The Death of Stalin

In Russland sorgt die Politsatire THE DEATH OF STALIN aktuell für eine mächtige Kontroverse. Hierzulande dürfte es Armando Iannuccis Regiearbeit in den Kinos ebenfalls schwer haben. Warum, das verrate ich in meiner Kritik.

Der Plot

Moskau, 2. März 1953. Ein Mann liegt nach einem Schlaganfall im Sterben. Bald wird er das Zeitliche segnen – und wer es jetzt richtig anstellt, kann seinen Platz einnehmen. Der sterbende Mann heißt Josef Stalin (Adrian McLoughlin): Generalsekretär der UdSSR, Diktator, Tyrann und Massenmörder. Die folgenden Tage zwischen seinem unrühmlichen Ableben und seiner pompösen Beerdigung werden zu Tagen, in denen die Mitglieder des Politbüros mit allen Mitteln darum kämpfen, die Macht zu übernehmen. Tage, in denen sich der ganze Wahnsinn, die Verkommenheit und die alltägliche Unmenschlichkeit des Totalitarismus in allen Facetten offenbaren.

Kritik

„In Russland verboten!“ – Damit kann man bei einer satirischen Komödie über das Ableben des sowjetischen Diktators Josef Stalin schon einmal Werbung machen. Letztlich hat man das im Umkehrschluss auch dort, wo der Film nun nicht (mehr) aufgeführt werden darf, denn nur durch diese ganze Kontroverse erlang „The Death of Stalin“ erst das Aufsehen, das er heute besitzt. Ganze fünf Mal wurde der Film in Russland trotz entzogener Lizenz gezeigt (ja, bei unseren russischen Nachbarn müssen sich die Filmverleiher eine Erlaubnis dafür einholen, ihre Filme der Öffentlichkeit präsentieren zu dürfen!), eh das Kultusministerium die Aufführung endgültig unterband. Es ist das zweite Mal binnen kurzer Zeit, dass ein russisches Filmprojekt in seinem Produktionsland für einen Aufschrei sorgt. Erst kürzlich verweigerte ein dortiger Fernsehsender die Werbung für das Liebesdrama „Mathilde“ und gab Monarchisten und Orthodoxen einen Anlass dazu, gegen Film und Darsteller zu hetzen und den Regisseur anzugreifen, da der Film von diesen als Provokation angesehen wurde. Der Grund: In „Mathilde“ spielt der Deutsche Lars Eidinger einen russischen Zar, der sich unter anderem ausgiebigen Liebesszenen mit einer weltberühmten Primaballerina hingibt. Eine solche „Entehrung“ findet vielen Russen zufolge nun auch in „The Death of Stalin“ statt. Unvorstellbar für unsereins; schließlich war Stalin ein brutaler Diktator und die im Film gezeigten, politischen Ereignisse stecken so voller böser Wahrheit, dass es einem gar nicht in den Sinn kommt, dass man dafür Partei ergreifen könnte.

Stalin ist tot! Und jetzt?

Obwohl die Eröffnungsszene hinter den Kulissen eines großen Orchesterkonzerts in Tempo und Pointensicherheit direkt die beste des ganzen Films darstellt, geht es mit dem einsetzenden Tod von Josef Stalin erst so richtig los. Dabei beginnt der in Sachen Politkino erfahrene Regisseur Armando Iannucci („Kabinett außer Kontrolle“) sehr weit unten auf der nach oben offenen Absurditäts-Skala und arbeitet sich Stück für Stück nach oben, wenn er durch die Interaktion der vielen verschiedenen Figuren sukzessive deren Gesinnungen und egoistische Ziele entlarvt. Um Stalin an sich geht es dabei nur marginal; selbst sein Tod wird überraschend beiläufig inszeniert. Ist er erst einmal tot, stehen nämlich vor allem seine potenziellen Nachfolger im Mittelpunkt, die sich ein verbales Scharmützel nach dem anderen liefern. Das ist über einen Großteil der Laufzeit auch tatsächlich ganz schön komisch. Armando Iannucci, David Schneider („Die Männer ihrer Majestät“) und Ian Martin („Veep – Die Vizepräsidentin“) entwarfen für „The Death of Stalin“ schon zum wiederholten Male gemeinsam ein Drehbuch (hier auf Basis eines bereits existierenden Comics) und halten für ihre Figuren schnelle Wortgefechte und einige unvorhergesehene Gags bereit, mit denen sich die Charaktere nach und nach selbst, manchmal aber auch einander entlarven. Großes Hintergrundwissen zu den Umständen der Politik im Russland der frühen Fünfzigerjahre braucht man da gar nicht, um die Zeitlosigkeit solcher Themen wie Machtbesessenheit zu begreifen.

