Alles Geld der Welt

Der Start von Ridley Scotts Thrillerdrama ALLES GELD DER WELT stand unter keinem guten Stern. Nach dem kurzfristigen Austausch Kevin Spaceys gegen Christopher Plummer sorgte die ungerechte Bezahlung von Michelle Williams für neuen Zündstoff. Doch ist der Film davon abgesehen überhaupt gelungen? Das und mehr verrate ich in meiner Kritik.

Der Plot

Es ist einer der aufsehenerregendsten Fälle der Kriminalgeschichte: 1973 wird der 16-jährige Paul (Charlie Plummer), Enkel des milliardenschweren Öl-Magnaten J. Paul Getty (Christopher Plummer), in Rom entführt. Die Kidnapper verlangen 17 Millionen Dollar Lösegeld, doch der reichste Mann der Welt denkt gar nicht ans Bezahlen. Der alte Griesgram hält das Ganze für eine Inszenierung und fürchtet Nachahmer – schließlich hat er 13 weitere Enkel. Nur Pauls verzweifelte Mutter Gail (Michelle Williams) kämpft weiter um das Leben ihres Sohnes. Unermüdlich versucht sie, den alten Getty umzustimmen und verbündet sich schließlich mit dessen Sicherheitsberater, dem Ex-CIA Mann Fletcher Chase (Mark Wahlberg). Den beiden bleibt nur noch wenig Zeit, bis das Ultimatum abläuft…

Kritik

Man kommt nicht umher, im Zusammenhang mit Ridley Scotts nunmehr 25. Spielfilm jenen Umstand zu erwähnen, der dazu führte, dass der zuständige Verleih Tobis Film „Alles Geld der Welt“ im deutschen Trailer provokant als „Skandalfilm“ ankündigt. Die Nacherzählung der Anfang der Siebzigerjahre tatsächlich stattgefundenen Entführung des schwerreichen Paul-Getty-Nachkommen Paul Getty Jr. ist nämlich kein Skandalfilm der üblichen Sorte; man sieht nichts Verbotenes, das einzig Brutale im Thriller ist allenfalls das Abschneiden des weltberühmten Ohres, das damals zur Demonstration, dass man es wirklich ernst meine, an eine Zeitung geschickt wurde. Nein, hinter der Entstehung von „Alles Geld der Welt“ steckt tatsächlich ein ganz anderer Anstoß der Aufregung: Ursprünglich sollte der Öl-Magnat J. Paul Getty von Kevin Spacey („Baby Driver“) gespielt werden. Die Dreharbeiten waren längst im Kasten, der Film befand sich bereits in der finalen Postproduktion, als der Missbrauchsskandal um den Hollywoodstar bekannt wurde. Spacey soll sich an mehreren jungen Kollegen vergangen haben, outete sich im Zusammenhang mit einem ersten Statement als schwul und ist seither abgetaucht. Scott entschied daraufhin, seinen Darsteller durch Christopher Plummer („Remember“) zu ersetzen, drehte sämtliche Szenen mit ihm neu und sorgte dadurch für den nächsten Aufschrei, als bekannt wurde, dass Nebendarstellerin Michelle Williams („Greatest Showman“) für ihre Nachdrehtage viel weniger Geld erhielt, als Co-Star Mark Wahlberg („Transformers: The Last Knight“), der zu allem Überfluss auch noch von derselben Agentur vertreten wurde, wie seine Kollegen. „Alles Geld der Welt“ startet trotz Golden-Globe- und Oscar-Nominierungen daher unter denkbar unglücklichen Umständen. Dabei ist der üppige Thriller eigentlich richtig gut geworden.

Fletcher Chase (Mark Wahlberg) hält J. Paul Getty (Christopher Plummer) über den Stand der Ermittlungen auf dem Laufenden.

Zuletzt hat es Ridley Scott in „Der Marsianer – Rettet Mark Watney“ in aller Ausführlichkeit bewiesen: Der gebürtige Brite nimmt sich gern viel Zeit, um ein Szenario zu etablieren und die dazugehörigen Charaktere einzuführen. Das ist auch bei „Alles Geld der Welt nicht anders“ – satte 132 Minuten dauert die Nacherzählung der wahren Entführungsereignisse, die 1973 um die Welt gingen und diese gleichermaßen in Atem hielten. J. Paul Getty war zum damaligen Zeitpunkt der reichste Mann der Welt und zeigte sich auch nach mehrmaliger Lösegeldforderung überraschend unkooperativ darin, Teile seines überwältigenden Vermögens für die Unversehrtheit seines Enkels springen zu lassen. So musste sich die Mutter des Opfers, Gail Getty, nicht bloß um ihren entführten Sohn sorgen, sondern auch stiftete außerdem Unfrieden innerhalb der Familie Getty, in die diese lediglich eingeheiratet hatte. Hierauf legt Drehbuchautor David Scarpa („Der Tag, an dem die Erde stillstand“) klar den Fokus seiner Geschichte. Basierend auf dem Buch von John Pearson, der schon die Vorlagen zu „James Bond 007: Goldeneye“ sowie „Legend“ beisteuerte, rückt „Alles Geld der Welt“ vorwiegend die innerfamiliären Konflikte des Getty-Clans – insbesondere zwischen Gail und J. Paul – in den Mittelpunkt, woraus die Geschichte ihren Drive zieht. Der eigentlich recht gemächlich voranschreitende Plot wird durch den anhaltenden Zwist sowie die scheinbare unbelehrbar-überhebliche Attitüde des Anführers immer neu entflammt. Selbst wenn von J. Paul Getty für eine ganze Weile nichts zu sehen ist, sind die Auswirkungen seines (Nicht-)Handelns trotzdem allgegenwärtig.

