kin

Zwei Brüder, ein Road Trip und dazwischen eine futuristische Waffe – dieses Szenario des Sci-Fi-Abenteuers KIN bringen die beiden australischen Regisseure Josh und Jonathan Baker leider nur mäßig stimmig unter einen Hut. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.

Der Plot

Auf einem seiner Streifzüge durch ein verlassenes, in Trümmern liegendes Gelände findet Teenager Eli (Myles Truitt) einen mysteriösen Gegenstand, der nicht von dieser Welt zu sein scheint. Zunächst hält er seinen Fund geheim, doch als er mit seinem frisch aus dem Gefängnis entlassenen Bruder Jimmy (Jack Reynor) vor dessen altem Gangsterboss (James Franco) flüchtet, nutzt Eli den Apparat, der sich als mächtige, überirdische Hightech-Waffe erweist, um seinem Bruder zu helfen. Dabei ahnt er nicht, dass sie dadurch erst recht zu Gejagten werden. Plötzlich ist nicht nur die Polizei hinter ihnen her, sondern auch die außerirdischen Streitkräfte, die die Waffe einst zurückgelassen haben und sie wieder zurück wollen – und das um jeden Preis!

Kritik

Heutzutage legen es Filmstudios mehr denn je darauf an, dass ihre Produktionen möglichst viel Geld abwerfen. Das hat zur Folge, dass Franchises einfach mittendrin abgebrochen werden, wenn ihnen das große Einspiel verwehrt bleibt (aktuelle Beispiele: die „Divergent“-Reihe oder „Percy Jackson“), aber auch, das vielversprechender Stoff direkt risikoreich auf mehrere Filme ausgelegt wird, wie zum Beispiel der kürzlich erst gestartete, auf qualitativer Ebene allerdings ordentlich gefloppte „The Darkest Minds – Die Überlebenden“, der sichtlich der Auftakt zu einer Reihe ist, oder auch das Reboot von „Die Mumie“, das direkt ein ganzes Monster-Universum begründen sollte. Bei „Kin“ ist es nun ähnlich. Das neueste Projekt der Baker-Brüder Jonathan und Josh basiert allerdings weder auf einer Buchreihe, noch hat es seinen Ursprung in einer umfassenden Universe-Idee. Stattdessen handelt es sich hierbei um die Langfassung eines Kurzfilmes namens „Bag Man“, der im Grunde ebenjene Geschichte in 15 Minuten erzählt, für die „Kin“ nun über 100 Minuten aufwendet. Es ist nicht das erste Mal, dass Regisseure eines ihrer Short Movies auf Spielfilmlänge aufblasen; Damien Chazelle heimste nach diesem Prinzip sogar mehrere Oscar-Nominierungen für sein Meisterwerk „Whiplash“ ein. Doch „Kin“ profitiert im Gegensatz zu diesem Film davon kaum, denn zum einen trägt der Stoff die über eineinhalb Stunden nicht und zum anderen fühlt es sich so an, als hätten die Macher für ihr Projekt noch Großes vor.

Eli (Myles Truitt) und sein Ziehvater Hal (Dennis Quaid) haben ein gespaltenes Verhältnis.

Ein Grund, der diesen Eindruck hinterlässt, sind die vielen offenen Fragen. Die Macher lassen viele Elemente in „Kin“ einfach offen stehen (unter anderem sowas Simples wie die Bedeutung des Filmtitels; die Wortübersetzung „Kin“ im Sinne von „Stamm“ oder „Familie“ greift im Anbetracht der Story nicht) und riskieren somit, den Zuschauer durch ihr sehr offenes Ende ziemlich unbefriedigt aus dem Kino zu entlassen. Doch nicht nur damit stellen sich die Verantwortlichen ein Bein. Eigentlich besteht „Kin“ aus zwei Filmen, von denen der Handlungsstrang rund um Elis gefundene Sci-Fi-Kanone einen weitaus kleineren Bruchteil einnimmt, als es die reißerischen Trailer ankündigen. Das geht sogar so weit, dass sich dieser Subplot irgendwann regelrecht als störend erweist, denn im Grunde wäre „Kin“ ohne die vereinzelt auftauchenden futuristischen (Action-)Elemente ein weitaus sympathischerer Film. Die meiste Zeit über rückt das Skript von Daniel Casey (schreibt aktuell am Drehbuch für „Fast & Furious 9“) nämlich einfach nur die Interaktion unter den beiden Brüdern in den Fokus, die sich für lange Zeit aus den Augen verloren haben und die nun auf diesem notgedrungenen Roadtrip endlich wieder die Gelegenheit haben, sich einander anzunähern. Originell ist das alles zwar nicht, ist die Idee von zwei sich entfremdeten, durch eine Katastrophe wieder zusammenfindende Menschen doch die Essenz jedes zweiten Katastrophenfilms. Doch der optisch stark an Chris Pine erinnernde Jack Reynor („Detroit“) und der ihm darstellerisch weit überlegene Newcomer Myles Truitt („Queen Sugar“) harmonieren so gut, dass dieses abgegriffene Erzählmuster in „Kin“ immerhin authentisch wirkt.

