Siebzehn

Die Österreicherin Monja Art versucht sich in ihrem Regiedebüt SIEBZEHN an einem Film über die Jugend, inspiriert von eigenen Erlebnissen. Wie gut ihr das gelingt, das verrate ich in meiner Kritik.

Der Plot

Die letzten Wochen vor den Sommerferien, irgendwo in Niederösterreich. Die 17-jährige Internatsschülerin Paula (Elisabeth Wabitsch) ist heimlich in ihre Freundin Charlotte (Anaelle Dézsy) verliebt. Doch die ist mit Michael  (Leo Plankensteiner) zusammen. Um sich von ihrem Liebeskummer abzulenken, lässt sich Paula auf ihren Schulfreund Tim (Alexander Wychodil) ein, der selbst echte Gefühle für sie hat. Paula ahnt dabei nicht, wie oft auch Charlotte in Wahrheit an sie denkt. Und plötzlich kommt auch noch Lilli (Alexandra Schmidt) ins Spiel, die sich danach sehnt, begehrt zu werden, und selbst als wilde Verführerin auftritt. Paula muss sich entscheiden, ob sie ihren eigenen Gefühlen folgt oder denen der anderen.

Kritik

Filme über das Erwachsenwerden laufen schnell Gefahr, vor Klischees zu triefen. Ganz anders „Siebzehn“, das Regiedebüt der gebürtigen Österreicherin Monja Art. In ihrem Coming-of-Age-Drama über eine Internatsklasse in einem kleinen Dorf in der Niederösterreichischen Provinz gibt es nicht die typischen Kategorisierungen in Sportass, Nerd, Lolita oder Mauerblümchen. Stattdessen bekommt es der Zuschauer hier mit echten, zu jeder Zeit authentischen Menschen zu tun; vor allem aber mit deren Problemen. Art gibt an, dass sie beim Schreiben des Skripts sowie bei der Inszenierung von echten Erlebnissen ihrer Jugend inspiriert wurde. Und tatsächlich sind es kleinste Details, die „Siebzehn“ wahrhaftig erscheinen lassen. Auf eine klar erkennbare Dramaturgie verzichtet die Regisseurin dabei wohlweislich und liefert eher eine Aneinanderreihung von Ereignissen, die sich mit der Zeit zu einer Art Generationenporträt zusammenfügen. Dabei hat „Siebzehn“ den großen Vorzug, trotz der im Grunde fehlenden Geschichte kurzweilig und unterhaltsam zu sein, denn in mindestens einer der Figur wird sich jeder Zuschauer irgendwann wieder erkennen. Gleichwohl fehlt es Arts Film aber auch an Stringenz, sodass sie im Laufe der 100 Minuten so viele Charaktere und deren Subplots etabliert, dass sie all diesen nicht ganz gerecht werden kann; zumal sie Teile davon später auch wieder kommentarlos einfach in der Versenkung verschwinden lässt.

Die Dialoge und Momente in „Siebzehn“ wirken wie aus dem echten Leben und daher besonders authentisch.

Ein Großteil des Casts steht für „Siebzehn“ entweder das erste Mal vor der Kamera, oder kann auf noch nicht allzu viel Schauspielerfahrung zurückgreifen. Elisabeth Wabitsch etwa, einer der Hauptdarstellerin, für die die Rolle der Paula das Leinwanddebüt darstellt. Trotzdem (oder gerade deshalb) gelingt es Monja Art ganz vortrefflich, ihrem Ensemble echte Emotionen zu entlocken. Viele der Dialoge wirken im besten Sinne improvisiert und damit nicht etwa dilettantisch vorgetragen, sondern dem echten Leben entnommen. Zu diesem Eindruck trägt auch die Inszenierung selbst bei, denn Kameraarbeit (Caroline Bobek, „Was bleibt“) und Sounddesign sind derart minimalistisch, dass man sich bisweilen an einen Dokumentarfilm erinnert fühlt. Da kommt es dann auch schon mal vor, dass man Teile der Dialoge vor der Klangkulisse nicht richtig versteht, was jedoch noch mehr dazu beiträgt, dass der Eindruck der Authentizität von „Siebzehn“ verstärkt wird. Die Darsteller scheuen weder die Auseinandersetzung, noch den Einsatz von Nacktheit oder das Zeigen von Zerbrechlichkeit. Wenn Monja Art allerdings für einige Einzelszenen von dieser reduzierten Inszenierung ablässt, wirkt das im Rahmen des restlichen Films direkt befremdlich. Eingeschobene Zeitlupensequenzen sollen entsprechende Emotionen symbolisch verstärken, bräuchten das aber gar nicht und wirken daher eher fehl am Platz.

