Maria Magdalena

Nach seinem nach Oscars schielenden Drama „Lion“ wagt sich Regisseur Garth Davis nun an die Verfilmung eines Bibelabschnittes. Dafür rückt er mit MARIA MAGDALENA eine Figur in den Fokus, der er endlich ebenjenen Wert zugesteht, den auch die Kirche ihr erst vor knapp zwei Jahren zusprach. Doch von diesem ehrenwerten Vorhaben abgesehen, ist sein Film unentschlossen. Mehr dazu verrate ich in meiner Kritik.

Der Plot

Als weibliche Jüngerin in der Gefolgschaft von Jesus (Joaquin Phoenix) und als Zeugin seiner Kreuzigung, Grablegung und Auferstehung ist Maria Magdalena (Rooney Mara) eine der zentralen Figuren der Bibelgeschichte.  Doch sie ist auch eine moderne, junge Frau, die selbstbewusst und mutig gegen die Geschlechterrollen und Hierarchien ihrer Zeit rebelliert. Auf der Suche nach ihrem ganz persönlichen Lebensweg sagt sie sich von ihrer Familie los, um sich dem charismatischen Jesus von Nazareth und seinen Jüngern anzuschließen. Gemeinsam machen sie sich auf eine spirituelle Reise nach Jerusalem.

Kritik

Man möchte meinen, nach den vielen unzähligen Verfilmungen diverser Bibelpassagen und -Verse (erst kürzlich wurde mit „40 Tage in der Wüste“ ein knapper Ausschnitt rund um Jesus‘ Fastenzeit zu einem abendfüllenden Spielfilm aufgeblasen) ließen sich vor allem der Geschichte rund um die Passion kaum noch neue Facetten abgewinnen. Doch wenn die Macher von „Maria Magdalena“ im Abspann darauf verweisen, dass die Anerkennung der gleichnamigen Frau als „Jüngerin“ erst im Jahr 2016 durch die katholische Kirche erfolgte, ahnt man, dass „Lion“-Regisseur Garth Davis einen anderen, vielleicht sogar feministischen Ansatz verfolgt. Worum geht es also? Die einst als Hure beschimpfte Maria Magdalena konnte sich erst vor zwei Jahren von ihrem jahrhundertelang übermittelten Status als Sünderin befreien; Und genau an dieser Stelle setzt Davis ein. In „Maria Magdalena“ behandelt er vor allem den Lebens- und Leidensweg der gleichnamigen Hauptfigur und zeigt auf, weshalb es wichtig ist, das Leben der Frau so nachzuerzählen, wie er es tut – und nicht etwa so, wie es so lange von den Glaubensgemeinschaften propagiert wurde. Das ist natürlich eine sehr lobenswerte Intention. Vor allem die zu Beginn an den Tag gelegte Mehrdeutigkeit seiner Erzählung vergrault das nicht ganz so bibeltreue Publikum nicht sofort. Doch mit der Zeit nimmt er seinem Drama mehr und mehr die Subtilität und damit auch den aufklärerischen Ansatz.

Jesus (Joaquin Phoenix) findet in Maria (Rooney Mara) eine Zuhörerin.

Filmisch lässt sich mit der Bibel erst einmal alles anstellen. Die Frage ist lediglich, wie man dem Zuschauer seine Interpretation verkauft. Sieht der Regisseur die geschriebene Grundlage als Fakt an, oder sieht er darin eine Fiktion, anhand derer sich alles Mögliche ableiten und assoziieren lässt? Garth Davis beginnt beim zweiten Ansatz und erzählt anhand des Beispiels von Maria Magdalena eine recht moderne Geschichte über die Selbstbestimmung der Frau: Die von Rooney Mara („Una & Ray“) alles andere als duckmäuserisch verkörperte Maria lehnt sich als erstes weibliches Mitglied innerhalb ihrer Gemeinschaft gegen die für sie vorgesehene Lebensplanung auf und rebelliert mit dem Ziel, selbst über ihr Wohl zu bestimmen. Dies mündet gar in einen Exorzismus; vermutet die Familie doch dahinter einen Dämon, der sie mit den unweiblichen Gedanken nähert. Eine aus heutiger Sicht überzogene, letztlich aber auch ideal auf das Heute übertragbare Tat; das vollständige Aufbrechen geschlechtlicher Rollenmuster ist schließlich immer noch nicht vonstatten gegangen. Dadurch erreicht „Maria Magdalena“ schon früh den Höhepunkt erzählerischer Inbrunst. Die darauf folgenden Momente, in denen sich Maria gegen den Willen von Vater und Brüdern der Glaubensgemeinschaft Jesu anschließt und als einzige Frau der Gefolgschaft auch das Vertrauen anderer Frauen gewinnen kann, sind – insbesondere im Zusammenhang mit der Zeichnung der Gruppe – immer noch stark; schildern sie das nur allzu bekannte Szenario doch einmal aus einer anderen Perspektive. Doch ein entscheidender Moment nimmt „Maria Magdalena“ die so wichtige Erdung.