Aber da sind dann eben auch noch die anderen Aspekte der Handlung und auch wenn diese in dem per se so ruhigen Roadmovie (als Vergleich würde uns an dieser Stelle vor allem „Midnight Special“ einfallen) nicht allzu viel Screentime einnehmen, sind diese doch immerhin prägnant genug, um sich maßgeblich auf den gesamten Film auszuwirken. Superschurke James Franco („The Disaster Artist“), der hier sowas wie eine abgespeckte Form seiner „Spring Breakers“-Performance zum Besten gibt, und seine Kumpels, bestehend aus Abziehbilder-Bösewichten sind einer davon. Wenn diese in der zweiten Hälfte die Jagd auf die beiden jungen Männer eröffnen, dann steht deren Möchtegern-Tarantino-Attitüde im absoluten Kontrast zur ansonsten so besonnenen Inszenierung. So wie die bösen Buben hier gezeichnet sind, wähnt man sich eher in einem von Francos zahlreichen B-Movie-Reißern, was sich auf „Kin“ im Gesamten leider nicht gerade positiv auswirkt. Spätestens in der finalen Schießerei, in der die brutalen Ganoven den Bodycount des Films unnötig auf blutige Art und Weise in rasante Höhen schnellen lassen, zerfällt der Film endgültig in zwei Teile – auch, weil der Sci-Fi-Subplot hier nun wieder deutlich mehr Raum einnimmt, als die eineinhalb Stunden zuvor.

Zoë Kravitz, Jack Reynor und Myles Truitt sind in „Kin“ gemeinsam auf der Flucht.

Schaut man sich „Kin“ von Anfang bis Ende an, sind es eigentlich sogar drei Teile. Der erste von ihnen besteht daraus, dass Protagonist Eli die abgefahrene Waffe findet, die außer ihm sonst niemand Anderes bedienen kann. Immerhin letzteren Aspekt klären die Baker-Brüder bis zum Ende auf, was sich allerdings beileibe nicht für alle aufgegriffenen Themen in „Kin“ behaupten lässt. Ganz davon abgesehen, dass die futuristische Kanone vor dem finalen Shootout nur sehr wenige Male zum Einsatz kommt und der Film letztlich sogar dann Sinn machen würde, wenn man alles, was mit ihr zu tun hat, einfach ersatzlos aus dem Film streichen würde (so wie es die Macher auch mit der Figur von Zoë Kravitz machen, die zeitweise einfach aus dem Film verschwindet), wirft sie viel mehr Fragen auf, als den Film um spannende Szenen zu bereichern. Zu jenen gehören vor allem die hier vereinzelt zur Anwendung kommenden Sci-Fi-Gadgets; auch das Produktionsdesign im Gesamten kann überzeugen. Doch erst im Finale deutet „Kin“ an, was es mit Eli, der Waffe und dem gesamten Szenario überhaupt auf sich haben könnte. Es mag also durchaus so sein, dass die vielen futuristischen Aspekte in „Kin“ allesamt einen tieferen Sinn haben und nicht einfach nur dazu da sind, ein bekanntes Roadmovie-Szenario ein wenig aufzupeppen. Doch für all diese Erklärungen braucht es nun mal mindestens einen zweiten Teil  – und ob „Kin“ für sich genommen Publikum wie Kritiker so sehr überzeugt, dass das Studio ein (sogar regelrecht notwendiges) Sequel in Auftrag geben wird, darf an dieser Stelle doch arg bezweifelt werden.

Fazit: Das visuell ansehnliche Sci-Fi-Roadmovie „Kin“ wirft so viele Fragen auf, dass es mindestens einen zweiten Teil braucht, um die Ereignisse halbwegs einordnen zu können. Leider macht die lückenhafte Inszenierung selbst aber wenig Lust darauf, sich weiter mit dem im Film angedeuteten Konflikten auseinanderzusetzen.

„Kin“ war ursprünglich für den 13. September angesetzt, besitzt aktuell aber keinen deutschen Kinostart.

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