In „Siebzehn“ folgt Monja Art nicht bloß einer einzelnen Figur, sondern versucht, so viele Charaktere wie möglich in die Handlung zu integrieren. Ein wenig weiter im Mittelpunkt als andere steht dabei der Subplot um die unglücklich verliebte Paula, die auf ihrem Weg in Richtung (Un-)Glück mit diversen Problemen ihrer Mitschüler konfrontiert wird. Dabei ist nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich, welche davon zusätzliche Relevanz in die Handlung bringen und genau da liegt auch das grundlegende Problem des Films an sich. In ihrem Bemühen ein möglichst breit gefächertes Abbild der Jugend zu inszenieren, blickt sie manchmal doch arg flüchtig auf manches Einzelschicksal. Die von Alexandra Schmidt („Agonie“) kongenial verkörperte, verführerische Lili etwa bleibt auf ihren Status als männliches Objekt der Begierde reduziert, dessen Motivation, den Spieß im Hinblick auf Paula umzudrehen, nicht wirklich erschließt. Auch ein angedeuteter Selbstmordversuch eines Mitschülers bleibt kommentarlos und stiftet gen Ende des Films tatsächlich noch mehr Verwirrung, als es das Gefühlsleben der Pubertierenden ohnehin schon tut. Bisweilen entsteht sogar der Eindruck, Art würde manch eine Figur auf dem Weg in Richtung Schlussakt einfach vergessen.

Paula (Elisabeth Wabitsch) ist in Charlotte (Anaelle Dézsy) verliebt. Nur liebt die ihren Freund Tim (Leo Plankensteiner).

Natürlich muss man nicht verzweifelt jeden Handlungsstrang zu einem sorgsam vorbereiteten Happy- oder Sad-End führen. Erst recht nicht in einem Film, der sich mit einer menschlichen Lebensphase auseinandersetzt, in der nichts von Dauer ist. Leider sorgen besagte Szenen nicht unbedingt dafür, dass das Kaleidoskop jugendlicher Emotionen einfach um weitere spannende Facetten ergänzt wird; bisweilen bremsen die unvollendeten Episoden die Handlung einfach aus, weil sie ebenso ins Leere führen, wie sie aus dem Nichts kommen. Hier bleibt „Siebzehn“ als allumfassende Emotionsstudie hinter seinen Möglichkeiten zurück, ist jedoch gleichsam gut in der Lage, diesen Schwachpunkt damit auszugleichen, dass Art konsequent ihrem Inszenierungsstil treu bleibt. „Siebzehn“ fühlt sich so frei an wie wir, als wir jung und noch voller Hoffnung waren, spart aber auch die schmerzvollsten Momente nicht aus und lässt den Zuschauer schließlich in einem Zustand der Hoffnung und Zuversicht zurück. Damit schafft Monja Art mehr, als viele andere Regisseure, die sich an einer Geschichte über die heranwachsende Generation versuchen. Nicht auszudenken, was für ein Film „Siebzehn“ geworden wäre, hätten doch nur alle Charaktere dieselbe Aufmerksamkeit erhalten wie Paula.

Fazit: Regisseurin Monja Art gelingt mit „Siebzehn“ ein stark gespielter, authentischer Film über die verirrten Gefühlswelten moderner Teenager. Dabei verliert sie jedoch ab und an den Fokus und lässt Nebenhandlungsstränge so plötzlich auf- und wieder abtauchen, dass man als Zuschauer Mühe hat, das Interesse konsequent aufrecht zu erhalten.

„Siebzehn“ ist ab dem 27. April in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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