Eine weitere wichtige Figur in „Alles Geld der Welt“ ist Mark Wahlbergs Ex-CIA-Agent Chase Fletcher. Als Mittler zwischen den streitenden Parteien sowie Kontaktperson zu den ermittelnden Behörden ist sein Charakter gleichermaßen unverzichtbar wir starr auf seine Funktion beschränkt. Charakterlich entfalten kann Wahlberg sich kaum; auch, weil das Skript ihm so gut wie keinen Background zugesteht. So ist Wahlbergs Performance nicht nur im Vergleich zu seinen Kollegen Williams und Plummer klar schwächer, auch Wahlbergs letzte Engagements kamen ihm als Schauspieler wesentlich mehr entgegen. Dafür kann Michelle Williams nicht bloß als gleichermaßen aufgelöste wie selbstbewusst ihrem Schwiegervater gegenübertretende Mutter überzeugen, vor allem Christopher Plummer zeigt sich trotz seiner unglücklichen Besetzungsumstände über alle Zweifel erhaben und spielt den schwierigen Zeitgenossen als gleichermaßen undurchsichtigen wie weltfremden, mitunter arroganten aber nie völlig unnahbaren Kerl. Zum Vergleich mit seinem Vorgänger Kevin Spacey lassen sich zwar nur die Ausschnitte aus dem ersten Trailer zurate ziehen, doch schon in diesen wenigen Szenen zeigt sich, dass der 30 Jahre ältere Charaktermime perfekt in die Rolle des damals in etwa gleichalt gewesenen J. Paul Getty passt. Im direkten Vergleich entschließt sich auch ganz ohne die skandalösen Umstände nicht, weshalb Scott zuvor auf Kevin Spacey setzte und diesen dafür mit viel, viel Maske nahezu unkenntlich machte. Christopher Plummer ist für „Alles Geld der Welt“ die Idealbesetzung, wenngleich sich über die Oscar-Nominierung als „bester Nebendarsteller“ sicherlich streiten ließe.

Cinquanta (Romain Duris, left), einer der Entführer, bittet sein Opfer J. Paul Getty III (Charlie Plummer) darum, zu essen.

Neben der Sezierung des Getty’schen Innenlebens greift Ridley Scott zwischendrin immer wieder auf, wie es dem Entführungsopfer ergeht. Während sich einige Verwicklungen und falsche Fährten gerade im letzten Drittel von einem genreerfahrenen Publikum durchaus erahnen lassen (Stichwort: Polizist), gibt sich der Regisseur bei der Beziehung zwischen Kidnapper und Gekidnapptem viel Mühe, um das Verhältnis in all seiner Diversität aufzubereiten. Da zeigen sich Anzeichen eines umgekehrten Stockholm-Syndroms ebenso, wie vereinzelte Gewaltspitzen, wodurch die zuvor fast schon harmonische Stimmung immer wieder kurz aufkocht. Wer die wahre Geschichte hinter „Alles Geld der Welt“ nicht kennt, für den bleiben gerade die Ereignisse der Entführung selbst stets unvorhersehbar, was darin mündet, dass man nie ganz sicher sein kann, ob hier am Ende alle lebend rauskommen. Trotzdem ist der akustisch wie optisch recht unspektakuläre Thriller kein Genrestück für Adrenalinjunkies. Bei der überstilisierten Darstellung der unermesslichen Geldbeträge zeigt sich der Film noch von seiner dynamischsten Seite. Auch im Finale sorgt eine Flucht mit mehreren PS für mehr Tempo, als in den zwei Stunden zuvor, in denen in erster Linie nüchterne Dialoge dominieren. Halsbrecherische Verfolgungsjagden oder aufregende Schusswechsel gab es weder in der Realität, noch gibt es sie im Film. Und so ist „Alles Geld der Welt“ letztlich ein spannender Entführungsthriller der leisen Töne, der von den skandalumwitterten Umständen seiner Entstehung hoffentlich nicht erdrückt wird.

Fazit: Ridley Scotts auf wahren Ereignissen basierender Entführungsthriller „Alles Geld der Welt“ hätte den ganzen Trubel um seine Entstehung gar nicht nötig. Der Film besticht mit seiner stilsicheren Inszenierung, einem spannenden Erzählstil und einem herausragenden Christopher Plummer.

„Alles Geld der Welt“ ist ab dem 15. Februar bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.

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