Lässt es das Skript von Helen Edmundson („An Inspector Calls“) und Philippa Goslett („How To Talk To Girls At Paries“) lange Zeit offen, ob die vermeintlich von Jesus getätigten Wunder nur in der Wahrnehmung stattgefunden haben, oder tatsächlich passiert sind, inszeniert Garth Davis die Wiederbelebung eines Toten als allzu offensichtliche Tatsache. Das macht „Maria Magdalena“ ab sofort nicht bloß zur weitaus weniger glaubwürdigen Interpretationsgrundlage; ab diesem Moment rückt der Film zunehmend von der eigentlichen Hauptfigur weg und widmet sich immer stärker den Belangen von Jesus Christus. Das ist schade – sollte es ja eigentlich um Maria Magdalena gehen. Doch als betont passive Figur angelegt, der das Drehbuch dankenswerterweise keine allzu abwegigen Gedanken und Taten andichtet, widerspricht sie schon fast wieder dem Bild der Rebellin, die sich fraglos – wenngleich aus eigenem Antrieb – in Jesus‘ Gefolgschaft fügt. Wie Garth Davis letztere zeichnet, ist allerdings bemerkenswert. Gäbe es die „Maria Magdalena“ zugrunde liegende Bibelgrundlage nicht, würde man fast meinen, hier dem Siegeszug einer Sekte zuzuschauen. Davis inszeniert Jesus und seine Apostel als verhuschte, ihre Gesinnung laut und mitunter aggressiv in die Welt tragende Sippe, deren Behauptung, Jesus sei der Sohn Gottes, lange Zeit nicht auf beweisbaren Grundlagen baut. Ein interessanter, vor allem aber mutiger Ansatz.

Joaquin Phoenix spielt Jesus gleichermaßen unbedarft wie würdevoll.

Genauso mutig gestaltet sich die Zeichnung des Verräters Judas (Tahar Rahim), dem in „Maria Magdalena“ weniger Boshaftigkeit denn vielmehr Ungeduld angedichtet wird. Genauso wie aus Jesus Christus nicht der allwissende Erlöser wird, sondern ein zurückhaltender, sich seines Schicksals jederzeit bewusster Mann, der in Maria Magdalena wiederum eine starke Zuhörerin findet. Ums gegenseitige Verstehen und Zuhören geht es Garth Davis an vielerlei Stellen. Dazu passen die betörenden, in sich ruhenden Bilder von Kameramann Greig Fraser („Foxcatcher“), der sich am weitläufigen Setting der Berge und Täler labt. „Maria Magdalena“ lebt visuell fast ausschließlich von der Wucht der ohnehin gegebenen Kulisse; sogar ein Wutausbruch Jesus Christus‘, der in Jerusalem einen Tempel zerstört, setzt Garth Davis mit betonte Ruhe in Szene. Dasselbe gilt für die (natürlich) am Ende der Geschichte stattfindende Kreuzigung, der das Drehbuch noch einige weitere Szenen folgen lässt. Hier kommt noch einmal zum Ausdruck, dass es in „Maria Magdalena“ tatsächlich auch um Maria Magdalena geht; weniger um Jesus, geschweige denn die anderen elf Apostel. Das merkt man vor allem daran, dass man im Anschluss gern wüsste, wie das Schicksal der lange Zeit so wertfrei verkauften Frau weiterging.

Fazit: „Maria Magdalena“ beginnt als unkonventionell erzählte, assoziative Bindungen zur Gegenwart schlagende Erzählung über eine interessante Frau, verliert sich dann allerdings in einer weitestgehend spannungsarmen Inszenierung, die zu viel Bekanntes zeigt, um neues zu erzählen.

„Maria Magdalena“ ist ab dem 15. März in den deutschen Kinos zu sehen.

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