Gotti

Das Ganster-Biopic GOTTI ist der nunmehr vierte Film mit John Travolta, der auf der Bewertungsplattform Rotten Tomatoes einen Score von 0 Prozent erhalten hat. Kein einziger Kritiker konnte dem Film eine auch nur ansatzweise durchschnittliche, geschweige denn positive Review abgewinnen. Und das ist leider absolut verständlich. Warum, das verrate ich in meiner Kritik.

Der Plot

John Gotti Senior (John Travolta) ist der Leiter des berühmt berüchtigten Gambino-Clans, der größten und mächtigsten Verbrecherorganisation der Vereinigten Staaten. Bekannt als „Dapper Don“, wird John Gotti mit seinem extravaganten Stil und seiner unverblümten Persönlichkeit zu einem der berühmtesten Mafiosi des 20. Jahrhunderts und regiert die Unterwelt, bis er von der Polizei geschnappt und zu lebenslanger Haft verurteilt wird. Zum Nachfolger wird sein eigener Sohn, John Gotti Jr. (Spencer Lofranco), auserkoren, der mit nur 24 Jahren offiziell in der Mafia aufgenommen wird. Als Thronfolger soll er die Gambino-Familie ab sofort anführen. Doch im Jahr 1999 fasst Gotti Jr. einen folgenschweren Entschluss: Er stattet seinem inzwischen sterbenden Vater hinter Gittern einen letzten Besuch ab, um ihm zu sagen, dass er sein kriminelles Leben beenden und aus dem Familienunternehmen aussteigen wird…

Kritik

Kevin Connollys Mafioso-Biopic „Gotti“ gewinnt in diesem Jahr den Preis für das dreisteste Marketing. Fast scheint es so, als hätte man sich in der PR-Abteilung bei den Methoden eines Donald Trump bedient, der sämtliche ihm nicht passende Berichterstattung einfach als „Fake News“ deklariert und damit seine dies nicht hinterfragende Fanschaar besänftigt. Als bekannt wurde, dass „Gotti“ als nunmehr vierter Film mit John Travolta („Criminal Activities“) in der Hauptrolle eine Null-Prozent-Wertung auf der Rating-Plattform Rotten Tomatoes erhalten hat, griff man von Seiten der zuständigen Promotion-Agentur zu einem in seiner Dreistigkeit fast schon cleveren Schachzug und ging auf Konfrontationskurs: In einem neuen Trailer wurden die Kritiker als „Trolle hinter der Tastatur“ bezeichnet und behauptet, das Publikum würde den Film lieben; bekräftigt werden sollte Letzteres dann auch noch mit vermeintlichen Original-Interviews von Kinobesuchern, die sich ganz überschwänglich zu dem Film äußerten. Eines hat „Gotti“ dadurch natürlich erreicht: Aufmerksamkeit. Und so fasste es der am Projekt nicht beteiligte Regisseur und Drehbuchautor Simon Barrett Anfang Juli einfach perfekt zusammen, als er auf Twitter verkündete, er müsse sich den Film nun unbedingt ansehen, obwohl er für Marketing ja eigentlich überhaupt nicht empfänglich sei. Und seien wir einmal ehrlich: Unter diesen Gesichtspunkten haben die Verantwortlichen dann wohl doch alles richtig gemacht.

Kelly Preston und John Travolta sind auch im wahren Leben verheiratet und spielen in „Gotti“ ein Ehepaar.

Wenn alles darauf hindeutet, dass ein Film nicht gut geworden ist, ist er am Ende nicht selten einfach nur öde und langweilig. Dass sich ins Kino so offensichtlich und krachend gescheiterte Graupen wie der neueste „Fantastic Four“-Film oder gar Tommy Wiseaus „The Room“ verirren, kommt einfach höchst selten vor, da in der Regel noch vor Start Jemand aus gutem Grund auf die Idee kommt, dem Projekt den Stecker zu ziehen. Im Falle von „Gotti“ kommen nun beide Extreme zusammen: Das biographische Drama ist auf der einen Seite ätzend-zäh und auf der anderen Seite derart unausgereift und dilettantisch gemacht, dass sich von Arbeitsverweigerung sprechen lässt. Auf Hauptdarsteller John Travolta und seine Darstellerkollegen trifft das allerdings beim besten Willen nicht zu. Hier legt sich jeder auf eine derart overactende Weise ins Zeug, dass sich die Frage stellt, wann das klassische Schauspiel aufhört und die karikierende Imitation beginnt. Travolta, dessen Hauptrolle ursprünglich an Sylvester Stallone gehen sollte, dann allerdings nicht das Okay von den noch lebenden Mitgliedern des Gambino-Clans erhielt, gefällt sich zu jeder Sekunde sichtlich in der Rolle des Mafia-Paten, zelebriert sich dabei allerdings so sehr selbst als Akteur, dass man nie das Gefühl bekommt, hier eine Figur vor sich zu haben. Stattdessen erlebt man eben Travolta in der Rolle eines Mafioso – und wenn dann auch noch Schichten von irritierendem Alters-Make-Up hinzukommen, die Gotti alt und krank aussehen lassen sollen, nimmt seine Performance schließlich Geisterbahn-ähnliche Züge an.

