Das unerwartete Glück der Familie Payan

In DAS UNERWARTETE GLÜCK DER FAMILIE PAYAN wird eine 49-Jährige ungewollt schwanger – und plötzlich wird nicht nur ihr Zukunftsplan vollständig durcheinander gewirbelt, sondern auch der ihre Familie. Mehr zu der französischen Komödie in meiner Kritik.

Der Plot

Nicole (Karin Viard) ist 49 und sicher, dass jetzt die Wechseljahre zuschlagen. Ein Besuch beim Arzt bringt jedoch eine überraschende Diagnose: Nicole ist schwanger! Dabei dachte sie, eine ungeplante Schwangerschaft passiere ihr nur einmal – ihr erstes Kind bekam sie mit fünfzehn. Bisher managte die berufstätige Mutter das permanente Familienchaos der Payans sehr souverän: Ihr plan- und arbeitsloser Ehemann, ihre etwas verwirrte Mutter, ihre erwachsene Tochter, die in ihrem alten Kinderzimmer noch immer ein Teenagerleben führt und ihre quirlige Enkelin halten sie dennoch genug auf Trab. Ist noch Platz für einen „kleinen Untermieter“? Nicole muss eine Entscheidung treffen. Gar nicht so einfach, wenn sich jedes Familienmitglied schon genau überlegt hat, was wohl das Beste wäre.

Kritik

Manche Themen eignen sich für ein Drama genauso gut wie für eine Komödie. Manche Regisseure und Drehbuchautoren verbinden die tragischen und komischen Elemente einer Thematik sogar und machen daraus eine klassische Tragikomödie. Dann wiederum gibt es aber auch Filmemacher, die das Gleichgewicht dieser beiden grundverschiedenen Tonfälle nicht so ganz auf die Reihe bekommen. Und zu so einem gehört auch die Macherin von „Das unerwartete Glück der Familie Payan“, einer französischen Komödie über die Problematiken einer ungewollten Schwangerschaft im hohen Alter. Für Regisseurin Nadège Loiseau ist der im Original „Le petit locataire“ betitelte Film das Langfilmdebüt, basierend auf einem, ebenfalls von ihr selbst inszenierten Kurzfilm. Die Geschichte definiert sich zwar von Anfang an über ihren sketchartig aufbereiteten, eher grobschlächtigen Humor, doch in Kombination mit der schon ziemlich ernsten Grundtonalität beißen sich die ausladenden Slapstick- und Gageinlagen dann doch immer mal wieder. Dass man sehr oft nicht weiß, ob man nun lachen oder weinen soll, könnte eigentlich für den Film sprechen, doch am Ende tut man dann irgendwie weder das Eine, noch das Andere. Und das ist schade, denn eigentlich stecken in „Das unerwartete Glück der Familie Payan“ sehr viele feine Ideen.

Doktor Gentil (Grégoire Bonnet) und Nicole (Karin Vard) können die späte Mutterschaft kaum fassen.

Als Hauptfigur Nicole von ihrer unerwarteten Schwangerschaft erfährt, legt die hier auch als Autorin fungierende Nadège Loiseau eine ungeheure Behutsamkeit an den Tag. Diese ersten zwanzig Minuten sind ein Paradebeispiel dafür, wie man eine eigentlich klare Situation anhand einer Figur so komplex wie möglich aufbereiten kann. Auch die fabelhafte Karin Viard („Verstehen Sie die Béliers?“) trägt dazu bei, dass der Zuschauer direkt beide Positionen verstehen kann: Auf der einen Seite ist da das nach wie vor vorhandene Muttergefühl von Nicole, viel Verantwortungsbewusstsein sowie die Erkenntnis, es nicht bei allen bisherigen Kindern immer richtig gemacht zu haben (schon früh rührt eine Szene, in welcher Nicole aufzählt, was sie bei ihrem ältesten Sohn alles verpasst hat) und was sich jetzt noch einmal nachholen ließe. Aber da ist auch die Kehrseite der Medaille, denn so eine späte Schwangerschaft birgt Risiken und nicht zuletzt muss ein Baby natürlich in das Familiengefüge der ohnehin reichlich chaotischen Payans passen. Doch spätestens, wenn während Nicoles halbherzigem Abtreibungsversuch der Rest der Familie daheim verbleibt und sich, kaum bewusst über die Folgen dieser Entscheidung, geschweige denn die psychische Belastung, über diesen schwerwiegenden Prozess unterhält, gewinnt der Tonfall zunehmend etwas Sitcomhaftes, was sich arg mit der vorab etablierten, ruhigen Erzählung beißt.

