Der Buchladen der Florence Green

In ihrer Verfilmung des Romans „Die Buchhandlung“ erzählt Isabell Coixet von einer Frau, deren Liebe zum gedruckten Wort einige Hindernisse für sie bereithält. Leider kommt DER BUCHLADEN DER FLORENCE GREEN über biederen Dramadurchschnitt nicht hinaus. Mehr dazu verrate ich in meiner Kritik.

Der Plot

Florence Green (Emily Mortimer) hat früh ihren Mann verloren, doch ihre gemeinsame Liebe zu Büchern aller Art lässt sie nicht los. Sie investiert ihr gesamtes Vermögen in die Verwirklichung ihres Traums von einem eigenen Buchladen – ausgerechnet im verträumten englischen Hardborough, Ende der 50er Jahre, wo die Arbeiter dem Bücherlesen skeptisch gegenüberstehen und die Aristokratie energisch vorgibt, was Hochkultur ist und was nicht. Doch trotz der Widerstände hat sie Erfolg und rasch finden auch progressive, polarisierende Werke wie Nabokovs Lolita oder Bradburys Fahrenheit 451 bei den Dorfbewohnern Anklang. Vor allem der seit langem zurückgezogen lebende Mr. Brundish (Bill Nighy) findet Gefallen am neuen Buchladen und dessen Besitzerin. Doch Florence Greens sanfte Kulturrevolution bleibt nicht unbemerkt: Die alteingesessene graue Eminenz Violet Gamart (Patricia Clarkson) befürchtet einen Kontrollverlust in ihrem Heimatdorf und steht den radikalen Veränderungen mit Argwohn gegenüber. Mit aller Macht versucht sie Florence Steine in den Weg zu legen und die beiden Frauen beginnen eine Auseinandersetzung über Moderne und Konvention.

Kritik

Isabell Coixet gehörte vor einigen Jahrzehnten noch zu den aufregendsten Regisseurinnen abseits des Mainstreams. Ihre leidenschaftlichen Geschichten erzählen spröde und mutig von ganz großen Gefühlswelten. Umso überraschender setzte sie ihrem Publikum 2013 den äußerst generischen Mystery-Horrorfilm „Another Me – Mein zweites Ich“ vor – ein Vehikel für Nachwuchsschauspielerin Sophie Turner, um auch auf der Leinwand endlich Fuß zu fassen und ein immerhin solider Einstiegsfilm für Genreinteressierte. Man mag es kaum glauben, dass zwischen „Another Me“ und Coixets neuester Arbeit „Der Buchladen der Florence Green“ gerade einmal fünf Jahre, aber eben auch neun (!) weitere Filmprojekte liegen. Der Output der Regisseurin ist riesig – ganz gleich, dass es ein Großteil der mitunter vor allem Short Movies beinhaltenden Vita Coixets gar nicht erst ins Kino schafft. Letzteres ist der in Spanien auf diversen Filmfestivals ausgezeichneten Romanverfilmung immerhin geglückt. Wohl auch deshalb, weil der dem Film zugrunde liegende Stoff ein Bestseller ist. „Die Buchhandlung“ aus dem Jahr 1978 gehört zwar nicht zu den beliebtesten Kritikerwerken der britischen Schriftstellerin Penelope Fitzgerald, wohl aber zu ihren meistverkauften. Und als zeitloser Film über Literatur als Bindeglied zwischen verschiedenen Gesellschaftsschichten lässt er sich auch 2018 noch hervorragend adaptieren – zumindest in der Theorie.

Schon bei ihrem ersten Kennenlernen sind sich Florence (Emily Mortimer) und Violet (Patricia Clarkson) nicht grün.

Belle aus „Die Schöne und das Biest“ ist vermutlich der bekannteste Bücherwurm der Filmgeschichte. Wenn die von den Dorfbewohnern aufgrund ihres Wissensdurstes so kritisch beäugte junge Frau von all den Geschichten erzählt, die sie immer und immer wieder durchforstet, weil sie den kompletten Laden des ortsansässigen Buchhändlers längst leer gelesen hat, sprüht aus der Zeichentrickfigur so viel Leidenschaft, dass man ihr die Liebe für das gedruckte Wort zu jeder Sekunde abkauft. Florence Green, die Hauptfigur aus Penelope Fitzgeralds Roman „Die Buchhandlung“, ist zumindest in der Vorlage ähnlich passioniert, doch Emily Mortimer („The Party“) gelingt es nur sehr bedingt, das buchstäbliche Leuchten in ihren Augen greifbar zu machen. In „Der Buchladen der Florence Green“ wird zwar viel gelesen und auf diverse Werke bedeutender Schriftsteller eingegangen, doch die Florence im Film könnte mit derselben Inbrunst auch jedes andere Produkt an den Mann bringen. Weshalb es ausgerechnet Bücher sein müssen, erschließt sich aus dem Film jedenfalls nicht. Auch wenn man die Protagonistin in jeder freien Minute mit einem Buch in der Hand abbildet, fehlt es der sie verkörpernden Schauspielerin – zumindest hier – an schauspielerischer Präsenz. Bill Nighy („The Limehouse Golem“) gelingt es in seiner Nebendarstellerrolle als eigenbrötlerischer Witwer Brundish dagegen umso besser, mit kleinen Gesten Großes zu erzeugen. Würde es in „Der Buchladen der Florence Green“ vorwiegend um ihn gehen, würde der Funke der Geschichte vermutlich um Einiges schneller auf den Zuschauer überspringen.