Die Liste ursprünglich für den Film angedachter Stars ist lang: Shia LeBeouf, Channing Tatum, Dominic Cooper und James Franco sollten die Rolle von John Gotti Jr. übernehmen, Lindsay Lohan jene von Victoria Gotti. Dass sie alle aufgrund des Drehbuchs absprangen (im Falle von Lohan ist sogar überliefert, dass sie trotz Produktionsschwierigkeiten bis zum Schluss daran festgehalten haben soll, die Ehefrau des Mafia-Bosses zu spielen), ist zwar nur eine Vermutung, wundern würde das allerdings nicht. Die Autoren Lem Dobbs („Haywire“) und Leo Rossi („Mafioso: The Father, The Sun“) gehen auf den ersten Blick einen sehr klassischen Weg, wenn sie ihre Geschichte von dem Gespräch zwischen Vater und Sohn Gotti umrahmen lassen. Die Unterredung zwischen den beiden gab es so in der Form wirklich. Dazwischen hangeln sich die Autoren mithilfe von Rückblenden von einer wichtigen Lebensstation John Gottis zur nächsten; vermutlich in der Hoffnung, dass sich so ein allumfassendes Bild auf den Mafiaboss ergibt und sich dem Zuschauer dadurch die Faszination für seine Figur erschließt, wie es auch schon „Black Mass“ für Whitey Bulger, „The Wolf of Wall Street“ für Jordan Belfort oder, ganz klassisch, „Der Pate“ für Don Corleone getan haben. Das Problem ist nur, dass dieses Anliegen allenfalls in der Theorie durchscheint, denn die Drehbuchschreiber besitzen keinerlei Gespür dafür, die wichtigen von den unwichtigen Ereignissen zu unterscheiden. Stattdessen verwenden sie fast ausschließlich Zeit für nichtige Unterhaltungen, die im Anbetracht des alles andere als glaubhaften Schauspiels auch nie als Momentaufnahme funktionieren würden, die für sich stehend schon genug über John Gotti aussagen würden. Hier erhärtet sich der bereits zu Beginn dieses Texts vermutete Eindruck, „Gotti“ sei vor allem öde, doch obwohl das tatsächlich auch die meiste Zeit der Fall ist und Szenen wie ein tragisches Ereignis innerhalb des Gotti-Clans die Ausnahme bleiben, gesellt sich zu all der Langeweile letztlich auch eine billig-dilettantische Inszenierung, die so wirkt, als hätte man aus Versehen eine unfertige Vorabfassung des Stoffes auf die Leinwand gebracht.

John Gotti muss sich vor Gericht verantworten.

Wenn ein tragischer Autounfall völlig frei von dramaturgischem Gespür inszeniert wird, sodass der Moment bei aller Tragik fast schon etwas unfreiwillig Komisches besitzt, ließe sich vielleicht noch damit argumentieren, dass es die Verantwortlichen vielleicht einfach nicht besser wissen. Der ehemalige „Entourage“-Star Kevin Connolly hat schließlich erst zwei unter Ausschluss der Öffentlichkeit gelaufene Langspielfilme inszeniert. Doch die völlige Abwesenheit von Spannung und Emotionen ist nur ein Teilargument für das Scheitern des Films, denn „Gotti“ wirkt bisweilen einfach unfertig. Wenn sich zwei Menschen auf einer Party unterhalten, sind die Umgebungsgeräusche so laut, dass man die gesprochenen Texte nicht verstehen kann, die Musik (Jacob Bunton, Jorge Gomez und der sich selbst ins Spiel gebrachte Amando Christian Perez alias „Pitbull“) ist unterschiedlich abgemischt und die Kameraarbeit von Michael Barrett („Overboard“) ist teilweise so verwackelt, unscharf und unpassend dunkel, dass man nie auf die Idee käme, es hier mit demselben Kameramann zu tun zu haben, der auch Hollywoodblockbuster wie „Ted 2“ oder „A Million Ways To Die in the West“ bebildert hat. All das sind audiovisuelle Aspekte, die sich nicht damit erklären lassen, dass Kevin Connolly und sein Team unerfahren sind. Erst recht im Anbetracht der Tatsache, dass es sich hierbei nicht um ein Low-Budget-Projekt handelt, sondern satte 10 Millionen US-Dollar in die Entstehung geflossen sind (das ist genauso viel wie für Oscar-Nominee „Lady Bird“), ist eine derartige Ignoranz gegenüber dem Endprodukt und letztlich auch dem Zuschauer frech. Und blickt man nun noch auf die aggressive Werbekampagne, ist einfach nichts an diesem Film sympathisch.

Fazit: „Gotti“ ist kein Film, „Gotti“ ist Arbeitsverweigerung.

„Gotti“ hat in Deutschland aktuell noch keinen Kino- oder Heimkinostart.

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