Auf der einen Seite kümmert sich Nadège Loiseau hingebungsvoll um das Gefühlsleben ihrer Figuren. Nicht nur Nicole wird in ihren Ängsten und Sorgen auch über gängige Allgemeinplätze hinweg ernst genommen – Karin Viard dankt es dem Skript, indem sie die zerrissene Mutter sehr differenziert und mit viel Gefühl für kleine Nuancen in Ausdruck und Bewegung verkörpert. Auch die Nebenfiguren erhalten ausreichend Profil. Da ist zum Beispiel der Vater Jean-Pierre (Philippe Rebbot), der nicht weniger hin- und hergerissen ist als seine Frau, jedoch ein weitaus weniger kontrolliert agierender Zeitgenosse ist. Da ist aber auch die älteste Tochter Arielle (Manon Kneusé), die es mit der Erziehung ihrer Tochter Zoé (Stella Fenouillet) nicht so ganz genau nimmt und damit als lebendes Beispiel für Nicoles vermeintlich gescheiterte Mutterrolle fungiert. Und dann ist da auch noch Nicoles Mutter Mamilette (Hélène Vincent), die lange Zeit wie der Stereotyp einer alten, verwirrten Rentnerin wirkt (leider erschöpft sich der Gag um die plötzlich immer wieder weg getretene Oma nicht nur irgendwann, er läutet eine vermeintliche Überraschung im letzten Drittel des Films auch wenig unbeholfen ein), haut aber in wichtigen Momenten so gezielte Äußerungen raus, dass man diese so nicht erwarten konnte und es ihnen gelingt, über zahlreiche plakative Szenen hinweg zu helfen. Doch nicht nur aufgrund der holprigen Dramaturgie kann sich dieses stimmige Familiengefühl kaum entfalten. Viele per se schön geschriebene Szenen werden für einen guten Gag geopfert oder scheinen der Regisseurin nicht aussagekräftig genug zu sein. Ihre Konzentration auf eine möglichst laute, schnelle Komödie geht auf Kosten der definitiv vorhandenen, immer wieder durchscheinenden, sich jedoch nie durchsetzenden Emotionalität.

Die Familie Payan mit Mamilette (Hélène Vincent), Mutter Nicole, Enkelin Zoé (Stella Fenouillet) und Vater Jean-Pierre (Philippe Rebbot).

Ängste vor dem Arztbesuch, die Konfrontation mit der eigenen Sterblichkeit oder die Frage, wie man dem Rest der Familie die aktuelle Situation erklärt: All das sind Dinge, die Nadége Loiseau zwar anpackt, ihnen aber nicht ausreichend Beachtung schenkt. Wenn Nicole und ihre Tochter Arielle überlegen, wie sie ihrem hunderte Kilometer weit weg als Koch auf einem U-Boot arbeitenden Bruder die Nachricht der späten Schwangerschaft übermitteln können, kreieren die Macher daraus eine wenig überzeugende Episode über eine merkwürdige Geheimsprache, die der Geschichte zeitweise sogar die sonst durchgehend vorhandene Bodenständigkeit raubt. Auch die Diskussionen zwischen Mutter und Tochter erinnern mehr an klassische Screwball-Comedies als an handfeste Auseinandersetzungen und so wundert es irgendwie auch nicht, dass Arielle ihre Mutter gerade deshalb überhaupt nicht ernst nimmt. Dafür findet Nadège Loiseau gerade zum Finale hin schöne Kompromisse im Hinblick auf das angepackte Thema und lässt selbst in den absurdesten Momenten immer eine gewisse Form des Respekts für ihre Charaktere walten. Nur die Fruchtblase, die hätte in der aller letzten Szene dann nicht noch platzen müssen.

Fazit: Nadège Loiseau erweckt mit ihrem Langfilmdebüt „Das unerwartete Glück der Familie Payan“ den Eindruck, ihrer eigenen Geschichte nicht so recht zu trauen. In den ruhigen Momenten funktioniert ihre Komödie wunderbar, doch opfert sie diese Stärke viel zu oft dem schnellen Gag. Trotzdem gibt’s Einiges zu schmunzeln und der herzliche Umgang mit den Figuren weiß ebenfalls zu gefallen.

„Das unerwartete Glück der Familie Payan“ ist ab dem 20. Juli in den deutschen Kinos zu sehen.

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