„Die Buchhandlung“ ist neben einer voller treffsicherer Beobachtungen steckenden Gesellschaftskritik vor allem ein Buch über Bücher. „Der Buchladen der Florence Green“ orientiert sich stark an dieser Prämisse und greift dafür sogar einen leseähnlichen Rhythmus auf. Dazu gehören nicht bloß 1:1 auf den Film übertragene Dialogzeilen aus der Romanvorlage, sondern auch Stilmittel, die für Abwechslung sorgen sollen, sich jedoch nicht immer unbedingt dazu eignen, in Filmen Anwendung zu finden. Da ist der Voice-Over-Kommentar von Schauspiel-Grande-Dame Julie Christie („Wenn die Gondeln Trauer tragen“), der dem Publikum das Innenleben der Protagonistin auf dem Silbertablett serviert, ihm jedoch gleichsam das eigene Entdecken des Charakters Florence vorwegnimmt und verwehrt. Auch die theaterhafte Spielweise, die eher an deutsches Kino erinnert, wirkt befremdlich: Wenn sich die Darsteller im Dialog sorgsam gegenseitig aussprechen lassen und sich die Texte nie so anfühlen, als seien sie aus dem Leben gegriffen, sondern in mühevoller Arbeit vorab konstruiert worden, verliert man nach und nach das Gespür dafür, die Figuren in „Der Buchladen der Florence Green“ besäßen tatsächlich Leben. Der Kniff, Bill Nighys Figur einen von ihm selbst verfassten Brief in die Kamera vortragen zu lassen, ist dagegen eine reizvolle (wenn auch einmalige) Idee, die zeigt, dass sich mit ein wenig Fingerspitzengefühl aus der Vorlage sehr wohl etwas charmant Eigenes herausholen lässt, um es auf die Leinwand zu übertragen.

Bill Nighy in der Rolle des grantigen Einsiedlers Mr. Brundish spielt wie gewohnt solide auf.

Auf den Rest des Films trifft das jedoch zum Großteil nicht zu. Kameramann Jean-Claude Larrieu („Julieta“) setzt die ohnehin malerische Kulisse des englischen Küstenstädtchens Hardborough zwar gekonnt gefällig in Szene, doch aufgrund der biederen Inszenierung durch Isabell Coixet, erreicht „Der Buchladen der Florence Green“ nie größere Intensität als eine solide gemachte „Rosamunde Pilcher“-Episode. Auch die vielen Einschübe bekannter Romantitel besitzen in erster Linie den Zweck, das ohnehin recht eindeutige Geschehen mit noch wesentlich eindeutigeren Symbolismen zu unterfüttern – ein Plan, der vielleicht sogar aufgehen würde, wenn die Figuren genau diesen nicht selbst immer wieder noch betonen würden. So bleibt am Ende nur noch der Kampf zwischen der gutmütigen Florence und der streitsüchtigen Violet Gamart, der dem Film immerhin ein bisschen Würze verleiht. Doch so richtig will auch der nicht zünden, denn der sonst immer so routiniert aufspielenden Patricia Clarkson („Maze Runner – Die Auserwählten in der Todeszone“) sind im Anbetracht der äußerst grob geschnitzten Dialoge sichtbar die Hände gebunden. Was bleibt, sind viele nette Ansätze, die unter einer derart oberflächlichen Inszenierung jedoch partout nicht zusammenfinden.

Fazit: „Der Buchladen der Florence Green“ ist ein oberflächlicher Film über oberflächliche Menschen, dem es nicht hilft, dass er immerhin ganz nett anzuschauen ist.

„Der Buchladen der Florence Green“ ist ab dem 10. Mai in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

Ein Kommentar

  • Liebe Frau Wessels,

    ich habe den Film ganz anders empfunden!

    Mit Rosamunde-Pilcher-Filmen (die ich im Übrigen sehr gerne anschaue, auch wenn mir dadurch die Verachtung mancher Zeitgenossen sicher ist, denen diese Filme nicht intellektuell genug sind) hat er meiner Meinung nach nichts zu tun. Dass die Dialoge konstruiert klingen sollen, ist mir zu keiner Zeit aufgefallen. Mich haben die Figuren (im positiven wie im negativen Sinne) tief berührt, und ich fand sie alle schauspielerisch äußerst präsent, nicht zuletzt die Hauptdarstellerin. Oberflächlich fand ich an dem Film ehrlich gesagt nichts.

    Mein Mann wiederum wirft dem Film vor, die Charaktere würden keinerlei Entwicklung durchmachen – wer zu Beginn gut und wer böse sei, bleibe dies auch bis zum Schluss des Films. Das mag sein, es ist halt keine Entwicklungsgeschichte, aber dennoch fand ich facettenreiche, schillernde Charaktere wie etwa den alten Hagestolz Edmund Brundish, der sich im Laufe der Handlung als so ganz anders entpuppt, als der Dorftratsch über ihn verbreitet hatte, oder der Charakter des Milo North, von dem ich lange Zeit glaubte hoffen zu können, hinter seinem geckenhaften Benehmen könne doch ein gutes Herz stecken und der sich letztlich leider doch als der schurkische, charakterlose Wendehals entpuppt, als den man ihn zu Beginn des Films einschätzte. James Lance spielt ihn schillernd.und nuanrenreich.

    Mein persönliches Fazit des Films lautet deshalb: ein tiefsinniger, romantischer Film, besonders für Menschen, die Bücher lieben, aber nichts für Ungeduldige oder Actionfans.

    Vielleicht liegt meine positive Bewertung auch daran, dass ich den zugrundeliegenden Roman nicht gelesen habe. Sieht man nach der Lektüre eine Verfilmung, ist man meistens enttäuscht, weil nicht alles so gezeigt wird, wie man es sich vorher vorgestellt hat, weil notgedrungen vieles weggelassen wurde und weil man selbst andere Schwerpunkte gesetzt hätte.

Und was sagst Du dazu?