Armando Iannucci wollte mit „The Death of Stalin“ einen Film drehen, bei dem den Zuschauern das Lachen im Halse stecken bleibt. Besser hätten auch wir es nicht ausdrücken können. Nur leider meint es der gebürtige Schotte mit diesem Vorhaben etwas zu gut und legt in der zweiten Hälfte seiner wirklich sehr schwarzen Politgroteske mehrere radikale Tonumbrüche vor, an denen der Zuschauer sehr schwer zu schlucken haben dürfte. Auf der Zielgeraden sagen sich die Macher sogar komplett von ihrem zu Beginn so entlarvend-satirischen Tonfall los und schlagen eine andere, weitaus düsterere Richtung ein. Diese gefühlte Aufspaltung in zwei verschiedene Kapitel, von denen das erste fast ausschließlich über die Veralberung der Bürokratie im russischen Staatsapparat funktioniert, und das zweite schließlich auch vor politischer Verfolgung und Mord nicht zurückschreckt, macht es schwierig, „The Death of Stalin“ als Gesamtwerk zu betrachten. Zu Beginn funktionieren die punktuellen Einschübe bitterer Realitätsnachdichtung ob ihrer Treffsicherheit noch sehr gut. Doch je mehr sich Iannucci darauf konzentriert, die Bitterkeit der Prämisse in den Fokus zu rücken und die Komik stattdessen nur noch vereinzelt zutage zu fördern, desto mehr zeigt sich, dass der erste Ansatz besser funktioniert. Nicht zuletzt, weil das Ensemble bis zum Schluss auf Comedy geeicht scheint.

Jason Isaacs in der Rolle des Generalstabschefs der Roten Armee, Georgi Schukow.

Der Cast rund um Steve Buscemi („Der unglaubliche Burt Wonderstone“), Jeffrey Tambor („The Accountant“), Michael Palin („Wilde Kreaturen“) und Jason Isaacs („A Cure for Wellness“) agiert bewusst überzeichnet und versteht seine Figuren als Karikaturen der echten Vorbilder. Sie alle machen einen soliden Job; vor allem Olga Kurylenko („Oblivion“) überzeugt in einer kleinen, jedoch nicht unwichtigen Nebenrolle. Von der stimmigen Chemie unter den Darstellern hängt in „The Death of Stalin“ viel ab. Die meiste Zeit über sind die Hauptdarsteller gemeinsam zu sehen und halten den Film nur über die Dynamik untereinander am Laufen. In den gleichermaßen üppig wie detailgetreu ausgestatteten Settings bewegen sich die Herren stilsicher und scheinen ihre Rollen vollkommen verinnerlicht zu haben. Sie helfen der Geschichte auch über manche dramaturgische Schwäche hinweg, denn nicht selten opfern die Verantwortlichen einen Teil der Glaubwürdigkeit dem schnellen Gag. Das lässt die Geschichte hin und wieder in Albernheiten versinken, die sich erst recht mit der Thematik und den wahren Hintergründen der Geschichte beißen. Nicht zuletzt erklärt all das aber noch lange nicht, weshalb der Film in Russland verboten wurde – letztlich steckt hier doch sehr viel mehr Wahrheit drin, als in diversen ernst aufbereiteten Historiendramen.

Fazit: Eigentlich wollte Armando Iannucci eine satirische Komödie mit bösen Dramaeinschüben drehen, doch am Ende hat er zwei Filme gedreht: eine Comedy und ein hartes Kriegsdrama. Und das beides unter einen Hut zu bringen, ist ihm nicht ganz gelungen.

„The Death of Stalin“ ist ab dem 29. März in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

Ein Kommentar

  • Als ich den Trailer zu dem Film gesehen habe, dachte ich zuerst, es handle sich um Satire. Ich habe später erst begriffen, dass es den Film wirklich gibt. Da bin ich mal gespannt, wie er mir gefallen wird.

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